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Job gesucht. Die Arbeitslosenquote in Frankreich liegt immer noch bei neun Prozent.
© Philippe Huguen/AFP

EU-Entsenderichtlinie: Wie Macron die Regeln für ausländische Arbeiter verschärfen will

Im französischen Wahlkampf wurde um die EU-Entsenderichtlinie heftig gestritten. Jetzt will Staatschef Macron sie reformieren.

Als Emmanuel Macron vor einem Monat bei seinem Antrittsbesuch in Berlin im Kanzleramt während seiner gemeinsamen Pressekonferenz neben Angela Merkel stand, da sprach er neben vielen etwas wolkigen Andeutungen zur Zukunft Europas auch ein ganz konkretes Problem an. Frankreichs Präsident forderte „ein Europa, das unsere Bürger besser schützt“. In diesem Zusammenhang erwähnte der Gast aus Paris die EU-Entsenderichtlinie. Macron fordert schon seit Längerem eine grundlegende Überarbeitung dieser Brüsseler Vorschrift. Die Kanzlerin sicherte damals zu, dass man gemeinsam daran arbeiten werde.

Front National und Linkspopulisten in Frankreich machten Stimmung

Möglicherweise haben in Deutschland viele Bürger erst bei Macrons Antrittsbesuch zum ersten Mal von der EU-Entsenderichtlinie gehört. Nicht so in Frankreich: Dort gehörten die „travailleurs détachés“, also die entsandten Arbeiter, zu einem Dauerthema im Präsidentschaftswahlkampf. Sowohl Linkspopulisten wie Jean-Luc Mélenchon als auch die Rechtsextreme Marine Le Pen erklärten, dass die europäische Entsenderichtlinie Franzosen vom heimischen Arbeitsmarkt verdränge.

Dass der Wahlkampf in Frankreich seine Spuren hinterlassen hat, wurde auch bei Macrons erstem Auftritt in Berlin deutlich. Dort erklärte er, dass man eine Antwort auf die „Wut“ jener Wähler finden müsse, die bei der Präsidentschaftswahl den extremen Parteien die Stimme gegeben hatten.

Der Pro-Europäer Macron will die Europäische Union an jenen Stellen reparieren, wo sie aus Sicht der Franzosen nicht funktioniert. Bei der Reform der Entsenderichtlinie will er nun liefern.

Die 1996 verabschiedete Richtlinie erlaubt es Unternehmen, zeitlich begrenzt Arbeitnehmer in ein anderes Mitgliedsland zu entsenden – vorausgesetzt, dass der dort geltende Mindestlohn gezahlt wird. Seit der Osterweiterung im Jahr 2004 klagen allerdings Firmen in Westeuropa darüber, dass entsandte Arbeitnehmer aus Osteuropa ihnen zunehmend Konkurrenz machten. Betroffen sind vor allem das Baugewerbe, Schlachtbetriebe, die Gebäudereinigung und der Pflegebereich. Der Vorwurf, dass entsandte Arbeitnehmer zum Sozialdumping beitragen, hängt mit der Praxis am Arbeitsplatz zusammen. So kann es auf Schlachthöfen beispielsweise vorkommen, dass die Zahlung des Mindestlohns für Arbeitnehmer aus Osteuropa umgangen wird. Denen werden Arbeitsmaterialien wie Schlachtermesser einfach vom Lohn abgezogen.

In einigen Regionen soll auf Baustellen nur noch Französisch gesprochen werden

In Frankreich, wo die Arbeitslosenquote immer noch bei rund neun Prozent liegt, ist die Konkurrenz aus Osteuropa ein sensibles Thema. Wie aufgeheizt die Stimmung im Nachbarland ist, zeigen die Beschlüsse in mehreren französischen Regionen, denen zufolge auf Baustellen, deren Aufträge öffentlich ausgeschrieben wurden, nur noch Französisch gesprochen werden darf. Mit dieser „Molière- Klausel“ werden ausländische Bauarbeiter faktisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

Derart drastisch will Macron bei der Reform der Entsenderichtlinie allerdings nicht vorgehen. Bei einer Fernsehdiskussion erinnerte er während des Wahlkampfs daran, dass sich unter den hunderttausenden entsandten Arbeitnehmern in der EU auch knapp 300.000 Franzosen befinden. Wenn man also – wie von Le Pen und Mélenchon gewünscht – die Richtlinie ganz aussetze, dann sei es auch für diese französischen Arbeitnehmer „morgen vorbei“, gab Macron zu bedenken.

EU-Kommission legte 2016 Reformvorschlag vor

Weil auch die EU-Kommission erkannt hat, dass eine langfristige Entsendung von Arbeitnehmern zum Sozialdumping in den Aufnahmeländern beiträgt, machte die Brüsseler Behörde im März 2016 einen Vorschlag zur Überarbeitung der bestehenden Entsenderichtlinie. Die entscheidende Neuerung bestand darin, dass Brüssel die Dauer der Entsendung auf maximal 24 Monate begrenzen will. Zudem sollen laut dem Kommissionsvorschlag für die entsandten Arbeiter nicht mehr nur die Mindestlohnsätze des Aufnahmelandes gelten, sondern auch die Tariflöhne der jeweiligen Branchen.

