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Mehr Deutschkurse, mehr Wohnungen. Die Parteien sagen, wie sie sich die Integration von Flüchtlingen vorstellen.
© Hendrik Schmidt/dpa

Integrationskonzepte der Parteien im Vergleich: Wie kann die Integration der Flüchtlinge gelingen?

Auch die CDU hat jetzt ihr Konzept zur Integration der Flüchtlinge vorgelegt. Die Vorschläge der Parteien im Überblick - zwischen Leitkultur und Grundgesetz.

Nur noch wenige Wochen sind es bis zu den ersten von fünf Landtagswahlen in diesem Jahr. Die Kanzlerin hat, wenn sie diese Woche in gleich drei Wahlkämpfen auftritt – in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – auch einen Plan dabei, wie die Integration der Flüchtlinge gelingen kann, die ihre Popularitätswerte gerade enorm drücken. Der SPD-Parteivorstand hat bereits im Januar einen „Integrationsplan für Deutschland“ veröffentlicht, Grüne und Linke haben ebenfalls Vorschläge unterbreitet.

Das Eckpunktepapier „Fordern und Fördern“, das der CDU-Vorstand am Montag veröffentlichte, korrigiert auch erstmals die Adresse. Sein Untertitel besagt zwar, dass die Vorschläge „für die Integration von Schutzsuchenden mit Bleibeperspektive“ gedacht seien, aber schon ein paar Zeilen weiter wird klar, dass Integration auch auf die zielt, die nicht auf Dauer in Deutschland bleiben, sondern in ihre Heimatländer zurückkehren werden: „Jede Integrationsmaßnahme ist zugleich eine Investition in den Wiederaufbau und die Stabilisierung dieser Länder.“

Werte und Pflichten

Im CDU-Konzept wird das Ziel genannt, in Bund und Ländern Integrationspflichtgesetze zu beschließen, mit denen verbindliche Integrationsleistungen festlegt werden sollen. Als Beispiel nennt das Vorstandspapier die Schulpflicht für Jungen und Mädchen, die auch Sportunterricht und Klassenfahrten einschließe. Der Integrationsprozess solle so „vorgezeichnet und überprüft“ werden. Konsequenzen droht das Papier auch an: „Wer sich dem dauerhaft verschließt, muss mit spürbaren Konsequenzen, zum Beispiel für seinen Aufenthaltsstatus oder mit Leistungskürzungen, rechnen.“ Auch der seit Jahren umkämpfte Begriff der Leitkultur ist enthalten mit der folgenden Erläuterung: „Uns leiten unser christliches Menschenbild und die Rechts- und Werteordnung unseres Landes.“ Kriminell gewordenen Ausländern droht die CDU mit der Beschlagnahme sogar von Fahrtickets. Eine Niederlassungserlaubnis soll nur bekommen, wer ausreichend Deutsch kann, Grundkenntnisse von deutschem Recht und Gesellschaft hat, nicht straffällig wurde und den eigenen Lebensunterhalt sichern kann.

Die SPD orientiert sich am Grundgesetz: „Seit 1949 bildet es den gesellschaftlichen Wertekanon und hat bis heute nichts an Aktualität und Orientierungskraft verloren. Das Grundgesetz bietet genügend Raum für kulturelle Vielfalt, es sichert Freiheit des Glaubens, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Rechte von Minderheiten. Es setzt aber auch klare Grenzen, über die sich niemand – weder mit Verweis auf Herkunft noch auf religiöse oder politische Überzeugung – hinwegsetzen darf“, heißt es im Vorstandbeschluss von Januar.

Grundlage des Zusammenlebens in Deutschland, das betonen auch die Grünen, sei das Grundgesetz. „Unsere Verfassung gilt für alle, egal ob jemand aus Damaskus oder aus Dresden kommt“, heißt es in einem Papier der Bundestagsfraktion. Forderungen nach einseitigen Integrationspflichten finden die Grünen falsch. In erster Linie sei der Staat in der Pflicht, die notwendige Infrastruktur bereitzustellen.

