Großbritannien: Protest gegen Brexit-Deal: Tory-Abgeordneter gibt Fraktionsamt auf
Der für die Fraktionsdisziplin zuständige Abgeordnete gibt schon vor der Brexit-Abstimmung auf. Als Grund nennt er Zweifel an der Regelung zur irischen Grenze.
Ein Abgeordneter der konservativen Regierungspartei in Großbritannien hat sein Amt in der Fraktion aus Protest gegen den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May am Montag niedergelegt. Nur einen Tag vor der wichtigen Abstimmung über das Abkommen im Parlament hat May mit heftigem Widerstand in den eigenen Reihen zu kämpfen. Gareth Johnson, der seit November als „whip“ (Einpeitscher) für Fraktionsdisziplin sorgen sollte, begründete den Schritt mit Zweifeln am sogenannten Backstop, der Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland.
Das Brexit-Abkommen sieht vor, dass Großbritannien so lange als Ganzes Teil der EU-Zollunion bleiben soll, bis eine andere Lösung für eine offene Grenze in Irland gefunden ist. Wie viele andere befürchtet Johnson, dass Großbritannien durch die Regelung dauerhaft eng an die EU gebunden bleiben könnte.
Briefwechsel zwischen EU und Theresa May
Am Montagmorgen hatten die britische Premierministerin Theresa May und die EU in einem Briefwechsel versucht, Bedenken gegen das mühsam ausgehandelte Abkommen auszuräumen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk bekräftigten am Montag in ihrem Schreiben, der Backstop stelle eine reine Rückversicherung dar, die möglichst nie genutzt werden solle. Es werde alles dafür getan, dass der Fall nicht eintrete.
Die EU strebe nach dem Austritt der Briten eine schnelle Handelsvereinbarung an. Wenn die Nordirland-Notfalllösung dennoch eintrete, werde sie aber nur übergangsweise in Kraft sein, bis eine Folge-Regelung eine harte Grenze verhindere. Doch ob sich viele Kritiker in Großbritannien davon besänftigen lassen, scheint zweifelhaft.
May bewertete den Brief als wertvolle Zusicherung der EU zum Brexit-Abkommen. Er gehe zwar nicht so weit, wie manche Abgeordnete erwartet hätten. Der Brief habe aber Rechtskraft. In ihrem Brief an die EU hatte sie geschrieben, britische und EU-Politiker müssten sich wegen der Nordirland-Notfalllösung keine Sorgen machen. Der Backstop stößt im britischen Unterhaus auf heftige Kritik.
Im Falle einer Ablehnung ihres Brexit-Abkommens am Dienstag hält Premierministerin May einen Stopp des EU-Austritts für wahrscheinlicher als einen Ausstieg ohne Deal. Das berichtete die britische Nachrichtenagentur PA am frühen Montagmorgen unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Redemanuskript Mays.
May spricht zu Fabrikarbeitern
May will am Montag zu Fabrikarbeitern in Stoke-on-Trent sprechen, einer Stadt, die mehrheitlich für den Brexit ist. In ihrer Rede werde sie laut Manuskript sagen, dass sie die Abgeordneten ermahnen werde, es sei ihre Pflicht, das Ergebnis des Referendums umzusetzen. Anderenfalls gebe es "katastrophale" Folgen für die Demokratie im Vereinigten Königreich, sollte das Unterhaus wie erwartet gegen das Austrittsabkommen stimmen.
Daher sollten die Abgeordneten die Folgen ihres Handelns hinsichtlich des Glaubens des britischen Volks an die Demokratie berücksichtigen. Sie glaube nun, dass es wahrscheinlicher sei, dass die Abgeordneten den Brexit vereitelten als ein Austritt ohne Abkommen. Im Laufe des Tages will May auch noch einmal im Parlament sprechen und für ihren Deal werben.
Die Abstimmung über die Brexit-Vereinbarung zwischen London und den 27 anderen Mitgliedstaaten ist am Dienstag geplant. Vieles deutet nach Auffassung von Beobachtern auf eine Niederlage von Premierministerin May hin. Die Folge könnte ein ungeregelter Brexit zum Austrittsdatum am 29. März ohne Übergangsregelungen sein. Im Falle eines EU-Austritts ohne Abkommen droht Chaos.
Die Zeitung "The Observer" hatte am Sonntag berichtet, dass die oppositionelle Labour-Partei im Fall einer Ablehnung des Austrittsvertrags umgehend ein Misstrauensvotum gegen May beantragen will. Noch am Mittwoch könne die Abstimmung darüber erfolgen, berichtete das Blatt unter Berufung auf Labour-Abgeordnete.
Sollte May bei einem Misstrauensvotum durchfallen, hätte das Unterhaus 14 Tage Zeit, eine neue Regierungsmehrheit zustande zu bringen. Andernfalls müsste es Neuwahlen geben. Sollte Labour die Wahl gewinnen, werde der für den 29. März geplante Brexit wegen neuer Verhandlungen mit Brüssel wahrscheinlich verschoben, sagte Oppositionsführer Jeremy Corbyn in der BBC. (dpa, AFP)