Plagiatsvorwürfe gegen Familienministerin: "Wenn Giffey klug ist, sollte sie den Rücktritt vollziehen"
Familienministerin Giffey steht für ihre Doktorarbeit unter Plagiatsverdacht. Ein Ex-Professor der FU Berlin rät ihr in der "SZ" zu Amts - und Titelverzicht.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ist Hoffnungsträgerin der SPD - und dem Verdacht ausgesetzt, bei ihrer Doktorarbeit unerlaubt abgeschrieben zu haben. Der Ausgang der Prüfung durch die FU Berlin wird bei den Sozialdemokraten mit Sorge gesehen. Denn er ist wichtig für die SPD in Berlin, wo Giffey als mögliche Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin gilt, und ebenso für die SPD-Landesverbände, die derzeit Wahlkampf in Brandenburg, Bremen, Sachsen und Thüringen machen und um Stimmen kämpfen.
In einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" fordert Peter Grottian, Sozialwissenschaftler und emeritierter Professor an der FU Berlin, dass die Ministerin ihre Doktorarbeit aberkennen lässt und von allen Ämtern zurücktritt. Besonders interessant: Grottian war an jener Uni tätig, an der Giffey promovierte.
"Hängepartien können zermürben und Reputationen von Institutionen und Personen beschädigen", schreibt Gottian und erinnert etwa an die Plagiatsfälle des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und der Bildungsministerin Annette Schavan.
Im Vergleich dazu liege der Fall Giffey, bei aller Vorläufigkeit, in der Mitte. Er sei gravierender als der von Schavan und weniger gravierend als bei Guttenberg, schreibt Grottian. Und fährt dann fort: "Wenn Giffey klug ist, sollte sie selbst den Rücktritt von ihrem Amt vollziehen und die FU bitten, die Aberkennung ihres Doktorgrades einzuleiten. Sie hätte Haltung gezeigt und ihre politische Karriere vor weiterem Schaden bewahrt. In den Medien wäre der Fall in drei Tagen erledigt."
Grottian argumentiert, dass die von Vroniplag Wiki aufgedeckten Mängel so schwerwiegend seien, dass sie mutmaßlich zur Aberkennung des Doktorgrades ausreichten. "Auch wenn das Vorgehen der Plagiatsjäger detailversessen und zuweilen kleinkariert wirkt, belegt es doch, dass Giffey vom Handwerk wissenschaftlichen Arbeitens nur einen blassen Schimmer hat", schreibt Grottian. Giffey demonstriere "ein oft naives, fehlerhaftes und verantwortungsloses Verhältnis zu ihrem Fach."
Mitschuld auch bei der Betreuung
Das eigentliche Problem sieht Grottian aber beim Thema der Doktorarbeit: "Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft". Als damalige Europabeauftragte von Berlin-Neukölln habe Giffey damit direkt und indirekt über sich selbst geschrieben. Das könne mangelnde wissenschaftliche Distanz nach sich ziehen. Giffey schreibe "nicht über einen Prozess, dessen Teil sie ist, sondern nur über ihre Arbeit. Das geht zu weit", urteilt Grottian.
Er macht dafür auch die Betreuerin von Giffeys Doktorarbeit mit verantwortlich, die die Probleme hätte erkennen müssen. Das Spektrum der Betreuung im Fachbereich Politikwissenschaft/Sozilologie an der FU sei "von exzellent bis zu völligem Desinteresse sehr breit", schreibt Grottian.
Sein Fazit: Der Erstbetreuer sei dringend zu entmachten. Wünschenswert wäre zumindest ein auswärtiger Gutachter, der die Arbeit sachverständig beurteilen sollte. "Wäre nur eine Kollegin oder ein Kollege mit wirklicher Fachkompetenz für Europa und Partizipation der Kommunen an EU-Entscheidungsprozessen zu Rate gezogen worden, hätte die Arbeit von Giffey vielleicht eine andere Ausrichtung erfahren - oder sie wäre nicht geschrieben worden", schreibt Grottian. (Tsp)