Bildung

Die CDU plädiert für „Sprachförderung aus einem Guss“. Allgemeine und berufsbezogene Sprachförderung sollen daher künftig noch besser miteinander verzahnt werden – dies ist auch eine SPD-Forderung (siehe Arbeitsmarkt). Über die Grundkenntnisse im Integrationskurs hinaus könnten die Deutschkenntnisse berufsbezogen gesteigert werden. Erste Online- und Basiskurse sollten bereits in den Aufnahmeeinrichtungen angeboten werden. Was die Lehrkräfte angeht, sei „ein Mittelweg zwischen dem sehr hohen Personalbedarf und der angemessenen Qualität der Kurse“ nötig. Das offenbar zuvor erwogene Schulpflichtalter für Flüchtlinge von 25 Jahren steht nicht mehr im Text; es ist nur noch von Überlegungen die Rede, „durch längere Beschulung“ von Flüchtlingen ohne Schulabschluss deren Berufschancen zu verbessern. Kinder sollen zunächst in Vorbereitungsklassen kommen.

80 000 neue Kita-Plätze und 20 000 zusätzliche Stellen für Erzieherinnen und Erzieher fordert die SPD in ihrem Beschluss von Januar – dies auch mit Hilfe des Bundes für die zuständigen Länder und Kommunen. Das Angebot an Ganztagsschulen müsse ausgebaut werden. In den Schulen seien 25 000 Lehrkräfte mehr nötig und auch mehr Sozialarbeiter. Im Bundesprogramm „Sprachkitas“ ist aus Sicht der SPD eine Verdopplung der Mittel nötig.

Die Linke fordert 100 000 Kitaplätze zusätzlich und – wie die SPD – 25 000 neue Lehrerstellen. Der Bund solle bei der Finanzierung helfen, vor allem in den Lehrkräfte und Kitapersonal für Deutsch als Zweitsprache weiterbildet und Fachleute qualifiziert, die mit traumatisierten jungen Flüchltingen arbeiten. Allgemein ist im Magdeburger Programm von zusätzlichen Sprach- und Alphabetisierungskursen die Rede.

Die Grünen fordern, die Integrationskurse weiter zu öffnen und nicht ganzen Flüchtlingsgruppen diesen Zugang zu verwehren – wie das derzeit etwa für Afghanen der Fall ist. Die Grünen verlangen eine Bildungsoffensive, die der Bund in den nächsten Jahren mit mindestens einer Milliarde Euro im Jahr unterstützen soll. Davon sollen Lehrer, Erzieher, Lernmaterialien und der Bau von notwendigen Räumlichkeiten finanziert werden.

Bauen und Wohnen

Die SPD setzt auf eine Mischung aus neuen und alten Programmen. So soll das Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ eine Integrationskomponente bekommen, für die nach SPD-Rechnungen jährlich 300 Millionen Euro mehr in den Jahren 2017 bis 2021 nötig wären. Für die nächsten fünf Jahre sollen fünf Milliarden Euro zusätzlich in den sozialen Wohnungsbau fließen. Neubau soll auch durch Steuererleichterungen und „Verschlankung des Baurechts“ erreicht werden. Anerkannte Flüchtlinge ohne eigenes Einkommen sollen außerdem, zeitlich befristet, Auflagen bekommen, wohin sie ziehen dürfen – dies, um vor allem die Lage in Großstädten und Ballungsräumen zu entspannen. Diese Forderung steht fast wortgleich im CDU-Papier vom Montag. Auch beim Punkt Baurecht ziehen die Koalitionspartnerinnen gleich: Die CDU fordert ein Moratorium für neue Bauvorschriften für die nächsten drei Jahre.

Die Grünen fordern, die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau auf mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr aufzustocken. „Nur so verhindern wir Konkurrenz um die günstigen Wohnungen“, heißt es in einem Beschluss der Bundestagsfraktion. Insbesondere in den Ballungszentren stünden schon seit geraumer Zeit zu wenige Wohnungen zur Verfügung, um allen Menschen guten und preiswerten Wohnraum zu ermöglichen. Auch eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit könne dazu beitragen, dass neue dauerhaft günstige Wohnungen entstehen. Die Bundestagsfraktion fordert außerdem, dass Flüchtlinge inmitten der Städte untergebracht werden müssen. „Es dürfen keine anonymen Siedlungen mit abgesenkten Standards entstehen.“

Die Linke will ebenfalls fünf Milliarden Euro, die allerdings jährlich nötig seien. Gegeben werden sollen sie bevorzugt direkt und an „nicht profitorientierte Träger“. Genannt werden öffentliche Wohungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Initiativen, die sich dem Gemeinnutz verpflichten. Mietpreisbindung soll nicht schon nach 15 Jahren enden.

