Papst geißelt „zerstörerische Interessen“: Wie die Amazonas-Synode dem Regenwald helfen könnte
Vielleicht ist die Synode ein Lichtblick für den Regenwald am Amazonas. Es geht aber auch darum, was gegen den enormen Priestermangel dort getan werden kann.
Es ist ein Verdienst von Papst Franziskus, dass Umwelt- und Klimaschutz seit seiner Enzyklika Laudato si’ im Jahr 2015 ganz oben auf der Agenda der katholischen Kirche steht. Vielleicht hat er am Ende auch mehr Einfluss auf Brasiliens rechten Präsidenten Jair Bolsonaro, dem es bisher egal ist, was von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bis zu Kanzlerin Angela Merkel an Warnungen kommt, den Amazonas-Regenwald nicht weiter zu zerstören.
Sie kommt angesichts verheerenden Bränden in der Region zur rechten Zeit – und könnte eine Revolution auslösen: Erstmals hat am Sonntag eine dreiwöchige Amazonas-Synode im Vatikan begonnen, sie trägt den Titel „Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine integrale Ökologie“.
Es geht dabei um die Bedrohung der indigenen Völker und um die voranschreitende Regenwaldzerstörung. Aber auch um brisante innerkirchliche Fragen. Die haben es in sich, sie könnten das Zölibat aufweichen, um dem dramatischen Priestermangel in der weitläufigen Amazonas-Region entgegenzuwirken.
In seiner Eröffnungspredigt prangerte der Papst Ausbeutung und Umweltvernichtung im Amazonasgebiet angeprangert. „Das von zerstörerischen Interessen gelegte Feuer wie jenes, das kürzlich das Amazonasgebiet verwüstet hat, ist nicht das aus dem Evangelium“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa. Das Feuer des Evangeliums speise sich vom „Teilen und nicht von Profiten“, sagte der Papst weiter. Ziel des zerstörerischen Feuers hingegen sei es, alle „Vielfalt zu zerstören, um alles und alle einheitlich zu machen“.
Mit bei der Synode ist auch Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat und einer von vier deutschen Teilnehmern der Beratungen bei Papst Franziskus. „Der Klimawandel, die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen, Wasserkraftwerke, gigantische Infrastrukturprojekte sowie gigantische Weideflächen, Soja-, Zuckerrohr- und Palmölplantagen zerstören die Lebenswelt Indigener“, betont er in einem Positionspapier. „Am Amazonas bündeln sich die – für andere Kulturen tödlichen – Folgen unserer Art zu leben und zu wirtschaften.“
Nicht zuletzt durch die massiven Waldzerstörungen ist die Lage in Südamerika wieder stärker in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Das Amazonasbecken erstreckt sich über rund 7,5 Millionen Quadratkilometer und umfasst Teile von Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru, Surinam, Venezuela und Französisch-Guayana. In der Region lebt eine rund drei Millionen Menschen umfassende indigene Bevölkerung, hinzu kommt die große Arten- und Pflanzenvielfalt und die Funktion des Regenwaldes als gewaltiger CO2-Speicher mit Auswirkungen auf das globale Klima.
Auch in Ecuador und Bolivien ist der Regenwald gefährdet
Gehen Abholzung und Brandrodungen in dem Tempo weiter, könnte sich die Region schrittweise in eine Savanne verwandeln, längst nicht nur in Brasilien ist das Problem virulent, sondern etwa auch in Bolivien, regiert von dem sozialistischen Präsidenten Evo Morales. Oder in Ecuador, wo die Erdölförderung hochfragile Regenwaldgebiete und indigene Lebensräume bedroht.
Bischofssynoden finden meist alle drei bis vier Jahre statt, diese ist aber eine ganz besondere, da sie auch hochpolitisch ist. Die Synoden sollen den Papst beraten und Impulse geben für einen Reformprozess in der von Mitgliederschwund, Priestermangel und in Südamerika von evangelikalen Sekten bedrohten katholischen Kirche.
