Der DOSB fordert die Bundesregierung: Wer rettet Deutschlands marode Sportanlagen?
Die Sanierung von Hallen und Plätzen sind das wichtigste Thema des deutschen Sports. Doch den Kommunen fehlt das Geld. Dann muss eben der Bund einspringen, fordert der DOSB.
Am Ende kann im Sport alles daran hängen, ob der Ball im Tor oder am Pfosten landet. Am Anfang hängt es jedoch oft daran, ob die Sporthalle in Ordnung ist und saubere Toiletten hat. Sportstätten sind das an der Spitze unauffälligste, aber in der Breite wichtigste Thema des Sports. Das vielleicht lauteste Gegenargument gegen eine deutsche Olympiabewerbung war beispielsweise auch: Warum für eine zweieinhalbwöchige Spitzensportsause Milliarden ausgeben, wenn die Turnhalle um die Ecke nicht mehr zu gebrauchen ist?
Doch die meisten der 230 000 Sportplätze, -hallen und anderen -anlagen in Deutschland gehören den Kommunen, und den Kommunen fehlt das Geld für Sanierung oder Neubau. Sie sind mit ihren Aufgaben überfordert. Dementsprechend ist der Zustand. Im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wurde sogar mal laut darüber nachgedacht, einen Wettbewerb um die marodeste Sportanlage Deutschlands auszuschreiben. Das hätte aber wohl doch zu viele potenzielle Mitglieder abgeschreckt.
"Deutschland fährt Sportstätten auf Verschleiß"
Dafür wird der Dachverband des deutschen Sports jetzt gegenüber der Politik laut. „Wir haben zu lange von der Substanz gelebt, zu wenig saniert und neu gebaut. Deutschland fährt seine Sportstätten auf Verschleiß“, klagt Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des DOSB. „Der milliardenschwere Sanierungsstau ist mittlerweile ein zentraler Engpass der Sportentwicklung.“
Vor der Bundestagswahl erhebt der DOSB daher jetzt eine konkrete Forderung an die Parteien: „Wir halten es für unverzichtbar, dass der Bund ein mehrjähriges Bundesprogramm zur Förderung der Sportinfrastruktur einschließlich von Schwimmbädern auflegt“, sagt Vesper. Und in Zahlen ausgedrückt fordert der Dachverband zwei Milliarden Euro in der Legislatur, also 500 Millionen Euro pro Jahr.
Die Forderung: zwei Milliarden in vier Jahren
Wie der DOSB auf diese Summe kommt? Als das Bundesbauministerium ein Investitionsprogramm zur Sanierung kommunaler Infrastruktur für Sport, Jugend und Kultur auflegte, gingen 1000 Anträge mit einem Antragsvolumen von zwei Milliarden Euro und einem Investitionsvolumen von drei Milliarden Euro ein. Das Ministerium bewilligte 56 Anträge für insgesamt 140 Millionen, davon etwa die Hälfte für den Sport. Für 2017 wurden noch einmal 100 Millionen Euro nachgelegt. Die zwei Milliarden hat der DOSB nun einfach durch die vier Jahre der Legislatur geteilt, schließlich waren längst nicht alle sanierungsbedürftigen Anlagen erfasst worden, sondern vor allem mittlere und größere Projekte. Und Sportvereine waren nicht antragsberechtigt. Dabei gehören inzwischen rund 30 Prozent der Sportanlagen Vereinen.
Was aus einem Vorstoß Schleswig-Holsteins im Bundesrat wurde
Woher das Geld für die Sanierung kommen soll, darüber gibt es gerade eine sehr grundsätzliche politische Debatte. Bei der Sportministerkonferenz im vergangenen November in Dortmund kündigte der schleswig-holsteinische Innenminister Stefan Studt (SPD) eine Bundesratsinitiative zur Sanierung von Sportstätten durch den Bund an. Denn Länder und Kommunen könnten diese Aufgabe alleine nicht mehr bewältigen. Das Thema könnte auch in den Koalitionsvertrag nach der Bundestagswahl kommen, sagte Studt. Und durch die geplante finanzielle Unterstützung von Schulsanierungen durch den Bund habe sich die Tür auch schon etwas geöffnet.
Die Zuständigkeiten waren bisher klar. Das Bundesinnenministerium (BMI) konzentriert sich auf den Spitzensport, finanziert Bundestrainer und Reisekosten zu Olympischen Spielen. Für die Basisarbeit sind Länder und Kommunen zuständig. Dass Eltern ihre talentierten Kinder erst gar nicht zum Sport schicken, wenn die Sporthalle marode ist, spielt für das BMI als Argument bislang keine Rolle. Und bei der Sportministerkonferenz sagte der Parlamentarische Staatssekretär des BMI, Ole Schröder (CDU), mit Verweis auf die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten, dass jeder aufgefordert sei, das Seine zu tun. Wenn es nicht gerade um Einrichtungen für den Spitzensport gehe, seien Sportstätten eben Ländersache.
