Fall Skripal: Wer sind Alexander Petrow und Ruslan Boschirow?
Die Verdächtigen im Fall Skripal behaupten, sie seien als Touristen nach Salisbury gereist – und keine Agenten. Ihre Pässe verraten offenbar etwas anderes.
Die Suche nach den Schuldigen im Fall des vergifteten Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter entwickelt sich zunehmend zu einem absurden Schauspiel. Allein das Timing der vergangenen Tage lässt die Geschehnisse wie eine Inszenierung wirken. Anfang September hatte die britische Polizei Fahndungsfotos und Namen von zwei Verdächtigen veröffentlicht: Alexander Petrow und Ruslan Boschirow. Beide sollen Mitglieder des des russischen Militärgeheimdiensts GRU sein. Minutiös zeichneten die Ermittler den Weg der beiden zur Tat in Salisbury nach.
Dieser Darstellung widersprach Russlands Präsident Wladimir Putin am vergangenen Mittwoch. Es handele sich um „Zivilisten“, nicht um Kriminelle. „Wir wissen wer sie sind, wir haben sie gefunden“, erklärte Putin und appellierte an die gesuchten Männer, sich an die Medien zu wenden. „Ich hoffe, sie erscheinen von selbst und erzählen von sich.“
Hohn und Spott für Behauptungen
Wenige Stunden später meldeten sich die Gesuchten beim staatlichen Auslandssender RT, so berichtete es zumindest Chefredakteurin Margarita Simonjan. Nur Stunden nach Putins Aufforderung erschien ein 25 Minuten langes Interview, in dem Petrow und Boschirow ihre Interpretation der Sachlage darboten. Sie seien als Touristen nach England gereist, um „die berühmte Kathedrale von Salisbury zu besichtigen“. Zufälligerweise kurz vor dem Attentat auf Skripal. „Unsere Freunde hatten uns schon lange gedrängt, dass wir diese tolle Stadt besichtigen sollten“, sagte Petrow im Interview. Sie hätten unbedingt die „weltberühmte“ Kathedrale sehen wollen: „Sie ist für ihren 123 Meter hohen Turm und ihr Glockenspiel bekannt, das das älteste der Welt ist, das bis heute funktioniert“, sagte Petrow.
Die Ausführungen der Männer sorgte für Hohn und Spott, vor allem in Großbritannien und Russland. Zu fantastisch klingt ihre Geschichte, derzufolge sie im Winter 2500 Kilometer aus Moskau nach London reisten, um – innerhalb von knapp 55 Stunden – zwei Mal von der Metropole ins Städtchen Salisbury zu fahren. Ein Sprecher von Premierministerin Theresa May nannte die Darstellung entsprechend eine „Beleidigung der öffentlichen Intelligenz“.
Verdächtige Pässe
Petrow und Boschirow, die sich als Opfer eines unglaublichen Zufalls inszenieren, bezeichneten sich als Geschäftsleute und stritten ab, dass sie Agenten des militärischen Auslandsnachrichtendienst seien. Doch genau das bezweifeln viele Beobachter. Neue Indizien weisen darauf hin, dass es sich bei den Männern sehr wohl um Mitarbeiter des Militärdienstes handelt. Das Rechercheteam Bellingcat fand gemeinsam mit Rechercheuren der russischen Webseite „The Insider“ heraus, dass die Pässe mit denen Petrow und Boschirow nach London reisten, offenbar vom Geheimdienst als Tarnidentitäten ausgestellt wurden. Beide an die Rechercheure geleakten Pässe seien im Jahr 2009 ausgestellt worden, hieß es. Davor seien die Männer in keiner Passdatenbank zu finden, was ungewöhnlich sei. Die russische Nachrichtenseite „Fontanka“ berichte über eine weitere Auffälligkeit: Den Passnummern zufolge seien beide Dokumente fast zur gleichen Zeit ausgestellt worden sein. Zu Petrows Pass soll es außerdem einen Vermerk in der Datenbank geben: „Keine Informationen herausgeben.“
Trotz aller Hinweise und Ungereimtheiten beharrt der Kreml weiter darauf, nicht in den Anschlag auf Skripal verwickelt zu sein. „Wir halten es für inakzeptabel, die russische Führung oder den russischen Staat mit dem in Verbindung zu bringen, was in Salisbury passiert ist“, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es gehe nicht an, dem russischen Staat Lüge vorzuwerfen. Der letzte Akt im Fall Skripal lässt auf sich warten.