Cyberangriff auf Irans Atomanlage?: Wer hinter dem Blackout in Natans stecken könnte
Eine Explosion legt die iranische Nuklearanlage möglicherweise für mehrere Monate lahm. Die Attacke könnte die Wiener Verhandlungen beeinflussen.
Wie eine Handvoll schnöder Lagerhallen wirkt Irans Nuklearanlage in Natans. Fotos zeigen weiße Gebäude mit flachem Dach in einer spärlich bewachsenen Einöde. Das Herz der Anlage liegt unter der Erde, verborgen vor Blicken, geschützt vor Angriffen.
Das dürfte der Plan der Architekten gewesen sein. Aufgegangen ist er nicht: Am Sonntag wurde die Anlage von einer Explosion erschüttert, die ihre Stromversorgung lahmlegte und dem iranischen Atomprogramm einen empfindlichen Schlag zugefügt haben könnte.
Wie oft in solchen Fällen bleibt vieles im Ungefähren, Eingeweihte äußern sich nur anonym. Fest steht wohl, dass es in Natans eine Attacke gab – nur einen Tag, nachdem Irans Präsident Hassan Ruhani dort neue Zentrifugen zur Urananreicherung eingeweiht hatte.
„Nuklearer Terrorismus“
Niemand sei verletzt worden, meldeten iranische Medien, es habe keine Kontamination gegeben. Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, beschrieb den Vorfall als „nuklearen Terrorismus“.
Wie üblich bei Angriffen auf Irans Atomanlagen gilt Israels Auslandsgeheimdienst Mossad als Hauptverdächtiger. Dass Irans Außenminister Javad Zarif die „Zionisten“ für schuldig erklärte und ihnen „Rache“ androhte, gehört zur Routine.
Bemerkenswert ist, dass israelische Medien Geheimdienstler zitierten, die dem Mossad die Verantwortung zuschrieben. Bei ähnlichen Fällen hatte Israels Militärzensor, der bei sensiblen Fragen nationaler Sicherheit zum Einsatz kommt, einheimischen Medien die direkte Berichterstattung untersagt. Israelischen Journalisten blieb nichts anderes übrig, als ausländische Medien zu zitieren.
Auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spielte am Sonntag offenbar auf den Angriff an. „Der Kampf gegen Iran und seine Stellvertreter und gegen Irans Rüstungsbemühungen ist eine gewaltige Mission“, sagte er wenige Stunden nach dem Vorfall. „Die Lage, wie sie heute ist, kann morgen schon anders sein.“
Offenbar massive Explosion
Zunächst gingen manche Beobachter von einer Cyberattacke aus. Der Schaden scheint dafür jedoch zu groß zu sein. Zwei anonyme Geheimdienstler schilderten der New York Times eine massive Explosion, die das interne Stromversorgungssystem der Anlage gänzlich zerstört habe. Der Ausfall des Systems, das die Zentrifugen versorgt, beeinträchtige Irans Fähigkeit zur Nuklearanreichung erheblich, die Reparaturen könnten neun Monate dauern.
Auch die israelische Iran-Expertin Sima Shine glaubt nicht an einen Cyberangriff. „Die Attacke müsste tiefer und gründlicher zu sein, um einen solch großen Schaden zu verursachen“, sagt Shine, die das Iran-Programm am Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv leitet und eine Karriere im Mossad hinter sich hat.
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Am Montag meldeten iranische Medien, die Person, die den Stromausfall verursacht habe, sei identifiziert worden. Weitere Angaben gab es zunächst nicht.
Israel warnt vor Neubelebung des Atomabkommens
Derzeit verhandeln iranische Abgesandte in Wien mit Vertretern der EU, Chinas und Russlands über eine Wiederbelebung des 2015 geschlossenen Abkommens zur Eindämmung des iranischen Atomprogramms. Auch Vertreter der USA sind dabei. Washington war unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump 2018 aus dem Abkommen ausgestiegen.
Nachfolger Joe Biden zeigt sich jedoch an einer Neuauflage interessiert. Die Iraner wiederum haben die Richtlinien des Deals mehrfach überschritten.
Israels Regierung warnt vor einer Neubelebung des Abkommens. Im Vorfeld der Einigung 2015 hatte Netanjahu einen robusten, wenngleich erfolglosen Kampf dagegen geführt. Er hält den Deal für gefährlich, weil er Irans Atomprogramm nicht ausreichend einschränke und dem Land durch die Aufhebung der Sanktionen neue Gelder für sein regionales Expansionsstreben zukommen lasse.
Manche Beobachter vermuten, die Attacke auf Natans könnte Irans Regierung zu Zugeständnissen bewegen. Sima Shine rechnet nicht damit. „Ich beobachte Iran seit vielen Jahren“, sagt sie. „Je mehr Druck man auf die Iraner ausübt, desto weniger kompromissbereit sind sie.“