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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (rechts, SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU)
© dpa/Soeren Stache

Wahlkampf in Berlin ist eröffnet: Wer bietet mehr für die Wählerstimmen?

Schulen, Fahrstühle, ein Schießstand und eine "Jubiläumszuwendung": Der Wähler und die Wählerin sollen in den Wahlversprechen was Feines für sich finden. Die Stadt aber braucht mehr. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Meine Damen und Herren, die Auktion ist eröffnet – wer bietet mehr für die Stimmen dieser leicht verunsicherten Wählerinnen und Wähler? Die SPD hat am Wochenende vorgelegt: Fünf Millionen für den Bau von 25 neuen Bahnhofsaufzügen, sechs Millionen statt nur einer für die Sanierung von Turnhallen, noch mal 20 Millionen für die Kitas, 70 Millionen zusätzlich für die Schulen … Na, das ist doch ein Wort – was hören wir von der CDU? Na, wenn schon Geld für Bildungsbauten da ist, dann soll auch die Polizei einen neuen Schießstand bekommen. Ja, liebe Leute, so geht Politik – und für die Beamtinnen und Beamten gibt’s am kommenden Dienstag noch ein Unions-Leckerli dazu: Sie erhalten wieder eine „Jubiläumszuwendung“, 350 Euro zum 25., 450 Euro zum 40. und 550 Euro zum 50., die Pressemitteilung ist schon fertig – da geht doch noch was!

Natürlich ist das nicht das ganze Bild, und etwas unfair ist es auch: Man kann nicht den Stillstand in der Koalition beklagen und dann alle Beschlüsse unter den Generalverdacht des Wahlkampfaktionismus stellen. Im Gegenteil: Es wäre, angesichts der turbulenten Dynamik, die Berlin erfasst hat, ein politisches Versagen der schlimmeren Art, packten die Koalitionäre ihre Vorhaben auf Wiedervorlage mit Datum 19. September, dem Tag nach der Wahl. Es ist zudem völlig unstrittig, dass dringend investiert werden muss in die wachsende, aber nach den Jahren des bitteren Kürzens auch vielerorts marode Stadt.

Das Sparen hat sich gelohnt - man ist jetzt etwas schlauer

Der Senat und die ihn jeweils tragenden Parteien haben das Eigentum des Landes in den vergangenen Jahren verkommen lassen, teils aus Not, teils aus politischer Kurzsichtigkeit, aber immer mit dem Ziel, neue Handlungfähigkeit zu erreichen durch einen sanierten Haushalt. Das ist gelungen – auch wenn Berlin weit entfernt davon ist, beim Länderfinanzausgleich etwas zurückzugeben. Und es zeigt sich jetzt auch, dass die Sanierungskosten, die heute fällig werden, die über die Jahre gesparten Unterhaltungskosten weit übersteigen – durch die billigere Bespaßungspolitik wurden sie nicht kompensiert.

Aber was ist wirklich wichtig - und was nicht so?

Im Kern der Auseinandersetzung über die Regierungspolitik steht also nicht, ob gehandelt und investiert wird, sondern wie es geschieht – und welche Substanz die Vorschläge der Koalitionsparteien und -fraktionen haben. Da bröselt dann leider die rasch aufgetragene Schminke und offenbart ein eher ratloses Gesicht: Was sind denn nun die Prioritäten und die Posteritäten? Da, wo alles gleich wichtig erscheint und jeder vom Überschuss etwas abbekommt, ist am Ende nichts mehr wichtig. Die Gebührenfreiheit nicht nur für die Krippe, sondern jetzt auch für den Hort, von der SPD-Fraktion jetzt beschlossen, zeigt das exemplarisch: Das ist keine Investition in Bildung, sondern das Gegenteil davon: Gut und besser verdienende Eltern werden um mehr als 60 Millionen Euro entlastet – das Geld wäre besser investiert in die Qualität der Angebote.

Wahlgeschenke aus der Wiedervorlage

Bei näherem Hinsehen zeigt sich auch, dass den Leuten dieselbe Möhre gleich mehrfach verkauft werden soll. Längst beschlossen ist, dass alle U-Bahnstationen einen Aufzug bekommen sollen, und zwar bis zum Jahr 2020 – aber noch immer hat jede dritte Station keinen Lift. Der Einbau eines Aufzugs kostet laut BVG mindestens eine Million. Aber die SPD feiert sich dafür, dass sie jetzt pro Stück 200 000 Euro bereitstellen will. Und wie oft noch möchte die CDU für die Großtat belobigt werden, den Beamten ihre paar Jubiläums-Euro zurückzugeben? Daraus hat sie doch schon vor einem halben Jahr ein großes Ding gemacht.

Gemessen am Koalitionsvertrag von 2011 hat der Senat die Legislaturperiode weitgehend vertrödelt, das lässt sich nicht wettmachen durch ein paar Instant-Ankündigungen, deren Vollzug längst fällig gewesen wäre. Aber die Berliner Welt ist auch eine andere geworden in den vergangenen fünf Jahren. Der Wettstreit um den besten Plan für die nächsten fünf Jahre ist offiziell eröffnet.

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