US-Supreme Court: Wie der US-Präsident die Zukunft regiert
Die Nominierung von Richtern für den US-Supreme Court hat Auswirkungen, die weit über die Amtszeit eines US-Präsidenten hinaus gehen. Ein historischer Abriss
Donald J. Trump ist gerade einmal anderthalb Jahre im Amt und wenngleich auch viele seiner Dekrete aufgehoben und Gesetzesentwürfe im Kongress feststecken, so konnte der US-Präsident bereits den Obersten Gerichtshof mit zwei konservativen Richtern besetzen und damit einen maßgeblichen Erfolg für die Republikaner erzielen. Trump hat damit bereits genauso viele Richter für den Supreme Court nominiert, wie seine Vorgänger Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton in jeweils zwei vollen Amtszeiten. Bedenkt man, dass aus der derzeitigen Besetzung die beiden noch von Bill Clinton nominierten und der eher linksliberalen Richtergarde zugeordneten Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer bereits 85 und 80 Jahre alt sind, so würden die Republikaner nach der Ernennung des 53-jährigen Brett Kavanaugh wohl bald weitere Richterstellen mit konservativen Kandidaten benennen können.
Der als konservativ geltende und noch von Ronald Reagan nominierte 82-jährige Anthony Kennedy, der jedoch in der Vergangenheit öfters mit seinen liberalen Richterkollegen stimmte, hatte für Ende Juli angekündigt, in den Ruhestand gehen zu wollen. Die Ernennung der Richter ist zwar durch den US-Senat zu bestätigen, seine Nominierung allerdings obliegt dem Präsidenten. Durch die Ernennung auf Lebenszeit, kann der Präsident damit die Recht-sprechung in eine entscheidende Richtung lenken.
Konservative Richter bekämpften schon Roosevelts New-Deal Reformen
Wie hinderlich die Altlasten seiner Vorgänger im Weißen Haus sein konnten, hatte schon Franklin D. Roosevelt erfahren müssen, der auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1932 als Kandidat der Demokraten mit überwältigender Mehrheit ins Amt gewählt wurde und mit seinem politischen Vorhaben, wie der Einführung einer Sozialversicherung und weiteren staatlich finanzierten sozialen Programmen, anfänglich auf den heftigen Widerstand einer seit Jahren am Obersten Gerichtshof ernannten konservativen Richtergarde aus Südstaatendemokraten und Republikanern gestoßen war, die seine New-Deal Reformen wo immer sie konnten, blockierten. Die zeitgenössische amerikanische Presse gab den vier Richtern Pierce Butler, James C. McReynolds, Willis VanDevanter und George Sutherland in Anlehnung an die vier Reiter der Apokalypse, den wenig schmeichelhaften Namen "The four Horsemen of Reaction".
Als Reaktion auf die Blockadehaltung der vier, die oftmals von zwei weiteren Richterkollegen in ihrem juristischen Widerstand gegen den Präsidenten unterstützt wurden, versuchte Roosevelt diese zu umgehen, indem er mit dem Judicial Procedures Reform Bill von 1937 versuchte, durch die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren und sechs Monaten die "four Horsemen" somit sofort gesetzlich zum Rücktritt zu zwingen. Das Gesetz wurde jedoch vom US-Kongress abgelehnt, da Roosevelt so mit einem Mal vier neue dem New-Deal positiv eingestellte Richter hätte nominieren können, die das Gleichgewicht des Supreme Court schlagartig verändert hätte. Zwar hatte der Präsident einen Rückschlag hinnehmen müssen, kam aber dennoch langfristig zu einem Erfolg.
