Ungewohnte Geschlossenheit in Europa: Wie Putin die EU zusammenschweißt
Die EU zeigt angesichts des Krieges in der Ukraine eine neue Geschlossenheit – selbst Ungarns Regierungschef Viktor Orbán reiht sich auf einmal ein.
Der Schwenk des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán war symptomatisch für eine Entwicklung, die in der EU derzeit augenfällig ist. Orbán sprach sich am vergangenen Wochenende dafür aus, dass die Europäische Union angesichts von Russlands Überfall auf die Ukraine zusammenstehen müsse. Der Appell kam ausgerechnet von Orbán, der zuletzt noch Andeutungen über einen EU-Austritt seines Landes gemacht hatte. Die Entwicklung zeigt: Russlands Präsident Wladimir Putin schweißt die Gemeinschaft der 27 Mitgliedstaaten zusammen.
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Der Rauswurf russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift, Sanktionen gegen die russische Zentralbank, die Sperrung des EU-Luftraums für russische Flugzeuge, das Verbot für die Moskauer Staatsmedien „Russia Today“ und Sputnik - das sind nur einige der Gegenmaßnahmen der EU aus den letzten Tagen. Am Montag trafen sich die EU-Verteidigungsminister, um darüber zu beraten, wie die geplante Lieferung von Waffen und Ausrüstung im Wert von einer halben Milliarde Euro für die ukrainische Armee organisiert werden soll.
Langjährige Beobachter in Brüssel sind überrascht von dem hohen Tempo, mit dem angesichts der Notsituation der Ukraine Entscheidungen auf EU-Ebene fallen.
Dies heißt allerdings nicht, dass die EU-Gremien wie der Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten in diesen Tagen alle Grundsatzentscheidungen ohne jegliche Diskussion durchwinken können. So ist beispielsweise noch nicht klar, wie genau ein Verbot von „Russia Today“ und Sputnik in die Wege geleitet werden soll. Und am Montag waren die EU-Gremien immer noch dabei, die Details des russischen Swift-Ausschlusses auszuarbeiten. Vor allem auf Wunsch der Bundesregierung soll es trotz der Verbannung Russlands aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk immer noch möglich sein, die Rechnungen für Energielieferungen zu bezahlen.
Flüchtlingsaufnahme ohne aufwändiges Verfahren
Aber im Grundsatz zeigt sich die EU weit geschlossener als etwa noch während der Flüchtlingskrise, die der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko durch die Instrumentalisierung von Migranten aus Krisengebieten in Nahost und Afrika im vergangenen Jahr provoziert hatte. Jetzt kommen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, und die EU zeigt in den ersten Tagen des Krieges umstandslos Solidarität.
EU-Innenkommisarin Ylva Johansson hat vorgeschlagen, die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie aus dem Jahr 2001 zu aktivieren, die Kriegsflüchtlingen ohne ein aufwendiges Asylverfahren Schutz in der Gemeinschaft zusichert.
Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge könnten insgesamt vier Millionen Flüchtlinge die Ukraine verlassen. Wie lange die Einigkeit der EU-Mitgliedstaaten mit Blick auf eine mögliche Verteilung der Flüchtlinge langfristig halten wird, falls, bleibt noch abzuwarten.
EU-Beitritt der Ukraine steht nicht unmittelbar bevor
Vor Probleme stellt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi die Gemeinschaft derweil mit seinem Appell, sein Land in einem Schnellverfahren in die EU aufzunehmen. Am Sonntag hatte von der Leyen auf eine entsprechende Frage geantwortet: „Im Laufe der Zeit gehören sie tatsächlich zu uns. Sie sind einer von uns und wir wollen sie drin haben.“
Am Montag musste EU-Kommissionssprecher Eric Mamer Hoffnungen in Kiew dämpfen, dass eine EU-Mitgliedschaft schon bald bevorstehen könnte. Der Sprecher wies darauf hin, dass es letztlich die EU-Mitgliedstaaten sind, die über den Erweiterungsprozess und das Tempo eines möglichen EU-Beitritts der Ukraine entscheiden.
Und auf der Seite der Mitgliedstaaten stellte Ratschef Charles Michel klar, dass es im Kreis der Mitgliedstaaten „unterschiedliche Meinungen“ zu dem Thema gebe. Anders gesagt: Eine einstimmige Entscheidung im Kreis der Mitgliedstaaten über einen Beginn von Beitrittsgesprächen mit Kiew ist in naher Zukunft nicht zu erwarten.