Arbeitsmarkt

Dass für Flüchtlinge der Mindestlohn nicht gilt, steht nicht – wie ursprünglich geplant – im CDU-Papier. Allerdings sollen für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge Praktikumszeiten von sechs Monaten und mehr zulässig sein – dafür müsste kein Mindestlohn gezahlt werden. Sie müssen über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen, keine Straftaten begangen haben und ihren Lebensunterhalt selbst sichern können.

Mehr als 100 000 Arbeitsmöglichkeiten will die SPD für Flüchtlinge schaffen – dafür sind aus ihrer Sicht zusätzlich 450 Millionen Euro nötig. Junge Flüchtlinge sollen Extrahilfen bekommen: Ausbildungsbeihilfen, aber auch eine Berufsausbildung mit Begleitung und eine gründliche Berufsvorbereitung. Sprachkurse und Hilfen zum Einstieg in den Arbeitsmarkt sollen nach dem Willen der SPD künftig „parallel – und nicht wie bisher hintereinander“ absolviert werden. Wer eine Berufsausbildung oder ein akademisches Studium in Deutschland bewältigt hat, soll mit einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis belohnt werden. Auch die CDU spricht nun von parallelem Besuch von Sprachkursen und der Integration in den Arbeitsmarkt. Das eine dürfe das andere nicht ausschließen, Es müsse dafür Wochenend-, Abend- oder Teilzeitkurse geben.

Die Grünen fordern, für Flüchtlinge den Zugang zum Arbeitsmarkt weiter zu erleichtern. So sollen Regelungen wie die Vorrangprüfung abgeschafft werden. Bei dieser wird ermittelt, ob sich für eine Stelle nicht auch ein deutscher Bewerber oder ein EU-Bürger findet, bevor ein Asylbewerber eingestellt wird. Erst nach 15 Monaten fällt diese Prüfung weg. Außerdem soll es nach Vorstellungen der Grünen mehr Rechtssicherheit geben für Flüchtlinge, die hier eine Ausbildung oder ein Studium beginnen.

Bedeutung für die Etats

Wenn er derzeit morgens die Nachrichten höre, steige sein Blutdruck auch ohne Kaffee, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er steht mitten im regierungsinternen Beratungsverfahren für den Haushalt 2017, und das heißt zunächst: Wünsche der Kabinettskollegen abwehren. „Alle meinen, sie müssten sich jetzt profilieren“, sagt Schäuble, der mit Erstaunen vermerkt hat, wie Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) binnen weniger Tage ihre Forderung nach mehr Mitteln für den sozialen Wohnungsbau von 500 Millionen Euro auf deutlich mehr als eine Milliarde hochschraubte. Überschüsse machten eben „sinnlich“, fügte der Hüter der Bundeskasse hinzu.

Schäubles Ziel ist weiterhin, in diesem und im kommenden Jahr mit einem Etat ohne neue Schulden abzuschließen. Das ist dank des Zwölf-Milliarden-Überschusses im vorigen Jahr, der übertragen wird, durchaus drin. Die Hälfte davon will Schäuble in diesem Jahr verwenden, die weiteren sechs Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr vor allem dazu dienen, eventuelle Forderungen der Länder zu begleichen. Bisher ist die Verabredung, dass der Bund den Ländern für jeden Flüchtling eine Monatspauschale von 670 Euro zahlt, begrenzt auf 800 000 Asylbewerber und für jeweils fünfeinhalb Monate. Darüber hinaus gehen die Länder in Vorleistung, spitz abgerechnet wird erst im kommenden Jahr – weshalb die meisten Ministerpräsidenten nachverhandeln wollen, um schon 2016 mehr Geld vom Bund zu bekommen.

Doch Schäuble hat zuletzt am Freitag darauf verwiesen, dass vermehrt Mittel in die äußere und innere Sicherheit fließen sollen. Also nicht zuletzt in die CDU-geführten Ressorts für Verteidigung und Inneres. Mehr also für humanitäre und auch militärische Maßnahmen, die das Ziel haben, Fluchtursachen zu bekämpfen. Um die Forderungen der Regierungskollegen zu dämpfen, wird Schäuble zudem am Mittwoch seinen Tragfähigkeitsbericht ins Kabinett einbringen. Den muss er einmal in einer Legislaturperiode vorlegen – es geht dabei um eine längere haushaltspolitische Vorausschau. Wie es heißt, wird in dem Bericht eine Lücke von jährlich sieben Milliarden Euro angegeben, die durch höhere Einnahmen oder geringere Ausgaben geschlossen werden muss. Sonst sei die Schuldengrenze im Grundgesetz dauerhaft nicht einzuhalten.

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