Das Duell Planungsstau gegen Sanierungsstau
Der Vorstoß von Schleswig-Holstein für ein Bundesprogramm „Sportinfrastrukturförderung in Deutschland“ ist – wohl auch aus diesem Grund – im Bundesrat zunächst einmal ins Stocken geraten. Zwar empfahl der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Bundesrat solle die Entschließung unterstützen. Dem schloss sich dann der Ausschuss für Kulturfragen an. Mit diesem Ziel: „eine effektive, gesamtstaatliche Lösung der Sanierungs- und Modernisierungsprobleme durch eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen“. Aber die Finanzminister der Länder machten mehrheitlich nicht mit. Der Antrag der rot-grünen Regierung in Kiel wurde deshalb am 10. März von der Tagesordnung genommen – ein klares Zeichen dafür, dass eine Mehrheit nicht in Sicht ist.
Der Bund hatte zuletzt zwei große Investitionsprogramme für Kommunen aufgelegt, jeweils im Umfang von 3,5 Milliarden Euro. Die Mittel, so hat das Bundesfinanzministerium mehrfach beklagt, flössen jedoch nicht in der gewünschten Geschwindigkeit – was kein Wunder ist, denn Infrastrukturinvestitionen haben einen längeren Vorlauf für Planung und Ausschreibung. Hopplahopp geht da in aller Regel wenig.
Ein zusätzliches milliardenschweres Investitionsprogramm könnte bedeuten, dass sich der Planungsstau in den Ländern und Kommunen verdichtet. Zudem gibt es bei den Haushaltspolitikern der Koalition im Bundestag, vor allem bei der Union, grundsätzliche Bedenken dagegen, dass der Bund sich mit immer neuen Programmen an der Finanzierung von Landes- und Kommunalaufgaben beteiligt. Das wird in einigen Landesregierungen auch so gesehen.
Geschätzter Sanierungsstau: 42 Milliarden Euro
Die kommunalen Spitzenverbände sind dagegen offener für weitere Geldspritzen aus Berlin. „Alles, was in der Hinsicht passiert, ist zu begrüßen“, sagt Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Er beziffert den gesamten Investitionsstau bei Sportstätten und Bädern auf 11,2 Milliarden Euro.
Es gibt sogar noch höhere Berechnungen. Der DOSB bezifferte den Sanierungsstau vor einigen Jahren auf 42 Milliarden Euro, und das Deutsche Institut für Urbanistik kam 2008 auf einen Investitionsbedarf von rund 35 Milliarden Euro, hatte dabei aber die vereinseigenen Sportstätten nicht miteinbezogen. Eine aktuellere Statistik gibt es derzeit nicht. Sie werde von den Ländern abgelehnt, beklagt der DOSB, und die Zahl elf Milliarden Euro sei nicht ausreichend belegt. All die Skepsis und Ablehnung der Bundesländer gegen neue Investitionsprogramme für den Sport kann man im Protokoll der jüngsten Sportreferentenkonferenz der Länder vom 16. und 17. März nachlesen: Von "Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht" ist da die Rede, von "Bedenken wegen der auf die Länder zukommenden Finanzbelastung", und dann findet sich noch der schöne Satz: "Im Übrigen hätten manche Länder nicht positiv festgestellt wissen wollen, dass bei den kommunalen Sportstätten derzeit ein solcher Sanierungsstau bestehe."
Der drittgrößte Posten beim Nachholbedarf
Auf jeden Fall bilden die Sportstätten hinter den innerörtlichen Verkehrswegen und den Schulbauten den drittgrößten Posten beim Nachholbedarf. Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund sagt jedoch auch, man müsse bei einem eventuellen Bundesprogramm genau hinschauen, dass das Geld auch dort ankomme, wo es gebraucht werde.
Es macht die Angelegenheit auf jeden Fall noch komplizierter, dass sich knapp ein Drittel der Sportanlagen in Deutschland im Besitz von Vereinen befinden. „Vereine müssen anders als in den Vorläuferprogrammen antragsberechtigt werden“, fordert Michael Vesper. Der DOSB bietet sich dabei selbst als Projektmanager an, um das Geld zu verteilen und gerade auch für kleinere, aber wichtige Maßnahmen einzusetzen.
Die Sanierungsnot macht aber offenbar auch erfinderisch. Manche Vereine haben ihre Sportstätte schon mit Mitteln des Denkmalschutzes sanieren lassen, weil ihre Halle sich in einem alten Industriedenkmal befindet.