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Allianz für einen Sieg der Ukraine: Die Präsidenten (von links nach rechts) Gitanas Nauseda (Litauen), Andrzej Duda (Polen), Wolodymyr Zelenskyj (Ukraine), Egils Levits (Lettland) und Alar Karis (Estland) in Kiew.
© UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/AFP

Aussitzen, Bedenken tragen, Zögern: Wer rettet die Ukraine? Deutschland nicht, aber diese Staaten

Wenn Kiew auch die zweite russische Angriffswelle stoppen kann, ist das Amerikanern, Briten, Balten und Polen zu verdanken. Deutschland zögert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Diese Offensive kam mit Ansage. Doch die Bundesregierung gibt kein gutes Bild ab. Seit Ende März war klar: Die Ukraine hat die erste russische Angriffswelle abgewehrt, Wladimir Putin bereitet einen neuen Angriff auf den Osten und Süden vor.

Drei Wochen sollten Zeit genug sein, um zu besprechen, welche Hilfe die Verteidiger für die nächste Kriegsphase benötigen – und sie rechtzeitig zu liefern. Die USA, Großbritannien, Polen, die baltischen Republiken und die Slowakei haben sich darum bemüht. Deutschland zeigt das Verhalten, für das es immer wieder Spott erntet: Aussitzen, Bedenken tragen, Zögern.

Putin setzt sich unter Zeitdruck, das verleitet zu Fehlern

Hat die deutsche Politik die Fähigkeit verloren, rasch und entschlossen zu handeln? Und auf Unerwartetes wie Kiews militärische Erfolge angemessen zu reagieren?

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Falls es der Ukraine gelingt, auch Putins zweite Angriffswelle zu stoppen, hat Europa das vor allem Amerikanern, Briten sowie den Balten, Polen und Slowaken als direkten Nachbarn zu verdanken. Sie suchen nun erst recht die Allianz mit den USA.

Dieses Bündnis hat die Ukrainer rechtzeitig ausgerüstet und trainiert. Den Verteidigern kommen zwei weitere Faktoren zugute. Die Angreifer sind zwar zahlenmäßig überlegen, aber nicht im Verhältnis drei zu eins, das nach einer Faustformel für raumgreifende Offensiven nötig wäre.

Zudem hat sich Putin unter Zeitdruck gesetzt. Das kann zu Fehlern verleiten. Zum 9. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes 1945, will er einen „Sieg“ auf dem Roten Platz feiern.

Der Ukraine helfen, Gebiete zurückzuerobern

Er hat die Attacke befohlen, ehe sein Militär die Vorbereitungen vollendet hat. Für die Ukraine wäre es bereits ein Erfolg, falls sie die aktuellen Linien in etwa hält.

Lebt in einer Welt aus künstlichen Bildern: der russische Präsident Wladimir Putin.
Lebt in einer Welt aus künstlichen Bildern: der russische Präsident Wladimir Putin.
© Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kremlin via REUTERS

Noch günstiger wäre es, wenn sie besetzte Gebiete zurückerobert. Damit verbessern sich ihre Aussichten bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe, die irgendwann folgen. Deshalb braucht die Ukraine alle Waffenhilfe, die sie bekommen kann. Auch aus Deutschland. Gewiss kann Putins Propaganda der russischen Gesellschaft erfundene Siege vorlügen. Doch mit der Zeit sprechen sich die Toten, Vermissten und Verwundeten herum, die es in immer mehr Familien gibt.

Habeck und Baerbock wirken wie die Energieträger der Ampel

Die Ampel-Koalitionäre tun sich aus drei Gründen schwer: Fehler der Vergangenheit, Mangelwirtschaft, Angst vor internem Streit. Bis kurz vor Kriegsbeginn haben sie die Gefahr ignoriert. Putins Aufmarsch war im Wahlkampf kein Thema.

Das, was die Ukraine am dringendsten braucht – schwere Waffen –, kann Berlin kaum liefern. Auch das ist Folge jahrelanger Versäumnisse. Von den drei Regierungsparteien haben die Grünen am ehesten verstanden, was nötig wäre. Ihre Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock wirken wie Energiepakete der Ampel, sie treiben zum Handeln an. Fraglich ist allerdings, wie weit die Basis mitgeht.

Bei der FDP ist es umgekehrt: Der Druck kommt aus der Fraktion, die Spitze um Christian Lindner zögert.

In der SPD bremsen die Oberen wie die Unteren

In der SPD bremsen die Oberen wie die Unteren: Kanzler Scholz, Fraktionschef Mützenich und viele entspannungsbewegte Russland-Missversteher. Aus der Opposition ist freilich auch wenig Wegweisendes zu hören. Für Kiew ist die Farbe der Hoffnung in Berlin am ehesten noch Grün.
Die Ampel muss rasch vom Zögern ins Handeln kommen. Vieles bleibt zwar ungewiss – wie der Krieg weitergeht und wie lange er dauert. Eines aber ist ziemlich sicher: Ein Russland, mit dem man in einem verlässlichen Frieden leben kann, wird es auf absehbare Zeit nicht geben.

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