Österreich: Wie Sebastian Kurz künftig regieren will
Anfang der Woche soll es soweit sein: Dann bekommt Österreich wohl eine neue Regierung. Doch der Weg dorthin war für ÖVP und FPÖ schwierig.
Der Unmut ist groß. Wäre er nicht bereits aus dem Parlament ausgeschieden, würde er jetzt zurücktreten, gibt der frühere gesundheitspolitische Sprecher der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), Erwin Rasinger, zu Protokoll. Er hoffe sehr, „dass man da noch etwas machen kann“, knurrt der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, auch er von der ÖVP. Worüber grämen sich die Partei-Granden, ausgerechnet jetzt in der Stunde des Triumphs, in der die Konservativen erstmals seit elf Jahren wieder den Kanzler stellen dürfen?
Sie ärgern sich über ebendiesen, den 31-jährigen Sebastian Kurz, der in den Koalitionsverhandlungen – die an diesem Wochenende abgeschlossen werden sollen – der noch ein Stück weiter rechts stehenden Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) in einem heiklen Punkt entgegengekommen war: Das für Mai 2018 auch mit den Stimmen der ÖVP gesetzlich fixierte Rauchverbot in Gaststätten und Restaurants soll auf Wunsch der FPÖ zurückgenommen werden. So darf in Österreich weiter in einem durch eine Glaswand abgetrennten Raum geraucht werden.
Kleine Lichter statt Leuchttürmen
Der Streit um das Rauchergesetz ist typisch für Sebastian Kurz’ Probleme: Er, der nicht weniger versprochen hat, als Österreich aus den Angeln zu heben, und überall Veränderung versprach, versuchte während der gesamten Zeit der Koalitionsverhandlungen vergeblich, „Leuchtturmprojekte“ auf den Weg zu bringen. Aus den „Leuchttürmen“ sind eher „kleinere Lichter“ geworden, analysierte kürzlich die Tageszeitung „Die Presse“.
Verursacht der Widerruf des Rauchverbots vor allem in der ÖVP Ärger, trifft eine andere Maßnahme eher die Klientel der FPÖ, die auch bei der vergangenen Nationalratswahl die Nummer eins in der Gunst der Arbeiter und Kleinverdiener war: Die zeitweise Einführung des Zwölf- Stunden-Arbeitstags und der 60-StundenWoche wird maßgeblich erleichtert. Die ÖVP griff damit einen lang gehegten Wunsch der Unternehmervereinigungen und der Hotellerie auf.
Einigkeit über die Flüchtlingspolitik
Tief in die Tasche greift die neue Regierung bei der Familienförderung. Pro Kind können künftig 1500 Euro bei der Lohnsteuer verrechnet werden. Kosten des Pakets: zwei Milliarden Euro. Bei einem Gesamtbudget der Republik Österreich von etwa 80 Milliarden ist das beträchtlich.
Am wenigsten Diskussionsbedarf gab es zwischen den künftigen Koalitionären in der Frage der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Kurz hatte im Wahlkampf die FPÖ bei diesem Thema von der Rechtsaußenposition verdrängt und fuhr einen scharfen Anti-Ausländer-Kurs, der ihm schließlich Beobachtern zufolge den Wahlsieg bescherte. Die Pläne der künftigen Regierung auf diesem Gebiet sind sehr konkret.
Für Zuwanderer soll es erst nach einer fünfjährigen Wartezeit Sozialleistungen geben. Asylberechtigten wird die soziale Mindestsicherung gekürzt. Die Staatsbürgerschaft winkt Asylberechtigten und Zuwanderern erst nach zehn statt wie bisher sechs Jahren.
Bloß kein Öxit
Interessant könnte der künftige europapolitische Kurs der neuen Rechtsregierung werden. Die Freiheitlichen sitzen im Brüsseler Parlament in einer Fraktion mit den rabiaten Anti-Europäern vom französischen Front National und dem belgischen Vlaams Belang.
Die Österreichische Volkspartei von Sebastian Kurz versteht sich zwar als Europapartei, Kurz selbst hat in den vergangenen Monaten jedoch immer wieder Sympathien für die in der Flüchtlingsfrage wenig EU-Solidarität zeigenden Visegrad-Staaten wie Ungarn und Polen erkennen lassen.
Dem Koalitionspartner traut er in Sachen Europa dennoch nicht recht über den Weg. Im Koalitionspapier wird die FPÖ zum Verzicht auf Initiativen für einen „Öxit“ oder einen Austritt aus der EuroGruppe aufgefordert.
Herbert Lackner