Für Pater Heinz ist daher auch eine stärkere Präsenz, ein regelmäßiger Zugang zur Eucharistie zentral – und da stellt sich die Frage nach einer Lockerung des Zölibats. „In Amazonien herrscht Priestermangel. Die zölibatär lebenden Priester können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen“, heißt es in dem Adveniat-Positionspapier zur Synode, das Hilfswerk unterstützt seit vielen Jahren zahlreiche Pastoralprojekte in der Region.
Wird es Priesterweihen indigener Familienväter geben?
„In zahlreichen Gemeinden finden Eucharistiefeiern nur noch ein-, zwei oder dreimal im Jahr statt.“ Das Recht der Gläubigen auf die Eucharistie sei aber das höchste Gut, „auch im Vergleich zur Verpflichtung zum Zölibat als Zugangsvoraussetzung zum Priesteramt“, sagt der Adveniat.
Denkbar wäre eine kooperative Gemeindeleitung aus der Mitte der Gemeinde heraus. „Die Weihe von zwei oder drei sogenannte viri probatae, also im Leben und Glauben bewährte Männer, zum priesterlichen Dienst in dieser konkreten Gemeinde, wäre ein Schritt, um die Feier der Sakramente vor Ort zu ermöglichen.“ Das könnte eine Priesterweihe indigener Familienväter bedeuten. Aber es wird auch über den verstärkten Zugang von Frauen zu Dienstämtern diskutiert.
Durch die Amazonas-Synode könnte vieles in Bewegung kommen
„Papst Franziskus hat die Kirche Lateinamerikas dazu aufgefordert, angesichts der genannten Probleme kreativ und ohne Tabus über Veränderungen nachzudenken“, betont Pater Heinz. Auch in Deutschland wird angesichts der Austrittswelle und infolge der Missbrauchsskandale unter den Bischöfen über Reformen, etwa beim Zölibat, diskutiert, auch wenn vieles bei der Debatte um den Synodalen Weg noch sehr schwammig ist.
Durch die Amazonas-Synode könnte vieles in Bewegung kommen. Der gerade zum Kardinal ernannte Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich kann sich nach Angaben der Nachrichtenagentur KNA vorstellen, mehr erfahrene verheiratete Männer zu katholischen Priestern zu weihen.
Der 61-Jährige hebt auch den unterschiedlichen Erfahrungshorizont von Ehemännern hervor: „Ich liebe meinen Zölibat, ich stehe dazu; aber ich sehe, dass die verheirateten Diakone anders predigen können als ich, und das finde ich an sich eine wunderbare Ergänzung.“
Er hat übrigens angesichts der „Fridays for Future“-Bewegung seinen Alltag geändert. So verzichte er auf Plastikflaschen, habe seine Kaffeemaschine gewechselt und esse nur zweimal die Woche Fleisch. Man müsse „den Schrei der jungen Generation hören“, sagt Hollerich.
Einen Hilferuf schicken seit Jahren auch die indigenen Völker am Amazonas. Einer ihrer „Anwälte“ ist der brasilianische Kardinal Claudio Hummes, der die Synode im Vatikan koordiniert, es gebe „nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise“, sagt er. Hummes muss die Diskussionen der 283 Teilnehmer zusammenführen, das Schlussdokument dient Papst Franziskus als Entscheidungsgrundlage.
Abstimmen dürfen darüber aber nur 185 Teilnehmer der Synode, fast alles Bischöfe, darunter allein aus Brasilien knapp 60. Schon einmal kamen mit der Befreiungstheologie, als Kirche von unten und der Armen, wichtige Reformanstöße aus Lateinamerika – aber eines ist auch klar: Auch jetzt dürfte es um die Ergebnisse scharfe Kontroversen innerhalb der unter großem Druck stehenden katholischen Kirche geben.