Nach dem Vorschlag der Kommission begann das übliche Brüsseler Gesetzgebungsverfahren: Europaparlamentarier sowie die zuständigen Arbeits- und Sozialminister der Mitgliedstaaten setzen sich zunächst getrennt voneinander mit den Kommissionsvorschlägen auseinander, und am Ende müssen beide sich auf eine gemeinsame Position einigen.

Macrons Arbeitsministerin Pénicaud forderte „einen besseren Text“

Doch seit Macron klargemacht hat, dass ihm der Reformvorschlag der Kommission nicht weit genug geht, herrscht Druck im EU-Kessel. Einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Diskussionen bekamen die Amtskollegen der neuen französischen Arbeitsministerin Muriel Pénicaud bei einem Treffen in Luxemburg Mitte des Monats. Einige Mitgliedstaaten waren vor dem Treffen davon ausgegangen, dass der Ministerrat in Luxemburg seine Haltung zur Reform der Richtlinie endgültig festlegt. Doch daraus wurde nichts. Pénicaud verlangte, den bestehenden Kompromissvorschlag der maltesischen EU-Präsidentschaft in den kommenden drei Monaten noch einmal nachzuarbeiten und „einen besseren Text“ vorzulegen. Der Hintergrund: Macron möchte die Dauer der Entsendung anders als die Kommission nicht auf zwei Jahre begrenzen, sondern höchstens auf ein Jahr. So erläuterte auch Pénicaud bei dem Treffen: „Zwölf Monate, so lautet heute unser Vorschlag.“ Die Überarbeitung der Richtlinie, so führte sie aus, stelle „eine Etappe auf dem Weg zu einem sozialen Europa“ dar.

Widerspruch aus Osteuropa

Das gefiel allerdings nicht allen ihrer Amtskollegen. „Frankreich hat Vorschläge vorgelegt, die nach unserer Auffassung zu weit gehen“, sagte nach dem EU-Ministertreffen Pénicauds tschechische Amtskollegin Michaela Marksova. Ihr Einspruch kommt nicht überraschend: Wie die Tschechin setzen sich die meisten Osteuropäer dafür ein, dass bei der Reform der Entsenderichtlinie die Konkurrenzfähigkeit ihrer Unternehmen auf dem europäischen Binnenmarkt nicht unter die Räder kommt. Die Westeuropäer – wie Macron – haben hingegen vor allem den Schutz der Arbeitnehmer in ihren Ländern im Auge.

Die neue französische Regierung verlangt zudem, dass künftig auch die Speditionsbranche von der Entsenderichtlinie erfasst wird. Der Grund: Obwohl Lkw-Fahrer aus Osteuropa nach den geltenden EU-Bestimmungen eigentlich nur eine begrenzte Zeit auf Tour gehen dürfen, sind sie oft monatelang unterwegs. Diese Praxis wird inzwischen nicht nur in Frankreich kritisch gesehen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn wirft der Bundesregierung vor, keine durchgreifenden Maßnahmen gegen Sozialdumping im Bereich des Güterverkehrs zu ergreifen. Um mehr Kontrollen gegen Betrugspraktiken zu ermöglichen, müsse das Personal beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) aufgestockt werden, fordert Kühn.

SPD-Abgeordnete Steinruck spricht von „Zeitspiel“

Ob sich Macron mit seinen Vorstellungen zur Verschärfung der Entsenderichtlinie durchsetzen kann, wird sich im Kreis der EU-Staaten und im Europaparlament erst im Herbst entscheiden. Jutta Steinruck, sozial- und beschäftigungspolitische Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, begrüßt es, dass Frankreichs neuer Staatschef „sich für gleichen Lohn für aus dem EU-Ausland entsandte und einheimische Arbeitskräfte einsetzt“, sagt die SPD-Abgeordnete. Dass sich die Beratungen im Kreis der EU-Mitgliedstaaten wegen der Einsprüche aus Paris nun noch bis in den Herbst hinziehen werden, findet sie allerdings nicht hilfreich: „Das Zeitspiel gefährdet den Gesetzgebungsprozess und damit die Chance, endlich eine faire Neuregelung der Arbeitnehmerentsendung durchzusetzen.“

Anders sieht das der Europaabgeordnete Thomas Mann. „Die Entsenderichtlinie ist ein hoch emotionales Thema zwischen den westlichen und östlichen Mitgliedstaaten“, sagt er. Der CDU-Parlamentarier erinnert daran, dass 14 nationale Parlamentskammern in zehn östlichen Mitgliedstaaten und in Dänemark dem Reformvorschlag der Kommission vom März 2016 die „Gelbe Karte“ gezeigt hatten. Dass die Brüsseler Behörde trotzdem an der Novelle festhält, sei ein „grundsätzlicher Fehler“, findet Mann.

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