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Erfolgreicher am Super Tuesday: Joe Biden.
© imago images/Zuma Wire/Scott Varley

Nach dem Wahlsieg am Super Tuesday: Wie gefährlich wird Joe Biden für Donald Trump?

Trump kann nicht mehr auf eine problemlose Wiederwahl hoffen. Fünf Lehren aus den Vorwahlen der US-Demokraten für die Präsidentschaftskandidatur. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Super Tuesday hat zwei Gewinner – und zwei Düpierte. Der eine große Sieger ist Joe Biden mit seinem erstaunlich klaren Comeback-Erfolg. Der andere Sieger ist die Demokratische Partei. Nach langen Irritationen bekommt sie nun endlich, erstens, Klarheit über ihre Alternativen und, zweitens, die Wahlkampf-Dynamik, die sie von Anfang an angestrebt hatte.

Lehre 1: Klarheit für die Demokraten – es bleiben zwei Kandidaten

Die beiden Düpierten nach den Vorwahlen der US-Demokraten für die Präsidentschaftskandidatur sind für den Moment Bernie Sanders und Donald Trump. Sanders hat seinen Status als Frontrunner und Favorit an Biden abgegeben.

Trump kann nicht mehr auf eine problemlose Wiederwahl hoffen. Denn die basierte darauf, dass er es entweder mit einem Biden zu tun bekommt, der durch die spaltenden Kämpfe um die Kandidatur schwer angeschlagen ist. Oder mit einem Sanders, den er als "Sozialisten" und damit als "zu links" für die USA abstempeln kann.

Gewiss ist das Rennen, wen die Demokraten als Herausforderer nominieren, noch lange nicht entschieden. Es läuft jetzt auf einen Zweikampf zwischen Biden und Sanders hinaus. Ebenso wenig hat Trump die Wahl im November bereits verloren. Aber die Wahlergebnisse am Super Tuesday liefern wertvolle Hinweise, wo die Stärken und Schwächen von Biden in einem Aufeinandertreffen mit Trump liegen. Und wo die Stärken und Schwächen von Sanders gegenüber dem jetzigen Präsidenten.

Bisher litten die Demokraten unter einem großen Nachteil. Viel zu viele hatten sich einen Wahlsieg über Trump zugetraut und ihre Kandidatur erklärt. Sie blockierten sich gegenseitig.

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Das eigentliche Ziel des amerikanischen Vorwahlsystems, aus einem vielfältigen Feld eine Favoritengruppe von maximal zwei, drei Konkurrentinnen und Konkurrenten zu formen, wurde lange nicht erreicht. Das ließ die Demokraten unentschlossen erscheinen im Vergleich zu den Republikanern, die nur einen Kandidaten haben: Amtsinhaber Trump.

Noch vor dem Super Tuesday hatten sich Bidens moderate Mitbewerber Pete Buttigieg und Amy Klobuchar zurückgezogen, um ihm einen Sprung nach vorn gegenüber Sanders zu ermöglichen. Das Kalkül ging auf. Biden profitierte von diesem "Momentum".

Lehre 2: Gespaltene Wählerschaft mit Vorteil für Biden

Nun haben die Demokraten diese Komplikationen hinter sich. Der Super Tuesday war der erste landesweite Test. Mit realen Wählerstimmen statt Umfragen. Und mit Abstimmungen in 14 Staaten quer durch die USA. Diese Ergebnisse haben in der Summe mehr Aussagekraft als die ersten vier Einzelvoten in Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina mit ihren regionalen Besonderheiten. Biden gewann in mindestens neun der 14 Staaten, Sanders in vier. Das Ergebnis aus Maine steht noch aus, ändert aber wenig am Gesamtbild.

Die demokratische Wählerschaft ist vielfältig gespalten: zum Beispiel nach Alter, Hautfarbe und Region. Die Älteren stimmten für Biden, die Jüngeren für Sanders – mit der Einschränkung, dass die Älteren verlässlich wählen gingen, die Jüngeren mehrheitlich zuhause blieben.

Kein ganz so guter Super Tuesday für ihn: Bernie Sanders.
Kein ganz so guter Super Tuesday für ihn: Bernie Sanders.
© Caitlin Ochs/Reuters

Biden konnte sich erneut auf die überwältigende Zustimmung der Afroamerikaner verlassen; sie schenkten ihm den Sieg in den Südstaaten Alabama, Arkansas, North Carolina, Tennessee, Texas und Virginia. Sanders behält die Nase bei den Hispanics vorn und damit auch in den westlichen Staaten Colorado, Kalifornien und Utah wie zuvor schon in Nevada.

In den alten Ostküstenstaaten ist die Zustimmung geteilt. Biden gewann Massachusetts, obwohl dort die progressive Elizabeth Warren zuhause ist. Sanders siegte in seinem Heimatstaat Vermont. Bidens klarer Vorsprung in Minnesota und Oklahoma illustriert, dass er unter klassischen Arbeitern und Farmern bessere Chancen hat als Sanders. Das wird im Kampf gegen Trump eine entscheidende Rolle spielen.

