Wahl in Schleswig-Holstein: Wer findet sich im Norden jetzt mit wem zusammen?
Die CDU schiebt sich im Kieler Landtag klar vor die SPD. Doch die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Die Ergebnisse und ein erster Ausblick.
Die CDU ist am Sonntag bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein mit einem überraschend deutlichen Vorsprung vor der SPD stärkste Partei geworden und wird wohl den künftigen Ministerpräsidenten stellen. Laut ZDF-Hochrechnung kam die Union mit ihrem Spitzenkandidaten Daniel Günther auf 32,9 Prozent der Stimmen, etwa zwei Punkte mehr als vor fünf Jahren. Die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Torsten Albig rutschten dagegen deutlich ab und landeten bei 26,7 Prozent. Der Einsatz von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, brachte nicht den Schub, den die Partei sich erhofft hatte.
Die Grünen konnten sich mit12,9 Prozent gut behaupten, die FDP holte mit 11,0 Prozent ein besseres Ergebnis als bei der Wahl 2012. Eher schwach schnitt mit 3,5 Prozent der linksorientierte Südschleswigsche Wählerverband(SSW) ab, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit. Da für den SSW die Fünfprozentklausel nicht gilt, wird er aber im Landtag sein. Die Linke schaffte das mit 3,6 Prozent wieder nicht. Dagegen konnte die Alternative für Deutschland (AfD) ihre Serie von Landtagserfolgen fortsetzen – mit 5,8 Prozent schnitt sie aber schwächer ab als in anderen Bundesländern. Die Piraten, die Protestpartei von 2012 (damals schaffte sie im Norden 8,2 Prozent) landete abgeschlagen bei 1,4 Prozent. Die Sitzverteilung nach der Hochrechnung: CDU 24, SPD 20, Grüne 10, FDP 8, AfD 4, SSW 3.
Mit dem Ergebnis vom Sonntag ist eines klar: Die Koalition von SPD, Grünen und SSW ist nicht mehr möglich. Neben einer CDU-geführten großen Koalition – sie hätte nach derzeitigem Stand 44 der 69 Sitze im Landtag - gibt es in jedem Fall zwei weitere Optionen: ein Bündnis von CDU, Grünen und FDP (42 Sitze) oder eines von SPD, Grünen und FDP (38 Sitze). Schwarz-Grün und Schwarz-Gelb sind nicht möglich. Doch was ist realistisch? Sicher ist, dass die Regierungsbildung in Kiel stark von Überlegungen der kleineren Parteien mit Blick auf die Bundestagswahl im September geprägt sein wird. Wollen die Grünen jetzt in eine Regierung mit der CDU? Kann sich die FDP ein Regieren mit SPD und Grünen vorstellen?
CDU und SPD haben nie harmoniert
Keine einfachen Konstellationen also. Dazu kommt mit Blick auf Schwarz-Rot, dass die große Koalition, die bis 2009 unter Peter Harry Carstensen regiert hat, nicht die harmonischste gewesen ist. Im Land zwischen den Küsten lagen Christdemokraten und Sozialdemokraten traditionell weiter auseinander als in anderen Bundesländern – ein Phänomen, das sich nach der Barschel-Affäre Ende der 80er-Jahre verstärkt hat. Die Nord-CDU ist ein eher rechter Landesverband, die Nord-SPD wird nicht zufällig vom Parteilinken Ralf Stegner geführt.
Und die SPD ist am Sonntag hart getroffen worden. Das Ergebnis der Sozialdemokraten ist das bisher zweitschlechteste im Land – nur 1950 war der Stimmenanteil geringer. Eine Rolle könnte spielen, dass die Partei seit 1988 (mit Ausnahme des schwarz-gelben Intermezzos von 2009 bis 2012) an der Regierung beteiligt ist, meist als stärkste Kraft. Ein gewisser Abnutzungseffekt ist nicht zu übersehen. Vor allem aber spielt eine Rolle, dass der 53-jährige Albig seinen Amtsbonus als Ministerpräsident nicht hat einsetzen können - wie zuletzt etwa Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Saarland oder im vorigen Jahr der Grüne Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Beide zogen mit hohen Zustimmungswerten ihre Parteien mit – Albig ist das nicht gelungen. Bei Landtagswahlen ist der Ministerpräsident ein zentraler Faktor; in Schleswig-Holstein war er am Sonntag zweifellos ein Schwachpunkt der SPD. Im letzten Politbarometer vor der Wahl wollten Albig nur noch 43 Prozent der Befragten weiter im Amt des Ministerpräsidenten sehen – zu wenig für ein gutes Ergebnis auch der Partei.
