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EU-Parlament und -Kommission bereiten sich bei der Parlamentsabstimmung in London auf Mays Scheitern vor.
© imago/Christian Ohde

Vor Brexit-Abstimmung: Wie sich Brüssel auf Mays Scheitern vorbereitet

Erneute Abstimmung? No Deal? Oder Verschiebung des Austrittstermins? Im Europaparlament denkt man über verschiedene Szenarien nach der Londoner Abstimmung nach.

In Straßburg, wo wie immer in Sitzungswochen EU-Parlament und Kommission gastieren, bereitet man sich auf ein Nein des britischen Unterhauses vor. Die Frage sei nur noch, wie hoch die Abfuhr für die britische Premierministerin Theresa May in den eigenen Reihen ausfalle, heißt es. Sollte May neben den Nein-Stimmen der Opposition mehr als 200 Nein-Stimmen aus dem eigenen Lager kassieren, werde es sehr schwierig für sie. Dann drohe ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU am 29. März.

Denn in diesem Fall sei der Premierministerin ein zweiter Versuch praktisch versperrt, den in langwierigen Gesprächen ausgehandelten Vertrag doch noch durch das Unterhaus zu bringen. „Bei 80 Gegenstimmen könnte sie es noch einmal wagen“, hört man in Brüssel.

Für Mittwochmorgen, wenige Stunden nach der Entscheidung im britischen Unterhaus, ist eine Debatte im Europaparlament angesetzt. Thema ist,  wie es nun weiter gehen soll. Anderthalb Stunden sind vorgesehen. Klar ist bereits jetzt: Eine Resolution soll nicht verabschiedet werden. Dafür reiche die Vorbereitungszeit nicht. Dies könnte Ende Januar nachgeholt werden, wenn das EU-Parlament wieder zusammen kommt.

Vermutlich würde May die zweite Abstimmung über den umstrittenen Vertrag innerhalb von wenigen Wochen anberaumen. Auch die Einberufung eines  weiteren Brexit-Sondergipfels ist in Brüssel im Gespräch. Beides müsste aber noch im März über die Bühne gehen.

Denn in Brüssel gibt es wenig Neigung, den Briten über das anvisierte Austrittsdatum 29. März hinaus noch mehr Aufschub zu geben. Elmar Brok (CDU), Brexit-Beauftragter des EU-Parlaments, sagt: „Für eine Verschiebung des Austrittstermins müsste es nachvollziehbar Gründe geben.“ Genannt werden etwa eine Neuwahl in Großbritannien oder die Vorbereitung eines neuen Referendums. Dafür werden aus rechtlichen Gründen aber mindestens fünf Monate Vorlauf einkalkuliert.

Eine Verschiebung des Brexits hat – wenn überhaupt - zeitlich sehr enge Grenzen. Über den 30. Juni hinaus könne es keine Verschiebung des Austrittstermins geben, heißt es in Brüssel. Der Grund ist die Europawahl vom 23. bis 26. Mai.

Ab 1. Juli sind die neu gewählten EU-Abgeordneten offiziell im Amt. Sollte das Vereinigte Königreich dann noch EU-Mitglied sein, müssten auch britische Abgeordnete wieder ins Straßburger Parlament einziehen. Dies würde bedeuten, dass britische Abgeordnete auch über die Nominierung des neuen Kommissionspräsidenten mit entscheiden würden, bevor sie dann wenige Wochen später endgültig die EU und das Parlament verlassen. Den Briten diese Beteiligung noch zuzugestehen, dazu ist aber niemand mehr in Brüssel bereit.

Üblicherweise benennt das Europaparlament in der ersten Sitzungswoche nach der Europawahl einen Kandidaten für den Kommissionspräsidenten. Nach derzeitigem Stand hat der Spitzenkandidat der christdemokratischen Parteienfamilie, der CSU-Politiker Manfred Weber, die besten Chancen, Jean-Claude Juncker in dieser Position zu folgen. Den Sommer über würde er dann ausloten, welche Kommissare er aus den Mitgliedstaaten berufen möchte. Vorausgesetzt, der Kandidat des Parlaments würde auch die Zustimmung von den Staats- und Regierungschefs bekommen, würden dann im Herbst die Anhörungen der Kommissare  im Parlament anstehen.

Eine Fristverlängerung und einen späteren Brexit-Termin müssten formal die Mitgliedstaaten einstimmig beschließen. Das Europaparlament hat aber bereits angemeldet, dass es ebenfalls mitreden will.

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