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Nur die Hälfte der Bundestagsabgeordneten betreibt eine professionelle Facebook-Seite, auf Twitter sind noch weniger.
© Tobias Hase/dpa

Datenanalyse: Wie die Parteien Wahlkampf in Social Media machen

Seit dieser Woche hängen die Straßen Berlins voller Plakate. Der Wahlkampf ist eingeläutet. Im Netz läuft er schon längst. Wie sind die Parteien online aufgestellt?

Wer in den Sozialen Medien Einfluss haben will, muss sich seine Gefolgschaft mühsam aufbauen. Der Einfluss der Sozialen Netzwerke auf Wahlkämpfe steht spätestens seit dem Erfolg von Donald Trump und Brexit unter kritischer Beobachtung. Auch in Deutschland spielen Soziale Medien in Kampagnen eine immer größere Rolle.

Was machen die Parteien?

Inzwischen haben alle kandidierenden Parteien in ihren Kampagnenteams eigene Mitarbeiter nur für den Digitalwahlkampf. So besteht das Social-Media-Team der SPD derzeit nach eigenen Angaben aus zehn Mitarbeitern, bei der Linken übernimmt diese Aufgabe das Öffentlichkeitsteam aus neun Personen. Man möchte sieben Prozent des Gesamtbudgets für „Online und Audiovisuelle Inhalte“ ausgeben. Auch bei der FDP wird Social Media vom „integrierten Wahlkampfteam“ mit übernommen. Wie groß das ist, möchte die FDP nicht sagen. Man plant bislang, 500 000 Euro von den fünf Millionen Wahlkampfbudget für den „Online-Wahlkampf“. Bei der SPD heißt es zu den geplanten Ausgaben: „Wir möchten der politischen Konkurrenz hier keinen detaillierten Einblick gewähren.“

Das Social Media Team der Grünen besteht aus vier Personen. "Punktuell werden externe Dienstleistern wie Video-Teams, Texter und Grafiker zugebucht“, sagt Robert Heinrich, Wahlkampfmanager bei den Grünen. Man plant Kampagnen auf Facebook, Twitter und Instagram. „In der heißen Phase wird auch Youtube dazu kommen“, sagt Heinrich. Er betont vor allem den Rückkanal in den Sozialen Netzwerken: "Über Kommentare, Likes und Retweets bekommen wir permanent Feedback, wie gut unsere Kommunikation funktionier“, sagt er. 

Die CDU-Zentrale möchte ebenfalls keinen Einblick darin geben, welchen Anteil Ihres 20 Millionen Euro umfassenden Wahletats sie für den Digitalwahlkampf ausgeben will. Man unterscheide nicht zwischen Online- und Offline-Wahlkampf, sondern stelle den Kontakt mit den Wählern in den Vordergrund. Dabei sieht die CDU besonders den „Ausbau von Videoangeboten, zugeschnitten auf soziale Netzwerke, und mobile Endgeräte“ als immer wichtiger. Dabei wollen die Grünen allein die Hälfte ihres Werbebudgets für digitale Werbung ausgeben.

Twitter sehen die Parteien vor allem als Kanal, um Multiplikatoren wie Medien und andere Politiker zu erreichen. Die Parteien konzentrieren sich deshalb vor allem auf Facebook. „Wir erreichen über Facebook einen bunten Querschnitt der Gesellschaft. Mit mehr als 30 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern ist das im Digitalbereich für uns der reichweitenstärkste Kanal“, sagt ein SPD-Sprecher. Der Leiter der SPD-Kampagne, Tobias Nehren, sieht in den Sozialen Medien die Chance, die Handlungen und Botschaften der Kampagne ständig zu testen und zu optimieren, wie er dem Tagesspiegel bereits im Dezember sagte. Die SPD und alle anderen Parteien betonen, dass sie den Wahlkampf online stark mit dem vor Ort verknüpfen wollen.

Welche Politiker sind erfolgreich?


