Energiewende: Wie Abgeordnete ganz eigene Interessen verfolgen
Bei der Energiewende sind Abgeordnete im Wirtschaftsausschuss nicht nur Ziel verschiedener Lobbys. Neben Idealisten sitzen dort auch Profiteure.
Wer die Debatten um die Kürzung der Solarförderung in den Jahren 2009 bis 2012 miterlebt hat, hat eine Vorstellung davon, was dem aktuellen Energieminister und Reformer des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) Sigmar Gabriel (SPD) gerade bevorsteht, wenn er sich nicht mit dem Fall Edathy befassen muss. Die Lobbys haben sich gesammelt, und jede ist seit Wochen im Vordergrund und im Hintergrund unterwegs, um ihre spezifischen Interessen zu vertreten. Nach der ersten Welle der Besuche im Wirtschaftsministerium oder bei anderen Lobbyisten – Bündnisse helfen –, sind nun die Bundestagsabgeordneten dran. Denn diese werden die Novelle des EEG spätestens kurz vor Ostern zum ersten Mal beraten. Viele Abgeordnete dürften sich in den kommenden Wochen über Besuche von Interessenvertretern wundern, von deren Existenz sie zuvor womöglich gar nichts wussten.
Von besonderer Bedeutung ist dabei der zuständige Wirtschafts- und Energieausschuss. Was ist dran an der Einschätzung eines Insiders aus dem Bundestag, der vor einigen Tagen im Tagesspiegel die Einschätzung äußerte, das halbe Parlament dürfe eigentlich gar nicht über das EEG abstimmen, weil es so viele Interessenkonflikte gebe?
Abgeordnete müssen private Solaranlage nicht angeben
Das ist derzeit gar nicht so leicht herauszufinden. Denn die private Solaranlage auf dem Dach gehört nicht zu den den Angaben, die ein Abgeordneter öffentlich machen muss. Auch eine Investition in einen Windpark, eine Solaranlage oder eine Biogasanlage, die jährlich nicht mehr als 10 000 Euro Einnahmen, und nicht etwa Umsatz, erzielt, muss nicht offengelegt werden. Und selbst jene Angaben, die offenzulegen sind, sind zurzeit noch nicht zu haben, weil das Parlament erst im vergangenen Herbst neu gewählt wurde. Für viele neue Bundestagsabgeordnete gibt es noch keine öffentlich zugänglichen Informationen über möglichen Verstrickungen im Interessengeflecht. Dennoch lassen sich einige Aussagen treffen.
Im Wirtschaftsausschuss, aber auch im Bundestag insgesamt gibt es eine erhebliche Minderheit von Überzeugungstätern. Sie wollen den Ausbau erneuerbarer Energien viel schneller sehen, sie wollen die guten Investitionsbedingungen für Wind- und Solarstrom möglichst erhalten und sehen im EEG einen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft, weil die Anlagen so vielen verschiedenen Menschen gehören.
Mehr als die Hälfte der Windräder, Solaranlagen und Biogasanlagen gehört Privatleuten oder Bauern. Und das soll nach Auffassung dieser Parlamentariergruppe auch möglichst so bleiben. Dazu gehören programmgemäß die Grünen im Ausschuss: Annalena Baerbock aus Brandenburg, Katharina Dröge, die vorher bei der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beschäftigt war, Thomas Gambke, der lange für die auch im Solargeschäft nicht unwichtige Firma Schott geforscht hat und immer noch im Beirat der Firma Lithoglas sitzt. Dieter Janecek, ein bayerischer Abgeordneter, der über den Bund Naturschutz zu den Grünen kam, und Julia Verlinden, die zuvor die Energieeffizienzthemen im Umweltbundesamt verantwortet hat, komplettieren die Grünen im Ausschuss. Zu der Gruppe gehören auch die Linke Eva Bulling-Schröter, die den BUND und Eurosolar als Vereine angibt, in denen sie Mitglied ist. Nina Scheer (SPD) gehört dazu, sie gehört dem Weltrat Erneuerbare Energien an, und Eurosolar, das ihr Vater Hermann Scheer in den 1980er Jahren gegründet hat.
Auf der anderen Seite steht die Wirtschaftslobby in CDU und CSU: Thomas Bareiß, der Beauftragte der Unionsfraktion für Energie, und Joachim Pfeiffer gehören zu den profiliertesten Köpfen in diesem Lager. Beiden geht es mit dem Ausbau erneuerbarer Energien zu schnell. Sie sorgen sich um die wirtschaftlichen Überlebenschancen der großen vier Energiekonzerne. Pfeiffer hat in den 1990er Jahren für die Energieversorgung Schwaben gearbeitet, die inzwischen zu EnBW gehört. Bareiß wiederum kommt aus dem Landkreis Sigmaringen, und dort hat der Zweckverband Oberschwäbischer Elektrizitätswerke (OEW), denen ein Teil der EnBW gehört, gemeinsam mit RWE einen Umspannanlage für die geplante Nord-Süd-Stromtrasse gebaut.
Gegen den "Zahlenfetischismus" der Europäischen Union
Beiden liegt daran, die wirtschaftliche Basis der Energiekonzerne nicht weiter erodieren zu lassen. Außerdem findet Pfeiffer, dass dem Klima mit dem „Zahlenfetischismus“ der Europäischen Union nicht gedient sei. Beim Jahresempfang des Bundesverbands Erneuerbarer Energien vor wenigen Tagen warnte Pfeiffer zum wiederholten Mal vor einer Deindustrialisierung Deutschlands und der Vernichtung von Arbeitsplätzen. Pfeiffer selbst hat allerdings 2012 seinen Aufsichtsratsposten bei Hitachi Power aufgegeben. Das Unternehmen stellt beispielsweise Gasturbinen her. Aber die Nöte der Hersteller dürfte er kaum vergessen haben. Der ehemalige Forschungsminister Heinz Riesenhuber ist ebenfalls in vielen Aufsichtsräten vertreten. Er begann seine Karriere in einem Chemieunternehmen. Jens Koeppen gehört der traditionell wirtschaftsfreundlichen Mittelstandsvereinigung der CDU an. Auf sie machen aber auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger, ein Skeptiker der Energiewende, und diverse Landespolitiker Druck. So verlangt beispielsweise die CDU-Chefin aus Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, mit Blick auf die BASF und ihre Eigenstromproduktion, dass ebendiese auch künftig von der EEG-Umlage befreit bleiben soll.
Die meisten SPD-Abgeordneten finden sich irgendwo dazwischen wieder. Diejenigen mit Beziehungen zur IG BCE dürften näher am Unions-Wirtschaftsflügel zu verorten sein, wie Ulrich Freese, der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft, oder Gabriele Katzmarek und Bernd Westphal. Dirk Becker, der Energiekoordinator auf SPD-Seite, hat mit Energie-Impuls OWL ein Netzwerk mitgegründet, in dem neben den Interessen der erneuerbaren Energien auch die der Stadtwerke bis hin zu Eon vertreten sind. Sabine Poschmann hat bei der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung gearbeitet. Und dann gibt es da noch das spezielle Interesse des Ausschussvorsitzenden Peter Ramsauer (CSU), der neben seinem Mandat ein Wasserkraftwerk betreibt: die Ramsauer Talmühle. Und die Biomasse-Lobby hat acht Abgeordnete gleich in ihren Beirat geholt, damit ihre Interessen bei der EEG-Reform nicht untergehen.
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