Zivilschutzkonzept: Wie können Anschläge verhindert werden?
Viele neue Vorschläge sollen die Bevölkerung in Deutschland besser schützen. Welche Maßnahmen können funktionieren, und welche nicht?
Deutschland ist verunsichert. Die Anschläge islamistischer Flüchtlinge in Würzburg und Ansbach sowie der Amoklauf eines jungen Deutsch-Iraners in München haben bei vielen Angst ausgelöst. Die Politik, allen voran CDU und CSU, reagiert mit teilweise drastischen Vorschlägen. Und in München hat der 2. Bürgermeister, Josef Schmid (CSU), kürzlich ein Verbot von Rucksäcken auf dem Oktoberfest verkündet. Was das alles nützt, ist umstritten. Einige Beispiele.
Wird das Oktoberfest durch ein Rucksackverbot sicherer?
Wie bei vielen Ideen und Maßnahmen in puncto Sicherheit kann auch hier die Antwort nur lauten: Die Terrorgefahr wird eingedämmt, doch sie verschwindet nicht. Das Rucksackverbot und die nun komplette Einzäunung der Wiesn dürften jedoch das Sicherheitsgefühl vieler Besucher stärken. Immerhin haben Terroristen weltweit Angriffe mit Sprengsätzen verübt, die in Rucksäcken versteckt waren. Jüngstes Beispiel und gerade in Bayern besonders präsent ist der Selbstmordanschlag in Ansbach. Am 24. Juli zündete der Syrer Mohammed Daleel nahe dem Eingang zu einem Musikfestival eine in seinem Rucksack verstaute Bombe. Der mutmaßlich von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gesteuerte Mann starb, 15 Passanten erlitten Verletzungen. Solchem Horror will München vorbeugen.
Rucksäcke und Taschen, in die Behälter mit mehr als drei Liter Fassungsvermögen passen, müssen von Besuchern bei den Eingangskontrollen zum Oktoberfest abgegeben werden. Die Münchner Grünen äußern Kritik. „Gerade an den Familientagen brauchen Eltern die Möglichkeit, ihre Sachen für die Kleinen zu verstauen“, sagt die Vorsitzende des Stadtverbands der Grünen, Heidi Schiller. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hingegen hält ein Rucksackverbot beim Oktoberfest und bei anderen Großveranstaltungen für sinnvoll. Vor allem im Vergleich zur Absage solcher Events aus Angst vor Anschlägen.
Realistisch betrachtet bleiben jedoch für Terroristen durchaus Möglichkeiten, die Wiesn mit einem Anschlag zu treffen. Ein Selbstmordattentäter kann sich in der wartenden Menge vor den Einlasskontrollen in die Luft sprengen. Erinnert sei auch an den Oktoberfestanschlag am 26. September 1980. Der Neonazi Gundolf Köhler legte eine Rohrbombe in einem Abfalleimer am Haupteingang ab. Bei der Explosion starben 13 Besucher und Köhler, mehr als 200 Menschen wurden verletzt.
Hält eine elektronische Fußfessel Terroristen von Anschlägen ab?
Die Innenminister der Union haben vergangene Woche in ihrer „Berliner Erklärung“, eine Art Ergänzung zu einem Maßnahmenpaket von de Maizière, viele Forderungen präsentiert, um Deutschland „nun noch sicherer“ zu machen. Verlangt werden da auch „elektronische Fußfesseln für Gefährder und verurteilte Extremisten“. Die Minister dürften jedoch wissen, dass verurteilte Extremisten in Gestalt von Terroristen bereits die Fußfessel tragen müssen, wenn ein Gericht eine entsprechende Weisung erteilt. Und auch dann ist ein Attentat nicht auszuschließen. Im September 2015 schnitt in Berlin der Islamist Rafik Y., ein verurteilter Terrorist, seine elektronische Fessel ab, lief auf die Straße und attackierte mit einem Messer einen Passanten. Kurz darauf stach er einer Polizistin in den Hals. Ihr Kollege erschoss Rafik Y. Er war schon lange als hochgefährlich bekannt.