Die digitale Wirklichkeit sieht momentan noch anders aus. Zwar sind sich alle einig, der Erfolg hängt vor allem vom Verhalten einzelner Politiker ab. Aber es sind gar nicht so viele aktiv. In einem Kooperationsprojekt mit dem Fraunhofer IMW in Leipzig wertet der Tagesspiegel deshalb die Social-Media-Aktivitäten aller Kandidaten und besonders der Spitzenkandidaten aus. Die Ergebnisse werden täglich neu abgefragt und in einem interaktiven Social-Media-Wettrennen dargestellt. Das Projekt wurde im Rahmen des Förderprogramms „Wissenschaft und Datenjournalismus“ von der Volkswagen-Stiftung unterstützt.

Bei der Auswertung fällt vor allem auf, dass noch immer nicht alle Bundestagsabgeordneten überhaupt eine professionelle Facebook-Seite betreiben, auf Twitter sind circa die Hälfte aktiv. Unter 2453 Kandidaten, die analysiert wurden, zeigt sich die gleiche Tendenz. Etwas über die Hälfte davon postet auf einer professionellen Facebook-Seite, nur rund ein Drittel nutzt Twitter. Was die Aktivität der Politiker betrifft, ergeben sich jedoch große Unterschiede. So berichtet die SPD derzeit mit über 3000 Posts alleine im letzten Monat am meisten aus dem Bundestag. Das dürfte ihnen im Wahlkampf durchaus zugute kommen. Interessant ist aber auch, dass bei der CSU zwar nur die Hälfte der Abgeordneten auf Facebook aktiv ist. Aber die aktiven CSUler posten dafür im Durchschnitt unter allen Abgeordneten am häufigsten – etwas mehr als einmal am Tag. 

Unter den Kandidaten ist vor allem die AfD überdurchschnittlich stark. Kein Kandidat postet mehr auf Facebook als Frauke Petry. Und nur Angela Merkel, Sahra Wagenknecht und Martin Schulz haben mehr Fans auf Facebook. Auffallend ist dabei, dass die AfD-Inhalte von Frauke Petry, Alice Weidel, Nicolaus Fest und Beatrix von Storch überdurchschnittlich stark geteilt werden. Auch die Zahl der sogenannten Likes ist hoch. Auf Twitter ist es ähnlich. Zwar gehören hier keine AfD-Politiker zu den Top Ten der Politiker mit den meisten Fans. Aber die AfD-Community teilt deren Inhalte weit öfter, als es die Fans von den meisten SPD-, FDP- und CDU-Politikern tun. Angela Merkel ist dort nicht einmal registriert.

Was sagen Experten?

Christoph Neuberger, Medienprofessor an der LMU München, beobachtet vor allem, dass kleinere, radikalere Parteien noch stärker auf Social Media setzen, weil sie behaupten, die Medien gäben ihre Positionen nicht wieder. Das gilt auch für die Kommentarspalten unter Medienartikeln im Netz, wie er und seine Kollegen herausfanden. Er glaubt aber auch, dass man den Netzwerken nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte und verweist auf den Digital News Report des Hamburger Bredow-Instituts, der den Medienkonsum in verschiedenen Ländern untersucht. Demnach sind nur 51 Prozent der Deutschen auf Facebook aktiv und davon folgen 75 Prozent keinen Politikern. Und wenn dann nur denjenigen, mit denen sie sowieso einer Meinung sind.

Der Politikberater und Digitalexperte Martin Fuchs beobachtet dieses Jahr vor allem, dass die Parteien auch immer mehr neue Soziale Netzwerke nutzen. Zum Beispiel Snapchat oder Instagram, wo sie in erster Linie jüngere Wähler erreichen wollen. Neu ist, dass der Wahlkampf an der Haustür zunehmend die Funktionsweisen der Sozialen Medien kopiert. So können sich Wahlhelfer in parteieigenen Apps untereinander vernetzen, bekommen darin angezeigt, wie das Konsumverhalten und die Altersstruktur in den Häusern ist, die sie als nächstes besuchen – und geben die Ergebnisse aus den Gesprächen an der Basis zurück in die Kampagnenzentralen. Auf der Grundlage entscheiden die Wahlkämpfer in den Parteizentralen, mit welchen Themen und Slogans sie ihre Wähler im Netz und auf der Straße am besten erreichen können.

Die Datenanalyse erstellten: Michael Prilop, Severin Sperzel, Sebastian Vollnhals, Nikolas Zöller

WAHL-SPEZIAL: Reportagen, Daten, Analysen
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