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Das Konterfei des ermordeten Walter Lübcke (CDU) hinter einer Bundeswehrsoldatin bei der Trauerfeier
© dpa

„Combat 18“ soll verboten werden: Wie die SPD den Rechtsextremismus bekämpfen will

Das Präsidium der Partei will den Widerstandswillen der Demokratie stärken. Mit vielen Vorschlägen, einiges bleibt vage.

Der Mord an Walter Lübcke, die Schüsse auf einen Eritreer in Wächtersbach und offenbar auch die drohenden Wahlerfolge der AfD haben die SPD aufgeschreckt. Das Parteipräsidium hat am Montag ein Papier mit dem Titel „Wir gegen Rechts“ beschlossen, in dem eine härtere Gangart gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gefordert wird. „Nie wieder dürfen wir Nazis feixen lassen, dass die Demokratie selbst alles geliefert habe, um sie umzubringen“, heißt in der Einleitung. Das sei „die Lehre aus der Weimarer Zeit“. Der „handlungsfähige Staat“ müsse mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln „rigoros gegen seine Feinde vorgehen“. Das SPD-Präsidium schlägt dazu mehrere Maßnahmen zur Verteidigung der demokratischen Ordnung vor. In einer drängenden Sprache.

Verbot der Neonazi-Gruppe „Combat 18“

Das Neonazi-Netzwerk „Combat 18“ müsse „zügig verboten werden“, steht im Papier. Die Gruppierung, deren Name soviel bedeutet wie „Kampfgruppe Adolf Hitler“, ist der militante Arm der in Deutschland verbotenen Filiale der internationalen Skinhead-Bewegung „Blood & Honour“. Stephan Ernst, der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, stand möglicherweise in Kontakt zu Combat 18. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat bereits angedeutet, ein Verbot von Combat 18 zu prüfen.

Aus Sicht der SPD ist auch ein „länderübergreifendes Frühwarnsystem für rechte Gefährder“ nötig. Die Gefährlichkeit rechtsextremer Akteure müsse „verlässlich und nach einheitlichen Kriterien eingestuft werden“. Fehleinschätzungen könnten tödlich sein, „sie darf es nicht mehr geben“, sagt die SPD. Das Bundeskriminalamt hatte nach dem Mord an Lübcke angekündigt, eine Risikobewertung rechter terroristischer Gefährder nach dem Muster der Analyse islamistischer Gefährder einzuführen. Das BKA hatte Ende Juli von 39 rechten Gefährdern gesprochen. Ein Jahr zuvor waren es 26. Die tatsächliche Zahl dürfte allerdings höher sein, da der Verfassungsschutz bundesweit 12 700 Rechtsextremisten und damit mehr als die Hälfte der Szene als gewaltorientiert einstuft.

Die SPD kritisiert, „trotz der akuten Bedrohungslage“ befänden sich etwa 500 gesuchte Rechtsextremisten auf freiem Fuß. Hunderte Haftbefehle würden nicht vollstreckt. Allerdings werde nur ein Teil der Untergetauchten wegen politischer Delikte gesucht, sagen die Sicherheitsbehörden.  Aus Sicht der SPD müssten dennoch die Ressourcen des „Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechtsextremismus“ zügig ausgebaut werden, damit rechtsextreme Gewalttäter schneller gefasst würden.

Nach dem Ende der Terrorgruppe NSU im November 2011 und dem Bekanntwerden der Versäumnisse der Sicherheitsbehörden hatte der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) noch im Dezember des Jahres das „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/-terrorismus“ gegründet. Es ging 2012 im neuen „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ)“ auf. Hier kommen Beamte aus 40 Sicherheitsbehörden zusammen, um sich über konkrete Gefahren durch Neonazis, Autonome und weitere Extremisten jenseits des islamistischen Spektrums auszutauschen.

900 Reichsbürger mit Waffenschein

Das Thema Waffen treibt die SPD ebenfalls um. Die Partei will, dass die Sicherheitsbehörden „Verfassungsfeinde konsequent entwaffnen“. Die bisherigen Schritte gegen Rechtsextremisten und die teilweise ebenfalls rechtsextremen Reichsbürger genügen der Partei offenkundig nicht. Ende 2018 besaßen nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz noch mehr als 900 Reichsbürger waffenrechtliche Erlaubnisse. Insgesamt 570 Erlaubnisse waren bereits entzogen worden. Die Gefahr von Waffen in den Händen gewaltbereiter Rechtsextremisten bleibt allerdings hoch.

