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Berlin wollten die Spiele, bekommt sie aber nicht. Doch Großveranstaltungen können ohnehin keine Idee von Stadt ersetzen.
© dpa

Berlin nach Olympia: Die Stadt muss darüber reden, wo sie hin will

Berlin bleibt auch ohne Olympia ein Sammelsurium an Baustellen - und die Gestaltung der Hauptstadt eine herausfordernde Aufgabe für die Politik. Die braucht jetzt vor allem Ideen. Ein Kommentar.

Dann eben nicht. Die Berliner Politik und auch die Bürger, die der Olympia-Bewerbung etwas abgewinnen konnten, dürfen ruhig ein paar Tage lang ihre Enttäuschung pflegen. Hadern sollten sie nicht. Sie leben in einer spannenden Stadt, und in der gibt es viel zu tun.

Das beginnt mit der Fehleranalyse. Wenn der Eindruck zutrifft, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Sportsenator Frank Henkel, nicht wirklich erwarteten, die Mehrheit der Berliner für die Spiele zu gewinnen; wenn es da Furcht vor einer Niederlage bei der Volksbefragung im Herbst gab, muss die Politik im Umgang mit den Leuten neue Wege gehen. Die können nicht auf Diskussionspodien enden. Womöglich wird die Politik Entscheidungen neu begründen und anders herbeiführen müssen.

Berlin ist, auch ohne Großprojekt „Olympische Spiele“, 25 Jahre nach dem Mauerfall ein Sammelsurium an Baustellen, im Wort- und im übertragenen Sinn. Eine olympiafreie Berliner Agenda ergibt sich von alleine, voller großer und weniger großer, aber nicht weniger wichtiger Aufgaben. Der Vielleicht-doch-noch Flughafen steht oben auf der Liste, damit einher geht die Entwicklung von Tegel. Gewiss, da gibt es senatsoffizielle Konzepte – planen können sie ja ganz gut in Berlin – aber längst gibt es auch fundierte Kritik an den Konzepten. Will heißen: Die Politik, auch wenn sie großkoalitionär auf sehr breiten Reifen dahinrollt, muss akzeptieren, dass bei jeder größeren Angelegenheit sehr schnell eine oft gut durchdachte Kritik einsetzt, dass Leute mitreden und ihre Ideen einbringen wollen.

Können gewählte Volksvertreter noch frei gestalten?

Stadt ist ein Prozess. Den kann man politisch vereinfachen, in dem man Entscheidungen „an sich zieht“. Der Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat es gerade im Umgang mit den Protesten gegen die Neubauvorhaben am Mauerpark vorgemacht. Geisel zeigt Entscheidungsfreude. Doch ob diese Folgerung aus der Senatsniederlage auf dem Tempelhofer Feld eine zukunftsweisende ist, daran kann man zweifeln.

Man kann derzeit den Eindruck haben, dass sich im Prozess Stadt alle Konsense auflösen. Gilt noch, dass gewählte Politiker zumindest ein paar Jahre lang Pläne verwirklichen und neue Realitäten schaffen sollen? Kann man erwarten, dass Bürger über Kiezinteressen hinaus politisch denken? Dem einen verändert sich Berlin zu schnell und auch noch auf Kosten seines Lebensstandards. Auf andere wirkt die Stadt wie zersplittert in Orte der Dynamik und Brachen von gestern. Der Hamburger Ole von Beust, der es mit Berlin offenbar gut meint, hat recht mit dem Hinweis, der Stadt fehle so etwas wie ein „Diskurs Berlin 2030“. Bloß klingt Diskurs zu abgehoben.

Schön wäre es, wenn bis 2030 die Stadt so funktionierte, dass sich Berliner Schulkinder bestens behandelt und gefördert fühlen könnten. Wenn bis 2030 die SPD trotz ihrer Arbeitsgruppe Immobilität ein paar verkehrspolitische Akzente gesetzt hätte, gern ein paar Fahrradautobahnen für Langstreckenradler und Pendler. Das würde zeigen, dass die SPD die Stadt noch als Ganzes versteht und nicht bloß bis zur nächsten Ecke. Schön wäre es, wenn das ICC entweder genutzt oder komplett mit Rosenranken bepflanzt würde. Wenn Tegel mit neuen Ideen bebaut würde. Auch für pragmatische Politik braucht man Fantasie, von Entscheidungsfreude ganz zu schweigen.

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