Cohen über Trump: Wie der Kronzeuge in einem Mafia-Prozess
Wikileaks, Schweigegeld, Anstiftung zur Lüge: Donald Trumps Ex-Anwalt belastet den Präsidenten schwer. Und weitere Vorwürfe dürften folgen. Ein Kommentar.
War das nun der entscheidende Auftritt, der alles verändert? Hat Michael Cohen mit seiner stundenlangen Aussage vor dem US-Kongress den amerikanischen Präsidenten ernsthaft in Schwierigkeiten gebracht?
Geht man nach dem, was Donald Trumps ehemaliger persönlicher Anwalt am Mittwoch öffentlich und unter Eid behauptete, sollte man das annehmen. Wenn ihn Trump tatsächlich zur Lüge angestiftet hat, wenn Trump also doch von den Wikileaks-Enthüllungen über Hillary Clinton vorab wusste, wenn er wirklich angeordnet hat, dass Schweigegeld an seine Ex-Affären gezahlt wurde, und wenn Cohen das alles auch beweisen kann – dann wären das alles Gründe, den Präsidenten seines Amtes zu entheben.
Ob die Beweise, von denen der Ex-Anwalt einige mitgebracht haben wollte, ausreichen, wird sich allerdings erst noch herausstellen. Genauso wird sich erst noch zeigen, was an seinen gegen Ende der Befragung geäußerten Andeutungen dran ist, dass da noch mehr sei. Was da "mehr" ist, wird die Öffentlichkeit aber frühestens dann wissen, wenn FBI-Sonderermittler Robert Mueller seinen Bericht zur Russland-Affäre vorlegt.
Im Mai geht Cohen für drei Jahre ins Gefängnis
Cohen wirkte in den rund sechs Stunden Befragung meist gefasst und glaubwürdig, wie einer, der nun tatsächlich nichts mehr zu verlieren hat und reinen Tisch machen will. Immerhin kooperiert er mit Mueller, hat seine Schuld eingestanden und wird im Mai seine dreijährige Haftstrafe antreten. Aber gleichzeitig konnten die Millionen Zuschauer der Anhörung, die wie eine sportliche Großveranstaltung via Countdown bei CNN und dem Versprechen von Washingtoner Bars, rechtzeitig zur Liveübertragung die Türen zu öffnen, angepriesen worden war, einen professionellen Lügner in Aktion beobachten.
Die Frage, ob er nicht einfach nur aus Enttäuschung den Präsidenten belasten wolle, der ihn nach seinem Wahlsieg nicht ins Weiße Haus geholt habe, verneinte Cohen – obwohl selbst Trump-kritische Beobachter das Gegenteil behaupten. Und die Frage, ob er von sich selbst immer noch behaupte, ein guter Rechtsberater zu sein, obwohl er illegaler Weise Schweigegelder an potenziell unbequeme Zeugen gezahlt hat, bejahte er. Gleichzeitig gab er scheinbar ungerührt zu, dass ihm am Dienstag die Anwaltszulassung entzogen worden sei. Ob er lügt oder nicht, ob er sich selbst glaubt, sieht man seinem Gesicht nicht an. Zumindest in dieser Hinsicht ist er ein Profi.
Die Republikaner wollen seine Glaubwürdigkeit erschüttern
Kein Wunder, dass es die Strategie der Republikaner im Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses war, die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen nachhaltig zu erschüttern. Es bietet sich geradezu an. Ein überführter Lügner, der seinem Boss zehn Jahre lang treu und ohne Skrupel gedient hatte, bevor er sich – vielleicht aus Enttäuschung – gegen diesen wandte, um letztlich weniger hart bestraft zu werden: Das Narrativ verfängt bei jenen, die ohnehin der Meinung sind, dass die Opposition sich einfach nicht damit abfinden will, dass Trump die Wahl gewonnen hat, und daher alles Menschenmögliche unternimmt, um diesen zu stürzen.
Und doch: Cohen versuchte noch nicht einmal, seine fragwürdigen Handlungen im Dienste seines Herrn zu rechtfertigen. Wie ein Aussteiger aus einer Sekte scheint er selbst nicht mehr zu verstehen, wozu er sich früher bereit erklärt hat. So beschämend das für den Ex-Anwalt Cohen war, so überzeugend wirkte es bei dem Zeugen Cohen.
Rund 500 Mal habe er Menschen im Auftrag von Trump bedroht, schätzte Cohen auf Nachfrage. Eine schier unglaubliche Zahl, die an das Vorgehen der Mafia erinnert. Nicht zufällig beschrieb Cohen in seinem Eingangsstatement Trump als jemanden, der wie ein Mafioso handele. Das Kalkül dahinter: Wie bei einem Mafia-Prozess braucht es als Kronzeugen eben einstige Insider, um die Anführer zu Fall zu bringen.
Michael Cohen hat vorgelegt. Es war das erste Mal, dass ein einst enger Vertrauter des Präsidenten diesen in einer öffentlichen Untersuchung beschuldigt. Eine Aussage, die es in sich hat. Und das war erst der Anfang. Amerika wartet nun noch ungeduldiger auf Muellers Bericht.