"Solange der Krüppel im Weißen Haus sitzt, trete ich niemals zurück"
Innerhalb der nächsten Jahre traten sowohl VanDevanter und Sutherland aus gesundheitlichen Gründen zurück, Butler starb 1939 im Amt. Nur McReynolds, der offen seine Verachtung für Präsident Roosevelt zeigte, weigerte sich zunächst einem Nachfolger Platz zu machen. Solange dieser verkrüppelte Hurensohn im Weißen Haus sitze, verkündete Reynolds mehrmals zuvor, werde er niemals zurücktreten. Bis zu seinem Ruhestand 1941 stellte er sich den New-Deal-Reformen als letzter verbliebener "Horsemen" in den Weg.
Franklin D. Roosevelt war zugleich auch der Präsident mit der meisten akkumulierten Macht aller Amtsinhaber im 20. Jahrhundert. Durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er insgesamt dreimal wiedergewählt und amtierte zwölf Jahre, starb aber nur wenige Wochen nach seiner vierten Vereidigung im April 1945. Während seiner Präsidentschaft konnten allein neun Richter von ihm nominiert und vom demokratisch kontrollierten Kongress ernannt werden. Nur George Washington konnte als erster Präsident mehr Richter an den Bundesgerichtshof entsenden. Die von Roosevelt nominierten Kandidaten Hugo Black und William O. Douglas amtierten knapp dreieinhalb Jahrzehnte am Obersten Gerichtshof. Von 1933 bis 1969 stellten die Demokraten 28 Jahre lang den Präsidenten. Insgesamt nominierten die Demokraten 16 von 21 Richtern am Obersten Bundesgericht in dieser Zeit. Der "Liberale Konsens" zwischen Republikanern und Demokraten hielt bis zur Mitte der 1970er Jahre. Durch die lange Dominanz der Demokratischen Partei im Weißen Haus und der Kontrolle beider Kammern - Senat und Repräsentantenhaus - fiel die Rechtsprechung über Jahrzehnte mehrheitlich liberal aus.
"Größter Fehler meines Lebens"
Nicht immer jedoch erwiesen sich die vom Präsidenten vorgeschlagenen Kandidaten im Nachhinein als die Richtigen. Weltkriegsgeneral Dwight D. Eisenhower, der von 1953 bis 1961 als Präsident amtierte, hatte als einer seiner ersten Amtsentscheidungen den kalifornischen Gouverneur Earl Warren als Chefjustiziar an den Obersten Gerichtshof berufen. Viele Republikaner versprachen sich von ihrem Parteikollegen eine konservative Beeinflussung der Rechtsprechung. Doch Warren erwies sich nicht als Gegengewicht zu den eher liberalen Richtern, welche von Roosevelt oder Truman berufen wurden und stimmte bei der Urteilsverkündig häufig mit diesen überein. Eisenhower bezeichnete die Nominierung Warrens später als den "größten Fehler seines politischen Lebens".
1954 sprach der Oberste Gerichtshof ein historisches und folgenreiches Urteil, als der Vorsitzende Earl Warren in dem Sammelfall "Brown vs. Board of Education" die Rassentrennung an Schulen für verfassungswidrig erklärte. Somit revidierten die Richter die Entscheidungen eines damals noch konservativ dominierten Supreme Court, der 1896 in der Sache "Plessy v. Ferugson" die Rassentrennung für verfassungskonform - "seperated but equal" - gehalten hatte, solange die Einrichtungen für Schwarze und Weiße gleich seien, und hob das Urteil damit auf. In den damals noch von der Demokratischen Partei dominierten Südstaaten löste der Urteilsspruch Entrüstung aus.
Lange Dominanz liberaler Rechtsprechung
Die Dominanz liberaler Richter am Obersten Gerichtshof führte auch zu einer in der Folge weitestgehend liberalen Politik der 1960er und frühen 1970er Jahre, die schließlich trotz Widerstand von der höchsten richterlichen Instanz bestätigt werden konnte. 1972 wurde die Todesstrafe vom Supreme Court als "grausam und ungewöhnliche Strafe" bezeichnet, womit sie nach Meinung des Gerichts verfassungswidrig war. 1976 wurde sie in einem neuem Verfahren schließlich wieder für zulässig erklärt. Auch US-Präsident Lyndon Johnson profitierte von der Mehrheit der liberalen Richter am US-Supreme Court. Zusammen mit einem von den Demokraten dominierten Kongress und eines Supreme Court, der sich nicht wie in Roosevelts ersten beiden Amtsperioden seiner Politik entgegenstellte, konnten so große Teile seiner Sozialgesetzgebung - "der Great-Society" - durchgesetzt werden. Johnson nominierte mit dem liberalen Thurgood Marshall 1965 auch den ersten afro-amerikanischen Richter an den Bundesgerichtshof.
