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Update

Uniter und JouWatch: Wenn extrem rechte Vereine als gemeinnützig gelten

Attac hat die Steuervorteile verloren, manche rechtsradikale Vereine dagegen haben sie noch. Die Prüfung obliegt den Finanzämtern. Die sind oft überfordert.

"Hannibal" antwortete dem potenziellen Spender prompt. Lassen sich Spenden für den Verein Uniter steuerlich absetzen? An jenen Verein also, der in dem extrem rechten Netzwerk eine gewichtige Rolle spielt, das sich nach Recherchen unter anderem der "taz" auf den "Tag X" vorbereitet und über beste Beziehungen in verschiedene Sicherheitsbehörden verfügt.

Am 27. Februar 2019 um 15.51 Uhr schreibt Hannibal in einer dem Tagesspiegel vorliegenden E-Mail: "Bis jetzt konnte jeder unsere Spendenquittungen nutzen und auch beim Amt einreichen. Wir sind ein gemeinnütziger Verein nach deutschem Recht. Klappt also! Beste Grüße, ihr Backoffice."

Werden aktive Rechtsradikale also steuerlich begünstigt? Kopf des extrem rechten Netzwerks soll André S. sein, einst Soldat beim Kommando Spezialkräfte (KSK) in Baden-Württemberg, ausgestattet mit guten Kontakten zum Militärischen Abschirmdienst (MAD). Als Decknamen trägt er Hannibal. Als stellvertretender Vorsitzender von Uniter leitete er unter diesem Decknamen Chatgruppen, in denen sich Mitglieder – darunter ehemalige und aktive Mitglieder von Spezialeinheiten – unter anderem über das Szenario eines Zusammenbruchs der politischen Ordnung in Deutschland austauschten. Ermittlungen dazu laufen. Anfang Februar berichtete der SWR unter Berufung auf einen Informanten aus den Reihen des KSK in Calw, bei Uniter gebe es einen "harten Kern von 80 bis 100 Personen", der Waffendepots angelegt habe.

E-Mail von Uniter: "Nach Deutschem Recht. Klappt also!"
E-Mail von Uniter: "Nach Deutschem Recht. Klappt also!"
© Matthias Meisner/Tagesspiegel

Der in Stuttgart ansässige Verein Uniter mit seinen nach eigenen Angaben rund 1800 Mitgliedern selbst bestreitet, eine Schattenarmee zu sein. Er will auch nicht als rechtsextrem gelten. Aufgebaut werde eine Gemeinschaft, in der sich ehemalige Elitesoldaten und Polizisten gegenseitig unterstützten und die Soldaten beim Übergang ins Zivilleben helfe, erläutert ein Vereinsvorstand. Am Dienstag erklärte das Presseteam des Vereins: "Uniter ist im Gegensatz zu Attac nicht politisch aktiv und unsere Gemeinnützigkeit kann jederzeit dem Finanzamt gegenüber nachgewiesen werden." Die Behauptung, dass es sich bei Uniter um einen dem Rechtsradikalismus zuzurechnenden Verein handele, weist die Organisation "entschieden" zurück.

Steuergeheimnis verhindert Transparenz

In der Vereinssatzung heißt es: "Innerhalb der Strukturen von Uniter werden keine radikalen oder extremistischen Tendenzen toleriert." Uniter verstehe sich als "unpolitischer, unabhängiger und überkonfessioneller Zusammenschluss". Als Vereinszweck gibt Uniter die "Förderung von Fort- und Berufsbildung" an. Eben mit dieser Satzung erreichte der Verein beim Finanzamt Stuttgart die Anerkennung als "gemeinnützig". Spenden sind damit steuerlich abzugsfähig. Das baden-württembergische Finanzministerium gibt unter Hinweis auf das Steuergeheimnis keine Auskünfte zu dem Verein. Unklar ist, ob die Finanzbehörden in Baden-Württemberg eine Prüfung der Steuerbegünstigung von Uniter in die Wege geleitet haben.