Daniel Günther, das neue Gesicht
Dagegen kam Albigs Herausforderer Günther von der CDU auf 37 Prozent Zustimmung, ein recht hoher Wert für einen Oppositionspolitiker, zumal der 43-Jährige erst im vorigen Herbst zum Spitzenkandidaten aufstieg und zuvor als CDU-Fraktionschef seit 2014 wenig von sich reden gemacht hatte. Offenkundig lag einem kleinen, aber entscheidenden Teil der Wähler viel an einem neuen Gesicht an der Spitze des Landes. Ein landespolitischer Grund für den Aufschwung der CDU dürfte in der Umweltpolitik liegen – der starke Ausbau der Windkraft (Schleswig-Holstein kann seine Energie mittlerweile selber decken) hat zu Widerstand geführt, den die Union zu sich lotste. Bundespolitisch bedeutet der CDU-Sieg einen weiteren Pluspunkt für die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zuletzt in den deutschlandweiten Umfragen zugelegt hat und wieder deutlich vor den Sozialdemokraten liegt. Auch im Norden hat der „Schulz-Zug“ nicht die Fahrt bekommen, die die SPD-Wahlkampfstrategen nach dem fulminanten demoskopischen Start des SPD-Kanzlerkandidaten schon einkalkuliert hatten.
FDP gut, Grüne besser
Die Grünen haben in der dritten Schleswig-Holstein-Wahl in Folge ein zweistelliges Ergebnis erzielt – das gelang ihnen bisher nur in ihrer Hochburg Baden-Württemberg. Der Grund: das Ansehen von Umweltminister Robert Habeck – und auch bei ihnen der hohe Stellenwert der Windkraft im Wahlkampf. Wer sie befürwortet oder wirtschaftlich von ihr profitiert, setzt auf die Öko-Partei. Damit besetzen CDU und Grüne bei einem zentralen Landesthema die entgegengesetzten Pole – könnte das in einer Koalition gut gehen? Habeck sagte daher: "Es ist klar, dass es eine deutliche Präferenz für die Ampel gibt." Mit Blick auf die Bundestagswahl betonte Parteichef Cem Özdemir vor allem das gute Ergebnis: „Alle, die den Abgesang auf die Grünen gemacht haben, die müssen sich andere Geschichten einfallen lassen.“
Das zweitbeste Ergebnis der FDP im Land (nur 2009 waren es mit 14,9 Prozent mehr) gibt den Freidemokraten Auftrieb bei ihrem Versuch, im Herbst wieder in den Bundestag einzuziehen. Das gute Resultat hat ein Gesicht: In Schleswig-Holstein bestimmt seit gut 20 Jahren Fraktionschef Wolfgang Kubicki das Bild der FDP, die allerdings die meiste Zeit in der Opposition saß. Wohin der wendige Kubicki seine Partei nun steuert, wird sich zeigen. Am Sonntagabend sagte er: "Eine Regierung unter der Führung von Torsten Albig kann ich mir schwer vorstellen." Wer vier Prozent verliere und so selbstgefällig auftrete wie Albig könne nicht erwarten, dass man ihn im Amt halte. Eine Ampel-Koalition halte er daher für unwahrscheinlich, sagte Kubicki. Er wartet jetzt auf einen Anruf von Günther. Der sagte: „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die FDP als Wunsch-Koalitionspartner habe, aber immer auch für Gespräche mit den Grünen zur Verfügung stehe, und an der Prioritätensetzung hat sich auch heute nichts geändert.“
AfD schwach, Linke schwächer
Die Parteien an den Rändern schnitten relativ schwach ab - ein Signal für den Herbst, dass die Wähler von Protest und Regierungsverweigerung derzeit weniger wissen wollen? Die Linke setzte ihre Serie von Misserfolgen im Westen fort. Neben den Stadtstaaten hat sie derzeit nur Abgeordnete in Hessen und im Saarland – und dort vor allem wegen der Popularität von Oskar Lafontaine. Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch setzt dennoch auf ein zweistelliges Ergebnis im Herbst – nach dem Dämpfer vom Sonntag eine optimistische Aussage.
Der Einzug der AfD in den Landtag war keineswegs glorreich, die Zeiten der hohen Ergebnisse für die Rechtspopulisten könnten vorbei sein. Allerdings war die Partei in den Umfragen im Norden stets schwächer als in anderen West-Ländern und als im Osten zumal. Nun sitzt die AfD in zwölf Landtagen. Bundesvorstandsmitglied Beatrix von Storch betonte die gesamtdeutsche Erfolgslinie: „Die AfD ist die einzige Partei, die in Ost- und Westdeutschland reüssiert.“