Bolsonaro und die Brandstifter: Der Regenwald brennt - und die Welt muss zusehen
Großfeuer verschlingen den brasilianischen Amazonas-Regenwald. Die Brände werden gezielt gelegt. Nun wurden erste Ermittlungen eingeleitet.
Brasilien brennt. Das ist wörtlich zu nehmen. Im südlichen Amazonasbecken toben schon seit Wochen riesige Feuer. Sie sind größer als alles, was man in den vergangenen Jahren erlebt hat. Das brasilianische Weltrauminstitut Inpe hat in diesem Jahr bereits rund 73.000 Brände gezählt, eine Zunahme um 83 Prozent im Vergleich zu 2018.
Die Hälfte der Feuer brennt in der Amazonasregion, 30 Prozent im angrenzenden und ebenso wichtigen Ökosystem des Cerrado, Ursprungsregion zahlreicher großer Flüsse. Auch im Dschungel Boliviens sind enorme Feuer ausgebrochen, ebenso im Pantanal, dem größten Feuchtgebiet der Erde sowie in Paraguay. Bilder von verbrannten oder flüchtenden Dschungeltieren machen in den sozialen Netzwerken die Rund. Es ist eine Umweltkatastrophe mit globalen Ausmaßen, die sich derzeit in Südamerika entfaltet.
Ein Grund für die Feuer ist die ungewöhnlich lange und heiße Trockenperiode im Amazonasbecken. Mindestens ebenso wichtig dürften die Brandstiftungen sein. Bauern, Viehzüchter und Landspekulanten legen Feuer, um ihre Flächen illegal auszudehnen. Fakten schaffen, so heißt die ebenso zerstörerische wie erfolgreiche Taktik, die häufig von den lokalen Autoritäten toleriert wird.
Die Amazonasregion gleicht in großen Teilen dem Wilden Westen. Es gelten hier eigene Gesetze. Viele der Brandstifter fühlen sich offenbar auch von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ermutigt, der bei jeder Gelegenheit betont: „Wir werden den Amazonas wirtschaftlich ausbeuten!“
Im Bundesstaat Pará fanden sich laut lokalen Medien Viehzüchter zu einem „Tag des Feuers“ zusammen. Sie legten gemeinsam Brände und sandten eine Nachricht an Bolsonaro: „Wir möchten dem Präsidenten sagen, dass wir arbeiten wollen. Der einzige Weg, um Weiden zu schaffen ist: den Wald vernichten.“
Die Staatsanwaltschaft hat nun Ermittlungen eingeleitet. Es solle geprüft werden, warum der „Tag des Feuers“ vor einer Woche nicht verhindert wurde, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Die Brände lodern seit Wochen
Obwohl die Feuer schon seit mehreren Wochen brennen, sind sie erst jetzt ins Bewusstsein der brasilianischen Öffentlichkeit gedrungen. Am Montagnachmittag verdunkelten plötzlich Aschepartikel den Himmel über der Millionenstadt São Paulo und machten zusammen mit einer Kaltfront den Tag zur Nacht. Die Asche stammte von den Bränden in der Amazonasregion, wie Satellitenaufnahmen zeigten. Sie war über rund 3000 Kilometer von Nord nach Süd getrieben worden.
Seit Mittwoch schweigt auch Brasiliens Regierung nicht mehr länger zu den Feuern, nachdem sie sie tagelang einfach ignoriert hatte. Doch was sagte Brasiliens rechtsextremer Präsident? Bolsonaro verkündete, dass Umweltschutzorganisationen die Feuer gelegt hätten, um sich für die Streichung von Geldern zu rächen. Beweise lieferte der Präsident nicht.
Die Äußerung passt in sein verqueres Weltbild. Umweltschutz ist darin „eine Sache von Veganern, die nur Grünzeug essen“. Umweltschützer beschuldigt er gerne im Auftrag ausländischer Mächte zu handeln, die es auf Brasiliens Bodenschätze abgesehen hätten. Dann machte Bolsonaro sich auch noch lustig: Seine Gegner würden ihn jetzt sicher von „Hauptmann Kettensäge“ in „Nero“ umtaufen. Schnell machte der Hashtag #BolsoNero die Runde.
Die gigantischen Feuer sind das bislang deutlichste Alarmsignal für das Desaster, das sich im Amazonasbecken vollzieht. Die Geschwindigkeit der Abholzung ist in diesem Jahr dramatisch gestiegen im Vergleich zu 2018. Dabei galt 2018 bereits als das schlimmste Jahr für den Amazonaswald in einer Dekade.
Der renommierte Klimatologe Carlos Nobre warnt davor, dass bald ein Punkt erreicht sein könnte, an dem das komplexe Ökosystem des Amazonas’ kollabiere. Der Wasseraustausch würde unterbrochen, es würde zu immer längeren Trockenperioden und damit zu immer mehr Feuern kommen. Der Amazonas würde sich selbst auffressen.
Statt Regen Asche
Für die Menschheit wäre das nicht unerheblich. Ein Fünftel unseres Sauerstoffs werden vom Amazonasdschungel gebildet, dessen Entstehung rund 50 Millionen Jahre gedauert hat. Er speichert Treibhausgase, die 140 Jahren industrieller Aktivität entsprechen, ihre Freisetzung würde einer CO2-Bombe gleichen. Bis heute hat die Menschheit fast 20 Prozent des Walds zerstört.
Wissenschaftler schätzen, dass derzeit jede Minute 2000 große Bäume gefällt werden. Sie sprechen von einer minütlich vernichteten Fläche von drei Fußballfeldern, dabei sind die Feuer nicht mit eingerechnet. Laut Carlos Nobre fehle nicht mehr viel, damit das gesamte System kippe.
Im Rest der Welt ist die Aufregung groß über Bolsonaros Kahlschlag im Dschungel. Die Bundesregierung hat bereits Gelder gestrichen, die für Waldschutzprojekte in Brasilien vorgesehen waren. Norwegen, das sich ebenfalls stark in Brasilien engagierte, zog nach. Bolsonaro reagierte auf seine Art: „Gebt Merkel das Geld, damit sie Deutschland aufforstet.“
Der Rauch aus dem Amazonas wanderte übrigens auf einer Route nach São Paulo, über die sonst Regenwolken heranziehen. Dieser „Fluss der Lüfte“ ist enorm wichtig für die Wasserversorgung des bevölkerungsreichen Südostens des Landes.
Seine Intensität hat sich jedoch in den vergangenen Jahren verringert, weil die Entwaldung des Amazonasbeckens die Wolkenbildung vermindert. Es steigt nicht mehr genug Feuchtigkeit auf. Der Südosten Brasiliens leidet deswegen unter stärkerer Trockenheit. Nun schickte der Amazonas statt Regenwasser: Asche.
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