Lehre 3: Wählbarkeit schlägt Begeisterung

Biden und Sanders behaupten beide, nur sie könnten Trump schlagen. Sie begründen das aber unterschiedlich. Biden argumentiert mit "Electability". Wenn man auf die Gesamtwählerschaft bei der Hauptwahl im November schaue und nicht allein auf die Anhänger der Demokratischen Partei, die in "Moderate" und "Progressive" gespalten seien, habe er die besseren Chancen. Denn er könne die nicht parteigebundenen Wähler in der Mitte besser erreichen als Sanders, der diese "Independents" mit seiner für US-Verhältnisse relativ linken Programmatik abschrecke.

Sanders sieht es anders. Die Wahl werde durch die Mobilisierung der demokratischen Basis entschieden, nicht durch die Frage, wer ein paar Mitte-Wähler mehr oder weniger anspreche. Und er löse weit mehr Begeisterung an der Basis aus, bringe also mehr Wähler an die Urnen. Fakt vor dem Super Tuesday war: Viel mehr Menschen kamen zu seinen Auftritten als zu Biden, viel mehr Bürger spendeten Geld für seine Kampagne als für Biden.

Doch am Super Tuesday war wenig davon zu sehen, dass Sanders seinen Vorsprung bei der Begeisterungsfähigkeit in Stimmen umsetzen konnte. Bidens Anhänger kamen verlässlicher zu den Vorwahlen.

Lehre 4: Der Kampf um die Nominierung kann noch lange dauern

Offiziell waren am Morgen danach noch fünf Kandidaten im Rennen: Sanders und Elizabeth Warren im progressiven Lager, Biden und Michael Bloomberg im moderaten Lager sowie die Außenseiterin Tulsi Gabbard. Bloomberg gab noch am Mittwoch auf, Warren und Gabbard werden über kurz oder lang ebenfalls aus dem Super Tuesday den Schluss ziehen, dass sie keine reale Chance haben, die Nominierung zu gewinnen – und ausscheiden.

Wer wird sein Gegner? US-Präsident Donald Trump.
Wer wird sein Gegner? US-Präsident Donald Trump.
© Saul Loeb/AFP

Damit läuft es auf einen Zweikampf Biden gegen Sanders hinaus. Und der kann noch lange dauern. Die entscheidende Währung der Macht im Kampf um die Nominierung ist nicht die Zahl der Staaten, die Biden oder Sanders gewonnen haben. Die entscheidende Währung ist die Zahl der Delegierten. Sanders hat zwar am Super Tuesday in weniger Staaten gewonnen als Biden, aber das heißt nicht, dass letzterer einen entscheidenden Vorsprung an Delegierten erzielt. Kalifornien mit seinen vielen Bürgern und Delegierten gleicht aus, was Sanders anderswo einbüßt.

Lehre 5: Biden kann eine große Koalition gegen Trump bilden

Die Spaltung der demokratischen Wählerschaft in Biden- und Sanders-Anhänger muss ein Warnsignal für die Hauptwahl gegen Trump sein. Ebenso die Aussicht, dass keine rasche Entscheidung zu erwarten ist und sich die Auseinandersetzungen noch lange hinziehen können, womöglich bis in den Parteitag im Juli. Wird das unterlegene Lager dann den siegreichen Kandidaten unterstützen und das Ziel, Trump zu schlagen, den Verletzungen und Enttäuschungen unterordnen?

Bei Sanders' Anhängern bleiben Zweifel. 2016 hatten sie Hillary Clinton nicht vorbehaltlos unterstützt. Das erhöht den Druck auf Sanders, 2020 solidarischer zu agieren. In der TV-Debatte hatte er zugesagt, sich der Entscheidung des Parteitags zu beugen.

Wichtig ist aber auch: Die Spaltung der traditionellen Anhänger ist kein Alleinstellungsmerkmal der Demokraten. Diesen Nachteil haben auch die Republikaner; sie sind gespalten in Trump-Anhänger und Trump-Gegner, die sich zumindest hinter den Kulissen erbittert befehden.

Fazit nach dem Super Tuesday: Jetzt hat Biden das Momentum auf seiner Seite, nicht mehr Sanders. Aktuell hat Biden bessere Chancen als Sanders, Trump zu schlagen. Die Koalition, die er zusammenfügen kann, ist breiter aufgestellt als die Sanders-Anhängerschaft. Biden ist gefährlicher für Trump als Sanders. Das gilt besonders für die mutmaßlich erneut wahlentscheidenden Staaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Generell gilt: Sanders ist in Staaten stark, die nicht wahlentscheidend sind, weil sie ohnehin traditionell für die Demokraten (Colorado, Kalifornien und Vermont) oder für die Republikaner (Utah) stimmen. Bidens Ergebnisse in Minnesota, North Carolina und Virginia deuten an, dass er die Wähler erreichen kann, die im November den Ausschlag geben, ob Trump Präsident bleibt oder nicht.

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