Der Rassist Roland K., der im Juli im hessischen Wächtersbach auf einen Eritreer schoss und ihn schwer verletzte, verfügte über fünf legal erworbene Waffen und 1000 Schuss Munition. Und der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke hatte in einem Erddepot fünf illegal beschaffte Waffen versteckt, darunter eine israelische Maschinenpistole. Der Bundesrat will mit einem Gesetzentwurf die Waffenbehörden verpflichten, regelmäßig den Verfassungsschutz nach Erkenntnissen zu extremistischen Umtrieben bei allen bekannten Waffenbesitzern zu fragen. Wann der Entwurf auch Gesetz wird, ist offen.

Gegen Hass und Hetze im Internet fordert die SPD einen „Aktionsplan“. Was die Partei will, bleibt aber vage. Im Papier heißt es, „Webseitenbetreiber, soziale Netzwerke, Messengerdienste, Gaming-Plattformen, sie alle müssen konsequenter gegen Hassbeiträge vorgehen“.

Ein weiteres Thema sind rechte Tendenzen in der Polizei. „Wer seine Position für rechtsextreme Umtriebe missbraucht, darf auf keinen Fall Träger des Gewaltmonopols unseres demokratischen Staates sein“, heißt es. Die Polizei brauche zudem eine „gestärkte angewandte Kultur des Widerspruchs gegen Menschenfeindlichkeit“. Dafür solle in der Ausbildung des Polizeinachwuchses „die politische Bildung und explizit die Gefahr rechtsextremistischer Bestrebungen noch stärker thematisiert werden“. Die SPD hält zudem mehr Ombudsstellen in der Polizei und „sensibilisierte Führungskräfte“ für notwendig. Ebenso in der Bundeswehr. „Für Rechtsextremisten in Uniform darf es keinen Platz geben“, sagt das Parteipräsidium.

Politische Bildung soll gestärkt werden

Aus seiner Sicht müssten auch die Bundeszentrale für politische Bildung und die Landeszentralen gestärkt werden. Die Vermittlung von Demokratie sei „eine zentrale Aufgabe“. Die SPD will zudem die Initiativen gegen Rechtsextremismus finanziell besser absichern und fordert eine „Verstetigung der Fördermittel“.

Erwähnt wird im Papier auch die zunehmende Bedrohung von Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus engagieren. Die Partei verurteilt die „ständigen Anfeindungen der AfD“, vor allem mit Blick auf die ostdeutschen Länder. „Kein Aktiver vor Ort darf alleine stehen, wenn er sich für die wichtige Demokratiearbeit engagiert“, sagt die SPD. Und sie kritisiert, bedrohte Bürgerinnen und Bürger würden „sehr unterschiedlich“ von den Sicherheitsbehörden informiert werden, wenn der Name in rechtsextremen Todeslisten auftauche. „Hierfür braucht es eine zentrale Anlaufstelle der Sicherheitsbehörden, die den Betroffenen die Gewissheit gibt, dass alles für ihre Sicherheit getan wird“, heißt es im Papier. Bedrohte und Opfer müssten immer wissen, dass der Staat und „eine breite zivilgesellschaftliche Mehrheit“  hinter ihnen stehen. Nur so, sagt die SPD, „kann Demokratie funktionieren“.

Was die Partei in dem vierseitigen Papier fordert, ist in vielen Punkten nachvollziehbar. Offen bleibt, wie die schwächer werdende SPD ihre Ideen zur Eindämmung der rechten Gefahr durchsetzen will. Und in welchem Maße sozialdemokratische Innenminister schon mehr erreicht haben als die Kollegen von der Union.  In Sicherheitskreisen ist auch zu hören, die SPD müsse sich ebenfalls mit dem Problem der weit verbreiteten rechten Einstellungen in der Bevölkerung befassen. Viele Menschen würden sich radikalisieren – aus Angst, durch die Globalisierung und den Zustrom von Migranten ihren Wohlstand zu verlieren. Bei solchen Sorgen nutze das Verbot einer Neonazi-Gruppierung wie Combat 18 nur wenig. Die SPD müsse auch klarer darstellen, wie sie die Sicherheitsbehörden personell, technisch und rechtlich stärken wolle. Es werde immer schwieriger, den vor allem im Internet ausufernden rechten Hass im Blick zu behalten.

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