Nachwuchspolitiker gegen das Coronavirus: Wie die Krise die Jugendverbände der Parteien zusammenschweißt
Die Junge Union zusammen mit der Linksjugend - was vor kurzem unvorstellbar schien, ist plötzlich möglich. Die Corona-Krise verändert die Parteijugend.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Jugendorganisationen von CDU und Linkspartei gemeinsame Sache machen. Deswegen ist bei manchen in der Union die Verwunderung groß darüber, was gerade im nordhessischen Landkreis Werra-Meißner passiert. Dort arbeitet die Junge Union seit kurzem mit „solid“ zusammen, dem Jugendverband der Linkspartei – in einem Bündnis aus rund 50 Menschen, das sich im Kampf gegen das Coronavirus speziell um Risikogruppen kümmern will.
Niklas Gries, der örtliche JU-Chef, bekommt deswegen zurzeit viele Anfragen von Parteikollegen. Per Telefon oder Facebook melden sie sich bei ihm und bohren nach: Was da los sei bei der Jungen Union in Nordhessen? Warum die auf einmal mit den Linken zusammenarbeite? Obwohl es doch einen Parteitagsbeschluss gibt, der das verbietet. Gries versucht dann zu beruhigen und versichert: „Es wird nach der Krise keine Zusammenarbeit mit der Linken geben.“
Während der Krise jedoch, im Kampf gegen das Coronavirus, bleibt es bei der Zusammenarbeit zwischen JU und „solid“. Beteiligt an dem lokalen Bündnis sind auch Mitglieder der Jusos, der Jungen Liberalen und der Grünen Jugend. Zusammen erledigen sie Einkäufe, versorgen Menschen aus Risikogruppen mit Lebensmitteln, damit die nicht so oft vor die Tür müssen. „Hier geht es nicht um Politik, sondern um konkrete Hilfe für Bedürftige“, sagt Gries.
Die Jugendverbände der Parteien, so scheint es, finden in Krisenzeiten nicht nur zusammen – sondern auch zu einem neuen Selbstverständnis. Sie wollen Hand anlegen, praktische Hilfe leisten; anstatt nur der „Stachel im Fleisch der Mutterpartei“ zu sein, wie es in normalen Zeiten der Fall ist.
Kühnert lobt die Groko
So sind die Jugendverbände in diesen Tagen auffallend einig untereinander – und zurückhaltend in ihrer Kritik an politischen Gegnern, der Regierung und der jeweils eigenen Parteiführung. „Kritik an der Mutterpartei ist ja kein Selbstzweck für jede Lebenslage“, sagt der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, der sogar der großen Koalition eine gute Arbeit attestiert: „Die zuständigen Ministerien arbeiten derzeit sieben Tage die Woche unter Hochdruck daran, Lösungen für Millionen von der Corona-Krise-Betroffenen zu finden.“
Das Lob des Juso-Chefs dürfte auch damit zu tun haben, dass die Bundesregierung in diesen Tagen eine Politik macht, die den jungen Genossen gefällt – etwa das Ende der „Schwarzen Null“, das nun kommt. „Die SPD hat richtigerweise schon vor Monaten aufgehört, um das goldene Kalb der Schwarzen Null zu tanzen“, sagt Kühnert. „Andere merken nun auch, wie kleinkrämerisch diese Knauserigkeit angesichts der neuen Herausforderungen erscheint.“ Von den Ideen der Jusos fände sich vieles in den jüngsten Beschlüssen der Groko wieder. Darauf ist man bei den jungen Genossen stolz.
Für JU-Chef Tilman Kuban geht es in der Krise vor allem „um die Sache und nicht den politischen Diskurs“, wie er sagt. Auch die Mitglieder seines Verbands wollen ohne Rücksicht auf Parteigrenzen direkte Hilfe leisten. Vor kurzem haben sie die Online-Plattform „Einkaufshelden“ ins Leben gerufen. Inzwischen hätten sich mehr als 10 000 Menschen – Helfende und Bedürftige – registriert, sagt Kuban. „Wir machen gute Erfahrungen mit unserer Aktion ‚Einkaufshelden‘ und bekommen von Älteren, aber auch von Mitarbeitern im Gesundheitswesen, die keine Zeit mehr für den Einkauf haben, viel Dankbarkeit für das Engagement.“
Vor der Corona-Krise hatte Kuban mit seinen scharfen Tönen in der Rentendebatte schon einmal den einen oder anderen Senioren vor den Kopf gestoßen. Jetzt zeigen sich die JU-Leute als Verbündete der Alten. Dass die Parteipolitik in den Hintergrund rücken soll, zeigt auch das Design der Online-Plattform: das JU-Logo ist darauf nicht zu sehen.
Kein Prototyp für künftige Kooperationen
Dass jetzt „nicht die Zeit für Parteipolitik“ sei, findet auch Ria Schröder, die Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis). Auch ihr Verband engagiert sich überall im Land parteiübergreifend für Corona-Risikogruppen – beim Einkaufen, beim Gassigehen mit dem Hund oder in der Kinderbetreuung. „Als politische Jugendorganisation haben wir Vorbildcharakter und wollen Verantwortung übernehmen“, sagt sie.
Dass dabei auch JuLi-Mitglieder im nordhessischen Werra-Meißner in einem Bündnis mit den Linken von „solid“ zusammenarbeiten, damit hat Schröder in Krisenzeiten kein Problem. Und mit der Jungen Alternative, dem Nachwuchs der AfD, würde man auch die in eine solches Bündnis aufnehmen? Es gebe in ihrem Verband „keinerlei Kontakte“ zu den jungen Rechten, sagt Schröder. „Ich sehe aber auch grundsätzlich keine Grundlage für eine Zusammenarbeit. Bei Jusos, Grüner Jugend und Junger Union – und teilweise auch bei ‚solid‘ – ist das anders.“
JU-Chef Kuban ist nicht begeistert, dass Mitglieder seines Verbandes in Nordhessen aktuell mit der Linksjugend zusammenarbeiten. „Das hat man auf der lokalen Ebene so bewertet“, sagt er dazu nur – und macht dann doch noch etwas Parteipolitik: „Als JU-Bundesvorsitzender empfehle ich allerdings keine Zusammenarbeit mit Leuten, die zu Plünderungen aufrufen oder von Erschießungen von Menschen sprechen. Die Linksjugend hat ein ungeklärtes Verhältnis zur Freiheit.“ Kuban spielt damit auf eine Strategiekonferenz der Linken vor einigen Wochen an, bei der über die Erschießung von Reichen und Zwangsarbeit schwadroniert wurde.
Niklas Gries, der JU-Vorsitzenden im Kreis Werra-Meißner, will die Sache nicht ganz so hochhängen wie sein Bundesvorsitzender. Dass man in der Krise mit der Linksjugend zusammenarbeite sei „kein Prototyp für künftige Kooperationen“, versichert er. „Zurzeit entscheiden wir von Fall zu Fall. Wir sehen aber auch: Es funktioniert.“
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