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Joachim Gauck
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Streit um Linke-Landtagsabgeordneten: "Widerlicher Kriegshetzer" - muss Gauck sich das gefallen lassen?

Norbert Müller, Linke-Landtagsabgeordneter in Brandenburg, nannte Bundespräsident Joachim Gauck einen "widerlichen Kriegshetzer". Die SPD ist empört, Unterstützung bekommt Müller von Parteifreunden.

Es war ein kleiner Beitrag im sozialen Netzwerk Facebook, doch er hatte große Wirkung. Der Potsdamer Landtagsabgeordnete Norbert Müller (Linke) verlinkte auf seiner Facebook-Seite einen Beitrag über den Protest ostdeutscher Pfarrer gegen das Plädoyer von Bundespräsident Joachim Gauck für mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Gauck hatte vor einigen Tagen in einem Deutschlandfunk-Interview erklärt, die Bundesrepublik dürfe militärische Mittel bei der Lösung internationaler Krisen und Konflikte nicht von vornherein verwerfen. Es sei "manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen". Dazu schrieb Müller nun den Kommentar: „Mancher bleibt sich treu. Andere werden Bundespräsident und widerliche Kriegshetzer.“
Die SPD, die gemeinsam mit der Linken in Brandenburg regiert, ist empört. „Eine Schmähung des Bundespräsidenten als ,widerlicher Kriegshetzer‘ ist inakzeptabel“, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Klaus Ness über Müllers Verbalattacke. „Ein Landtagsabgeordneter muss mehr Respekt vor dem Staatsoberhaupt an den Tag legen. Die SPD-Fraktion fordert Norbert Müller auf, seine Äußerung zurückzunehmen.“

Norbert Müller
Norbert Müller (Linke) ist Landtagsabgeordneter in Brandenburg
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Linksfraktionschefin Margitta Mächtig dagegen verteidigte ihren Genossen und distanzierte sich nur halbherzig: „Die Wortwahl meines Kollegen Norbert Müller in dieser Sache ist nicht meine. Das ist aber auch die einzige Differenz, die wir haben.“ Ansonsten erklärte sie, dass sie die Auffassung von Bundespräsident Gauck zum deutschen militärischen Engagement im Ausland ausdrücklich nicht teile und empört sei: „Ich bin erschrocken von der zunehmenden Wucht, mit der Joachim Gauck seit Monaten die Heiligsprechung militärischer Mittel betreibt.“ Und dass sie froh sei über „entschiedenen Widerspruch“ ostdeutscher Pfarrer gegen Gaucks Forderung nach einer Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik, der sich damit vom Konsens des Jahres 1989 und der DDR-Friedensbewegung abkehre.

Linken-Politikerin Wissler: Bundespräsident ist kein politisches Neutrum

Ähnlich sieht das auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler. Sie sagte am Mittwoch dem Tagesspiegel mit Blick auf Müllers Facebook-Kommentar: "Der Bundespräsident ist kein politisches Neutrum. Wenn er sich so pointiert äußert, muss man ihn auch kritisieren können." Gauck bereite den Boden für Kriegseinsätze, das sei "völlig falsch" und "verantwortungslos".
Michael Schierack, CDU-Fraktionschef im Potsdamer Landtag, wies Müllers Facebook-Kommentar scharf zurück. Dessen Entgleisung und Beleidigung des Bundespräsidenten sei ohne Respekt und Anstand. Auch Mächtigs Äußerungen versetzten die Christdemokraten in Aufruhr. Die Fraktionschefin der Linke versuche ihren Fraktionskollegen Müller „ inhaltlich in Schutz zu nehmen“ und verharmlose „die Verunglimpfung als Kritik“ am Bundespräsidenten“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Ingo Senftleben. „Dieses Vorgehen ist inakzeptabel.“

Potsdamer Staatsanwaltschaft prüft, ob sie aktiv wird

Seit Dienstagnachmittag befasst sich auch die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Potsdam mit dem Fall. Es ist ein Überprüfungsvorgang und noch lange kein Ermittlungsverfahren. Artikel 90 des Strafgesetzbuches stellt die Verunglimpfung des Bundespräsidenten unter Strafe - bis zu fünf Jahre Haft sind möglich. Allerdings wird das nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten verfolgt.

Am Montag war die Initiative der Berliner Pfarrer Klaus Galley und Siegfried Menthel bekannt geworden, die Unterschriften sammeln für einen offenen Brief an Gauck. Darin heißt es: "Wir sind dankbar dafür, dass der Fall der Mauer, das Ende der DDR und die Einheit Deutschlands ohne Gewalt und ohne einen Schuss der hochgerüsteten Armeen der beteiligten Staaten stattfanden." Die Kirchen der DDR hätten sich 1989 im Abschlussdokument der Ökumenischen Versammlung für Gewaltlosigkeit ausgesprochen. Mit seinen Äußerungen verabschiede sich Gauck "aus dem Konsens von 1989" und empfehle der Bundesrepublik "als Bundespräsident eine andere Politik als die damals von uns geforderte". Der Brief soll am 30. Juni offiziell veröffentlicht werden.

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