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Wenig Luft nach oben. Bei der Förderung der Windkraft ist die Grenze schon überschritten.
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Exklusiv

Energiewende: Industrie und Gewerkschaft loben Gabriels Reform

Die Wirtschaft verfolgt mit Spannung die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Im Kern geht es um eine Stabilisierung der Preise - vor allem auch für die Industrie.

Es geht um Leben oder Tod. Jedenfalls für Ulrich Grillo. „Die nächsten Wochen werden für das Überleben energieintensiver Grundstoffindustrien entscheidend sein“, meinte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie kürzlich in Brüssel. Der Ort für die dramatische Botschaft war gut gewählt, denn die EU-Kommission missbilligt, dass sich große Teile der Industrie nicht an der Finanzierung des in Deutschland erzeugten Ökostroms beteiligen. Ein Beihilfeverfahren läuft, für den Fall eines Verbots dieses Industrieprivilegs sieht Grillo schwarz. Und wenn es Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht schafft, die Strompreise zu stabilisieren, könnte der größte Vorteil des Standorts Deutschland flöten gehen: Mit einem Anteil von 23 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist die deutsche Industrie Spitze; 1500 Weltmarktführer haben ihren Sitz in der Bundesrepublik.

Damit das so bleibt, soll der Industriestrom nicht noch teurer werden. Und damit die Bürger und Wähler, die ja alle Stromverbraucher sind, nicht den Glauben an die Energiewende verlieren, soll die EEG-Umlage zur Förderung des grünen Stroms auch nicht weiter steigen. Darum geht es bei der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), für die Gabriel ein flottes Tempo eingeschlagen hat: Vor zwei Wochen hat die Koalition in Meseberg die Eckpunkte abgehakt, jetzt wird am Referentenentwurf getüftelt, am 9. April soll die Vorlage ins Kabinett, Lesungen im Bundestag sind für Juni geplant, im Juli müsste der Bundesrat zustimmen, damit das neue Fördergesetz im August in Kraft treten kann. Das kann indes nur funktionieren, wenn es ohne Vermittlungsausschuss klappt. Also muss Gabriel sich mit den Ländern einigen: die Windinteressen der Nordlichter berücksichtigen und Sorgen der Südländer ernst nehmen, die noch nicht wissen, wo 2022 der Strom herkommt, wenn die letzten Akw vom Netz gehen. Auch sollte der SPD-Minister die bayerischen Bauern mit ihren Biogasanlagen nicht zu stark strapazieren, sonst blockiert Horst Seehofer (CSU) die Reform.

„Respekt. Den ersten Aufschlag für eine Reform des EEG hat Minister Gabriel anspruchsvoll schnell vorgelegt“, lobt Johannes Teyssen. Der Vorstandschef von Eon fordert die beteiligten Politiker und Branchenvertreter auf, „Einzelinteressen hinter das volkswirtschaftliche Gesamtwohl zurückzustellen“. Damit meint er vor allem die Erzeuger von Erneuerbaren, die sich auf weniger Förderung einstellen müssen. Sein eigenes Unternehmen hat Teyssen im Blick, wenn er die Versorgungssicherheit anspricht. „Immer mehr Kraftwerke werden aus dem Markt gedrängt, können ihre Kosten nicht mehr verdienen“, klagt der Eon-Chef. Aber diese Kraftwerke würden „dringend gebraucht, wenn die erneuerbaren Energien wegen Windstille und Dunkelheit keinen Strom produzieren“. Und dann kommt wieder die Politik ins Spiel, denn wenn Eon, RWE und die anderen großen Erzeuger Kraftwerke als Reserve vorhalten, „muss diese Leistung angemessen vergütet werden. Dafür muss die Politik noch in dieser Legislaturperiode den Rahmen schaffen“.

Das sind keine guten Aussichten für die Verbraucher. Mit Ach und Krach schafft die Politik 2014 vielleicht eine Stabilisierung der Kosten für den grünen Strom – und muss dann womöglich 2015 eine neue Subvention für Reservekraftwerke einführen. Die wäre wohl wieder von den Verbrauchern oder Steuerzahlern zu tragen. Dafür haben sogar die Gewerkschaften Verständnis. „Hocheffiziente konventionelle Kraftwerke, die auch bei Windstille oder Dunkelheit Versorgungssicherheit garantieren, müssen wirtschaftlich abgesichert werden“, sagt Verdi-Chef Frank Bsirske, der als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von RWE mit der Branche vertraut ist.

Bsirske begrüßt Gabriel an diesem Montag zu einer energiewirtschaftlichen Tagung der Gewerkschaft. Dafür ist der Verdi-Chef nicht dabei, wenn der Wirtschaftsminister ebenfalls am Montag ein paar Spitzengewerkschafter und Vertreter der energieintensiven Branchen und Betriebe zu Gast hat, um ihnen seine Gesetzespläne zu erläutern. Die Strategie des Ministers: Er will die Erzeugung von Strom zum Eigenverbrauch auch mit der EEG-Umlage belegen und überhaupt „den Kostenbeitrag der privilegierten Unternehmen überprüfen“, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Das soll die Bedenken aus Brüssel zerstreuen und die Industrie nur mäßig belasten. Und doch: Der Eigenstrom deckt 16 Prozent des Strombedarfs der Industrie; allein die geplante Einführung der Umlage auf bestehende Anlagen würde die Industrie gut 450 Millionen Euro kosten. Das klingt eher harmlos, aber der Strom für die Betriebe ist jetzt schon doppelt so teuer wie zum Beispiel in den USA. Die Energiepreise sind zur größten Schwäche des Standorts Deutschland geworden.

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