1973 gaben die Richter in Roe v. Wade der Klägerin Recht, dass das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs das Recht auf Privatsphäre verletzen würden. Das Urteil wurde vor allem von konservativen Abtreibungsgegnern und der Evangelikalen Rechten, die unter Ronald Reagan zu erheblichem Einfluss in der Republikanischen Partei gelangten und sich in den 1980er Jahren mehrheitlich von moderaten Positionen in sozialpolitischen Fragen entfernt hatten, immer wieder scharf kritisiert und versucht anzufechten. In den zwanzig Jahren zwischen 1969 bis 1993 indem man den Präsidenten stellte gelang es den Republikanern jedoch, die jahrzehntelange Dominanz liberaler Richter zu brechen und den Supreme Court wieder in eine konservative Richtung zu lenken. Doch nicht immer konnten sich die Kandidaten der Republikaner sofort erfolgreich durchsetzen.
"Ich will, dass Roe v. Wade überstimmt wird"
Ronald Reagan nominierte 1987 den konservativen Robert Bork, nachdem der liberale Justizchef des Obersten Gerichts, Lewis Powell, in den Ruhestand gegangen war. Bork war dieser Posten bereits von Richard Nixon aufgrund seiner Beteiligung im sog. "Satuarday Night Massacre" vom Oktober 1973 versprochen worden, bei dem United States Attorney General Elliot Richardson, sowie der Sonderbeauftragte Archibald Cox wegen ihrer Ermittlungen im Watergate Skandal entlassen worden waren. Im Senat, indem die Demokraten die Mehrheit besaßen, die Bork kritisch gegenüber standen, fiel das Ergebnis mit 58 zu 42 Stimmen gegen Reagans Wunschkandidaten aus. Statt Bork nominierte Reagan den im Juli 2018 in den Ruhestand gehenden Anthony Kennedy. Selbst der von George H. W. Bush nominierte Kandidat Clarence Thomas, Nachfolger des zurückgetretenen Thurgood Marshall und zugleich der zweite Afro-Amerikaner am US-Supreme Court, wurde nach stundenlanger Anhörung wegen seinen konservativen Ansichten und der Ablehnung von Affirmitive Action Programmen lediglich mit dem knappsten Ergebnis bei Richterwahlen im 20. Jahrhundert ernannt.
US-Präsident Trump hatte hingegen angekündigt, er würde nur Richter an den Supreme Court nominieren, die Roe v. Wade kippen würden. Auch Vizepräsident Mike Pence erklärte, er wünsche immer noch, dass das Urteil von 1973 endlich überstimmt und gekippt werde. Zugleich bekräftigte Trump, dass er nur Kandidaten vorschlagen werde, von denen sicher ist, dass die dort eine "sehr lange Zeit" sein werden. Die Republikaner haben nun die Möglichkeit den Obersten Gerichtshof langfristig mit konservativen Richtern zu besetzen, sollten die beiden liberalen Richter Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer bald in den Ruhestand gehen. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass die Republikaner ihre Mehrheit im US-Senat bei den Midterm Elections im November verteidigen werden. Trump könnte somit innerhalb kürzester Zeit die politische Weichenstellung für eine konservative Rechtssprechung in den USA legen, die auch weit nach dem Ausscheiden des Präsidenten aus dem Weißen Haus spürbar sein wird.
Steffen Würzburger
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