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Das Auftaktfoto zum G7-Gipfel in Cornwall
© imago images/UPI Photo

Biden in Europa: Wie sich der Westen neu erfinden könnte

Ist Biden nur als Cheerleader in Europa - um den alten Westen aufzumuntern? Nein, die westliche Allianz braucht einen Relaunch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Ist Joe Biden nur der Cheerleader des alten Westens? Ist seine erste Europa-Reise vor allem dazu da, Verbündete und Freunde nach den Qualen der Trump-Jahren aufzurichten und gegen China einzuschwören? In den USA ist das eine verbreitete Lesart dieser Reise, bei der der amerikanische Präsident mit den Staats- und Regierungschefs der G7 und mit Vertretern von EU und Nato zusammentrifft. "Politico" bemerkte im Vorfeld der Reise etwa, der Trip sei vor allem eine Art „pep rally“, eine Aufwärmshow wie vor einem Footballspiel.

Richtig ist: Der Westen steht vor der Sinnfrage. Nach dem von Barack Obama verkündeten „Pivot to Asia“, der „Wende nach Asien“, fühlten sich die Verbündeten in Europa marginalisiert, die Trump-Jahre zerstörten Vertrauen, selbst die Münchner Sicherheitskonferenz stellte 2020 eine „Westlessness“ fest.

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Gesehen wird ein neuer Sinn, ein neues gemeinsames Ziel, vor allem in der Abwehr des chinesischen Hegemonialstrebens. Einige der konkreten Beschlüsse, die auf dem G7-Gipfel verhandelt werden, zielen genau hierauf, etwa gemeinsame Investitionen in die Infrastruktur in Schwelle- und Entwicklungsländern, um der chinesischen Seidenstraßenpolitik etwas entgegenzusetzen.

Aber noch etwas kann den liberalen Demokratien dieser Welt (formerly known as „Der Westen“) neuen Sinn geben. Die Gipfel dieser Tage sind eine Chance, sich als Allianz des Wandels neu zu erfinden: als eine Allianz, die den Umbau, den der Klimawandel erfordert, gemeinsam bewältigen.

Der Westen könnte sich als Transformationsgemeinschaft neu erfinden

Der Westen könnte eine Transformationsgemeinschaft werden. Die meisten liberalen Demokratien werden in den nächsten Jahren versuchen, ihre Volkswirtschaften klimaneutral umzubauen. Die USA streben eine Verringerung ihres CO2-Ausstoßen um 50 Prozent im Vergleich zu 2005 bis 2030 an.

Die EU-Länder haben mit dem Green Deal vereinbart, bis spätestens 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Die Bundesregierung hat zuletzt ihr Klimagesetz nachgeschärft und will das schon bis 2045 erreichen.

Wenn Länder CO2-Preise einführen, drohen Arbeitsplätze verloren zu gehen

Das soll unter anderem über einen CO2-Preis (den Biden noch nicht im Programm hat) und Umweltauflagen geschehen, zum Beispiel für Autos, die Industrie oder im Bau. Die Anreize für Unternehmen sind also groß, sich dem zu entziehen, indem sie Teile ihrer Produktion in Länder mit weniger strengen Regeln verlagern oder abwandern. Allerdings kann sich kein Land sinkende Steuereinnahmen oder ein Schrumpfen seiner Volkswirtschaft erlauben. Denn gleichzeitig sind massive Investitionen in Solar- und Windkraftanlagen, in Wasserstofftechnologie und Stromnetze nötig.

Die Gesellschaften wird das unweigerlich unter Stress setzen – Öko-Bürgergeld hin oder her. Am Ende kann es sein, dass neue Jobs geschaffen werden, dass die Volkswirtschaften wachsen und innovativer werden, wie es Biden den Amerikanern, die Kanzlerkandidaten den Deutschen versprechen. Doch viele Menschen werden ihre Lebensweise ändern und sich neue Jobs suchen müssen – und vielleicht keine finden.

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Donald Trump ist der Beweis dafür, wie verletzlich Demokratien in solchen Momenten sind. In den USA hat man den Strukturwandel durch die Globalisierung vielerorts laufen lassen. Trump wurde vor allem dort gewählt, wo Arbeitsplätze verloren gegangen waren oder die Leute glaubten, sie seien als nächstes dran. Wladimir Putin hat das erkannt – und mit einer gezielten Intervention bei der Wahl 2016 Trump an die Macht geholfen.

Die Länder müssen ihre Wirtschaft beschützen - zum Beispiel durch eine gemeinsame Zollgrenze für Produkte aus CO2-Niedrigstandard-Ländern

Im rauen Klima einer globalen Wirtschaft kann kein Land diesen Wandel alleine schaffen. Die EU, die USA, Großbritannien, Japan, aber auch Nicht-G7-Länder wie Australien, Neuseeland und Südkorea müssten sich deshalb zusammenschließen. Die EU arbeitet etwa derzeit an einer Carbon Border Tax – einer Art CO2-Zoll. Produkte und Rohstoffe aus Ländern mit niedrigen CO2-Standards, die deshalb günstiger sind, sollen an der Grenze zur EU mit einem Zoll belegt werden, um die Wettbewerbsverzerrung auszugleichen und Unternehmen und Produktionsstätten zu halten. Auch die Biden-Regierung denkt darüber nach. Warum nicht einen noch größeren Raum schaffen, der so geschützt ist?

[Lesen Sie auch auf TPlus: Die größten Konfliktpunkte bei den Treffen mit Joe Biden (T+)]

Auch die bereits verabredete globale Mindeststeuer ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die Einnahmen stimmen. Technologie- und Wissensaustausch, der Abbau von Handelsbarrieren und die gemeinsame Abwehr von Cyber- und Desinformationskampagnen aus China und Russland zum Schutz aufgewühlter Gesellschaften zu Hause sind ebenfalls Aufgaben einer Transformationsgemeinschaft.

Joe Biden und seine Berater betonen immer wieder, sie wollten eine „Foreign Policy for the Middle Classes“ – eine Außenpolitik die der Mittelschicht dient. Wenn die liberalen Demokratien es schaffen, sich als Allianz des Wandels zu verstehen, wäre das erreicht.

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