Al Qaida hinter Anschlag auf Bundeswehr in Mali: Ein Terrornetzwerk mit langem Atem
Auch 20 Jahre nach dem Terrorangriff auf die USA am 11. September 2001 ist Al Qaida nicht besiegt. Die Gefahr nimmt eher noch zu. Nicht nur in Afrika.
Der Anschlag auf deutsche Soldaten in Mali ist offenbar ein Warnsignal über Afrika hinaus. Der Bundesnachrichtendienst (BND) geht davon aus, dass die weltweit agierende Terrororganisation Al Qaida hinter dem Angriff steckt, bei dem vergangenen Freitag zwölf Angehörige der Bundeswehr und belgischer Blauhelmsoldat verletzt wurden.
Sollte die Analyse des BND zutreffen, wäre das Attentat ein weiteres Indiz für die Schlagkraft von Al Qaida auch heute noch, 20 Jahre nach dem monströsen Angriff auf die USA am 11. September 2001 und einem beispiellosen Kampf des Westens gegen den islamistischen Terror. Deutsche Sicherheitskreise befürchten sogar, dass Al Qaida einen Anschlag in der Dimension von 9/11 wiederholt.
BND-Präsident Bruno Kahl hatte am Montag bei einer Veranstaltung des Bundeswehrverbands als mutmaßlichen Angreifer in Mali die von Al Qaida abstammende Gruppierung „Jamaat at Nusrat al Islam wa-l-Muslimin (JMIN)“ genannt. Der Name bedeutet „Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime“. Die JNIM setzt sich aus regionalen Islamisten und Kämpfern der nordafrikanischen Al-Qaida-Filiale zusammen. Die JNIM sei ein „kräftiger Akteur“, sagte Kahl.
Im April hatten Terroristen der JNIM im Nachbarstaat Burkina Faso den spanischen Kriegsreporter David Beriáin, seinen Kameramann und einen irischen Wildtierschützer getötet, obwohl die drei von Soldaten begleitet wurden. Die Journalisten recherchierten zu Wilderei in einem Nationalpark.
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Die JNIM ist Teil des globalen Netzwerks, das Al Qaida trotz der massiven Repression nach 9/11 auf- und ausbauen konnte. In Afrika ist die Organisation auch verbündet mit der somalischen Terrormiliz Al Shabaab (Die Jugend). Sie gilt als einer der brutalsten Akteure im Bürgerkrieg, in dem Somalia seit 30 Jahren steckt. Teile des Landes befinden sich unter Kontrolle der Islamisten, die mit grausamen Strafen die Scharia durchsetzen.
Gegenüber von Somalia, im Jemen, ist eine weitere Filiale aktiv. Sie nennt sich „Al Qaida auf der arabischen Halbinsel“ und war an Attacken in Europa beteiligt. Der Ableger bekannte sich unter anderem zum Anschlag von Terroristen auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 in Paris. Den Bürgerkrieg im Jemen nutzt Al Qaida, um von eroberten Gebiete aus Anschläge vorzubereiten.
Die mutmaßliche stärksten Al-Qaida-Verbände stehen in der nordsyrischen Rebellenprovinz Idlib. „Hai’at Tahrir asch Sham“ (Komitee zur Befreiung der Levante) und „Tanzim Hurras al Din“ (Wächter des Glaubens) verfügen über mehrere Tausend Kämpfer. Die Islamisten halten, wohl auch unterstützt von der Türkei, Idlib gegen das Assad-Regime.
"Kern-Al Qaida" setzte sich in paschtunischen Stammesgebieten fest
Die Zentrale von Al Qaida befindet sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Nach dem Einmarsch der Amerikaner und ihrer Verbündeten 2001 in Afghanistan konnte sich „Kern-Al-Qaida“, wie die Sicherheitsbehörden den Urtyp der Terrororganisation nennen, in paschtunischen Stammesgebieten festsetzen. Hier wird auch der Anführer von Al Qaida vermutet, der Ägypter Aiman as Sawahiri. Sicherheitskreise sagen, er könne Anschläge „inspirieren“, wie die gegen westliche Soldaten in Mali. Größere Angriffe, in Europa oder den USA, würden von Sawahiri sogar in Auftrag gegeben. Al Qaida ist berüchtigt für eine langfristige Planung – wie beim Angriff von 9/11 mit entführten Flugzeugen.
Die Terrororganisation muss sich indes auch der globalen Konkurrenz durch den IS erwehren. Das gilt vor allem für Afrika und könnte auch ein Grund für den Angriff auf die Bundeswehr gewesen sein. Jeder "Erfolg" beschert einer Terrorgruppe Zulauf und weitere Spendengelder reicher Gönner. Und Al Qaida steht womöglich vor einem strategischen Erfolg.
In Afghanistan haben die Taliban, die trotz anderslautender Behauptungen weiter zu Al Qaida halten, seit Anfang Mai mehr als 80 Distrikte erobert. Die Zahl der beherrschten Regionen hat sich mit 157 fast verdoppelt. Das ist über ein Drittel der Bezirke. Sicherheitskreise prophezeien, die Taliban würden im nächsten Jahr das Land übernehmen. Ein Experte sagt: „Dann sehen wir auch Al Qaida in Kabul.“