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Annalena Baerbock, grüne Kanzlerkandidatin, hat in den Umfragen zuletzt etwas verloren.
© Ronny Hartmann / AFP

Grünen-Zahlungen an Kanzlerkandidatin: Wie Baerbock ihr Versäumnis mit zwei neuen Fehlern verteidigt

Sie habe es „nicht auf dem Schirm“ gehabt, die Einkünfte zu melden, sagt die Politikerin. Warum nicht? Weil sie Volk und Partei verwechselt. Ein Kommentar.

Wie Bundestagsabgeordnete auf der offiziellen Webseite des Parlaments ihre Biografien präsentieren, unterliegt erkennbar individueller Prägung. Da ist der Abgeordnete und Minister A. etwa genauso „Jurist“ wie der Abgeordnete A.; mit dem wesentlichen Unterschied, dass der eine zum Richteramt befähigt ist und der andere, dem dafür eines der beiden nötigen Staatsexamen fehlt, eben nicht.

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Dass die Abgeordnete und grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf diesem Forum als „Völkerrechtlerin“ erscheint, ganz ohne „Juristin“ zu sein, mag man ihr also nachsehen; ihr Mitparteichef Robert Habeck könnte sich, wenn es im Herbst klappt mit seiner Mandatsambition, mit ungleich größerer Berechtigung als „Philosoph“ bezeichnen. Man ist gespannt.

[Lesen Sie hier den Tagesspiegel-Plus-Artikel: Das Netzwerk hinter Annalena Baerbock :Von der Aufpasserin bis zum Strippenzieher – das ist die grüne Machtmaschine (T+)]

Anders ist es auf der Webseite mit der Meldung von Nebeneinkünften. Die ist strikt geregelt. Dass Baerbocks Versäumnis, diese bei der Bundestagsverwaltung anzumelden, sie „tierisch ärgert“, ist verständlich. Kritikwürdiger erscheint indes, wie sie dies jetzt in Talkshows und Interviews verteidigt hat: Sie habe es „nicht auf dem Schirm“ gehabt, dass sie Zahlungen ihrer eigenen Partei habe angeben müssen; es seien schließlich „keine Einnahmen von Dritten“ gewesen, wie bei anderen Abgeordneten. Ergänze: Die dann schnell unter Lobbyismusverdacht geraten können, siehe Maskengeschäfte der Unions-MdB, während ich, Annalena Baerbock, nur für meine Partei und sonst niemanden im Bundestag sitze.

Hier kommt der Völkerrechtlerin das Verfassungsrecht in die Quere. Artikel 38 Grundgesetz bestimmt, dass Abgeordnete „Vertreter des ganzen Volkes“ sind, aber gerade nicht Vertreter einer Partei. Entsprechend handelt es sich bei den Sonderzahlungen für ihre Parteidienste als Vorsitzende durchaus um „Einnahmen von Dritten“. Und genau deshalb sind sie als Nebeneinkünfte neben dem Mandat anzeigepflichtig. Die Politikerin hat Volk mit Partei verwechselt. Es sieht nicht so aus, als ob sie das „tierisch ärgert“.

[Lesen Sie hier den Tagesspiegel-Plus-Artikel: Nacktbilder, Beleidigungen und Fakes: Der Hass im Netz gegen Baerbock eskaliert (T+)]

Misslich verhält es sich auch mit einem anderen Satz aus der Talkshow, als der Kandidatin vorgehalten wird, dass sie nicht von sich aus ihren Fehler eingestand, sondern erst „Bild“ damit kommen musste. „Ich habe das selber gemeldet und auch selbst transparent, öffentlich gemacht“, sagte Baerbock wörtlich. Aber so stimmt es nicht, und sie hat es zuvor selbst geschildert: Die Bundestagsverwaltung aktualisiert die Angaben zu Nebeneinkünften auf der Webseite. Frau Baerbock hat nichts „selbst öffentlich gemacht“. Im Gegenteil. Sie hat, trotz Twitter-Account, MdB-Büro und Grünen-Pressestelle dazu nichts von sich aus mitgeteilt. Es bleibt der schlechte Eindruck, sie habe gehofft, es merke keiner. Auf Anfrage wollte Baerbock sich nicht dazu äußern.

Nicht so toll für die Kandidatin. Noch-Kanzlerin Merkel, Diplomphysikerin, wird zuweilen „Physikerin der Macht“ genannt. Baerbock wäre dann die „Völkerrechtlerin der Macht“. Ein „Philosoph der Macht“ kommt auch noch dran.

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