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Eritreische Flüchtlinge, Kinder und Frauen, warten in Jemen.
© Reuters

Asyl in Deutschland: Wer Schutz braucht, muss warten

Langes, zermürbendes Warten auf eine Asylentscheidung - das ist Alltag für Flüchtlinge in Deutschland, selbst für allein reisende Kinder. Viel Zeit geht für wenig Sinnvolles verloren.

Der Versuch Deutschlands, Flüchtlinge in die europäische Nachbarstaaten zurückzuschicken, scheitert meist: Im vergangenen Jahr sollten 35 280 Menschen in die EU-Länder zurückkehren, über die sie nach Deutschland gelangt waren. Tatsächlich gelang dies nur in 13,4 Prozent aller Fälle, obwohl die angefragten Länder bei immerhin etwa zwei Dritteln aller deutschen Anfragen bereit dazu waren. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. Nach der Dublin-Verordnung zur europäischen Asylpolitik – sie gilt auch in der Schweiz, Liechtenstein und Norwegen - ist derjenige Staat für das Asylverfahren zuständig, den die Flüchtlinge zuerst betreten. Da viele Flüchtlinge aber krank sind oder über südeuropäische Länder in die EU kamen, in denen sie kaum oder gar keine Hilfe erwarten können, urteilen Gerichte oft zu ihren Gunsten, wenn sie die Rückkehr dorthin ablehnen. Andere tauchen aus Angst unter.

 "Nicht mehr das Schicksal, sondern der Reiseweg entscheidet"

Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke kritisiert den bürokratischen Aufwand in Zeiten, da etwa der syrische Bürgerkrieg mehr Menschen in die Flucht auch nach Deutschland treibe und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Kräfte dafür brauche: Es sei „grotesk“, dass „nicht mehr Flüchtlingsschicksale, sondern Reisewege im Zentrum vieler Asylprüfungen“ stünden, sagte Jelpke dem Tagesspiegel. Auch viele Gerichtsverfahren drehten sich nur noch darum, welches EU-Land für ein Asylverfahren zuständig sei: „Das menschenrechtswidrige und ungerechte Dublin-System gehört grundlegend revidiert.“

Selbst offensichtlich Verfolgte warten im Schnitt mehr als ein Jahr

Jelpke hält auch die Dauer der Asylverfahren für „unzumutbar“, was von der Politik „zum größten Teil selbst verschuldet“ sei. Aus den Antworten der Bundesregierung auf ihre Anfrage geht hervor, dass die Verfahren etwa eritreischer Asylbewerber in den letzen drei Monaten 2013 knapp 15 Monate dauerten. Eritrea gilt als das Nordkorea Afrikas, seine Bürger unterliegen in ihrer Heimat einem zeitlich unbegrenzten Arbeitszwang, der als Militärdienst getarnt ist, und dürfen das Land nicht verlassen. Ihre „Schutzquote“, also der Anteil derer, die als anerkannte Asylbewerber oder aus anderen Gründen bleiben dürfen, lag 2013 bei 95,5 Prozent aller derjenigen, deren Anträge geprüft wurden – die höchste nach der syrischen.

Mehr Personal, wenn der Bundeshaushalt durch ist

Aber auch Flüchtlinge aus Syrien wurden selbst im ersten Vierteljahr 2014 noch knapp fünf Monate lang  geprüft – dies, obwohl sie wegen des Bürgerkriegs inzwischen alle Schutz erhalten, wenn sie es denn nach Deutschland geschafft haben. Allein eingereiste syrische Kinder und Jugendliche mussten im ersten Quartal dieses Jahres sogar im Schnitt noch etwas länger als fünf Monate warten, ihre afghanischen und pakistanischen Leidensgenossen gar 14,4 beziehungsweise 19,2 Monate, bis die Behörde entschied, ob sie bleiben durften.  Im Koalitionsvertrag von SPD und Union ist vorgesehen, dass die Bearbeitungsdauer in der Regel drei Monate nicht übersteigen soll, allerdings hat das BAMF noch nicht genügend Personal dafür. Es seien „vorerst die parlamentarischen Beratungen für den Haushalt 2014 abzuwarten“ heißt es dazu in der Antwort der Bundesregierung. 

Neues Gesetz verkürzt die Bearbeitungszeit - um zehn Minuten

Zur Frage von Asylbewerbern vom Westbalkan – viele von ihnen sind Roma - enthält die Auskunft der Bundesregierung eine Überraschung. Die kürzlich für sie auf den Weg gebrachten Verschärfungen dienen demnach nicht, so die bisherige Begründung, der schnelleren Erledigung ihrer Anträge, sondern dazu, dass sie sie gar nicht erst stellen: Dass Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina künftig als sichere Herkunftsländer gelten sollen, bringe eine „Verkürzung der Bearbeitungsdauer um 10 Minuten“ heißt es in der Antwort. Es sei aber „mit einem Rückgang der Zugangszahlen zu rechnen, der zu nicht unerheblichen Entlastungen führen dürfte“. Jelpke bezweifelt dies: „Solange sich an den Gründen zur Flucht nichts ändert, werden ausgegrenzte, entrechtete und existenziell bedrohte Roma weiter in die EU und nach Deutschland fliehen.“ Der Gesetzentwurf stärke aber antiziganistische Vorurteile, so etwa die Behauptung, asylsuchende Roma wollten allein deutsche Sozialleistungen. Dieses Vorurteil werde mit dem Gesetzentwurf "in Recht gegossen. Das ist unverantwortlich.“

Andrea Dernbach

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