Der Iraker hatte 2004 gemeinsam mit Komplizen geplant, den damaligen Ministerpräsidenten des Irak, Ijad Allawi, bei seinem Staatsbesuch in Berlin zu ermorden. Die Gruppe flog auf, Rafik Y. wurde 2008 zu acht Jahren Haft verurteilt. Nach der Entlassung musste er die elektronische Fußfessel tragen. Als er sie im September 2015 entfernte, wurde bei der „Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GÜL)“ im hessischen Bad Vilbel automatisch Alarm ausgelöst. Doch in der Kommunikation der GÜL mit der Berliner Polizei gab es eine Panne. Die Beamten konnten nicht verhindern, dass Rafik Y. mit einem Messer loslief.
Ein zu allem entschlossener Terrorist begeht auch mit elektronischer Fußfessel am Knöchel einen Anschlag. So geschah es Ende Juli im französischen Rouen. Zwei mutmaßliche Anhänger des IS stürmten eine katholische Kirche und enthaupteten den Priester. Einer der beiden Dschihadisten trug die Fußfessel.
Die Forderung der Innenminister der Union, Gefährdern und verurteilten Extremisten den Peilsender anzulegen, scheint nur begrenzt mehr Sicherheit zu versprechen. Außerdem fehlt vermutlich bei den meisten terroristischen Gefährdern die rechtliche Grundlage. Zu den mehr als 500 Gefährdern, die das Bundeskriminalamt derzeit auflistet, zählen viele, die bislang nicht oder zumindest nicht einschlägig bestraft wurden. Laut Strafgesetzbuch ist eine elektronische Fußfessel aber erst zulässig, wenn eine Person eine Strafe von mindestens drei Jahren verbüßt hat.
Hessens Justizministerin Eva Kühne- Hörmann (CDU) präzisiert nun gegenüber dem Tagesspiegel, extremistische Straftäter, „die mindestens ein Jahr in Haft waren“ und danach weiter als gefährlich eingestuft werden, sollten „mittels elektronischer Fußfessel überwacht werden dürfen“. So könnte beispielsweise sichergestellt werden, dass Hassprediger bestimmte Moscheen nicht mehr betreten dürfen oder dass sich einschlägig Verurteilte „kritischen Infrastrukturen wie Kraftwerken, Bahnhöfen oder Flughäfen nicht nähern dürfen“.
Hilft eine Software zur Erkennung von Gesichtern?
Der Bundesinnenminister möchte die Überwachungskameras an Flughäfen und Bahnhöfen mit einer Software aufrüsten, die Gesichter von Terrorverdächtigen erkennt. Bei entsprechendem Alarm könnte die Polizei möglicherweise militante Islamisten, deren Antlitz biometrisch gespeichert ist, noch rechtzeitig aufhalten. Software zur Erkennung von Gesichtern ist bereits auf dem freien Markt verfügbar. In den Niederlanden gab es auch schon staatliche Testläufe. Die Stadt Rotterdam installierte 2010 in einer Straßenbahn einen Gesichtsscanner, der bekannte Randalierer meldet, sobald sie einsteigen. In der SPD wird Zustimmung signalisiert, die Grünen hingegen sehen datenschutzrechtliche Probleme. Aus Sicht der Oppositionspartei wäre mehr Personal für die Polizei sinnvoller.
Könnte das Verbot von Sympathiewerbung den Terror eindämmen?
In der „Berliner Erklärung“ fordern die Innenminister der Union, „die Sympathiewerbung für terroristische und kriminelle Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen“. Im Jahr 2002 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung das Strafrecht etwas liberalisiert. Seitdem wird nur noch die Werbung um Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung geahndet. Andererseits hat im September 2014 Innenminister de Maizière „die Betätigung“ der Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Deutschland verboten. Damit ist auch Sympathiewerbung für den IS de facto strafbar. In der Verfügung des Ministers wird ausdrücklich auch untersagt, Kennzeichen des IS öffentlich zu verwenden. Wer eine Fahne der Terrormiliz zeigt, gerät genauso ins Visier von Polizei und Justiz wie ein Neonazi, der ein Hakenkreuz schmiert. Nicht verboten ist in Deutschland bislang jedoch Al Qaida. Reine Sympathiewerbung bliebe straflos.