Der baden-württembergische Grünen-Landtagsabgeordnete Alexander Maier, Sprecher seiner Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus, sagt dem Tagesspiegel: "Es kann nicht sein, dass die Gemeinnützigkeit von Attac aufgehoben oder die Deutsche Umwelthilfe als gemeinnützige Organisation infrage gestellt wird. Und auf der anderen Seite kann Uniter als gemeinnütziger Verein weiter schalten und walten - obwohl diese Gruppierung unter Verdacht steht, eine rechtsextreme Schattenarmee gegründet zu haben." Maier fordert: "Dieses dubiose und gefährliche Untergrundnetzwerk muss in einer umfassenden Überprüfung dringend durchleuchtet werden."

Personen, die Zugang zu Waffen haben und an deren Bekenntnis für die freiheitlich demokratische-Grundordnung gezweifelt werden darf, stellten ein Sicherheitsproblem dar, erklärt der Grünen-Politiker.

Spendenaufruf auf der Homepage des Vereins "Uniter": Für Großspender gibt es Orden.
Spendenaufruf auf der Homepage des Vereins "Uniter": Für Großspender gibt es Orden.
© Matthias Meisner/Tagesspiegel

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner fragt sich, wie Uniter überhaupt die Gemeinnützigkeit erhalten konnte. Sie sagt dem Tagesspiegel: "Während Attac, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und andere Vereine aus der demokratischen Zivilgesellschaft durch einige Finanzämter quasi in ihrer Existenz bedroht sind, hat die extreme Rechte freie Hand." Renner erklärt weiter: "Der Verein Uniter scheint nicht nur von rechten Soldaten aus dem KSK durchsetzt zu sein und soll einen Umsturz geplant haben. Es gab sogar nachweislich Verbindungen zu mutmaßlichen Rechtsterroristen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Behörden bewusst wegschauen oder gar jemand Gründe hat, seine schützende Hand über Uniter, Hannibal und Co. zu halten." Die VVN hatte Ende Februar bekannt gegeben, dass ihr verschiedene Finanzämter in Nordrhein-Westfalen mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit drohen würden, weil die Organisation im bayerischen Verfassungsschutzbericht als linksextrem erwähnt werde.

Rechtes Hetz-Portal "JouWatch": Umzug nach Sachsen

Der Streit um die Gemeinnützigkeit von Uniter ähnelt dem um das rechte Hetz-Portal JouWatch, das 2017 vom Finanzamt Jena die Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts zugesprochen bekommen hatte. Es bietet AfD-Politikern und der flüchtlingsfeindlichen Bewegung Pegida eine Plattform, veröffentlicht werbende Beiträge über die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtete Identitäre Bewegung. Seenotrettung im Mittelmeer wird als "illegaler Menschenhandel" gebrandmarkt, Stimmung gemacht gegen vermeintliche "Asylbetrüger" und einen "Asyltsunami". Eine der aktuellen "Nachrichten": "Farbiger Fasching: Dunkelhäutiger mit weißem Pulli vergewaltigt Frau im grünen Gießen."

Als Vereinszweck gibt JouWatch die Förderung der Volksbildung an. Das Portal am rechten Rand des Internets warb Spenden ein mit dem Hinweis: "Sie sparen mit jeder Spende Steuern und können so dem ,Merkel-Regime' noch zusätzlich eins auswischen." Nachdem die Finanzbehörden in Thüringen auf die Diskrepanz zwischen angeblichem Vereinszweck und tatsächlicher Aktivität aufmerksam wurden, verlegte JouWatch seinen Vereinssitz ins sächsische Meißen und verzögerte so die Prüfungen.

Zwar stehen die Finanzbehörden aus Sachsen und Thüringen nach Tagesspiegel-Informationen im Fall JouWatch mittlerweile im Austausch. Dennoch gestaltet sich die Prüfung eines möglichen Entzugs der Gemeinnützigkeit als langwierig. Auf eine Tagesspiegel-Anfrage auf Twitter erklärte Sachsens Finanzminister Matthias Haß (CDU): "Wir sind große Fans von Twitter und Tagesspiegel. Es ist aber gesetzlich verboten, dass wir uns zu steuerlichen Einzelfällen äußern. Generell wird die Gemeinnützigkeit eines Vereins nach bundesweit einheitlichen Kriterien durch das zuständige Finanzamt geprüft."

Generelles Problem: Mit gutem Steuerberater und sauber formulierter Satzung ist es für Vereine relativ leicht, von einem Finanzamt als gemeinnützig anerkannt zu werden. Die Aberkennung bei Missbrauch ist wesentlich schwieriger. Davor stehen oft langjährige Verfahren vor den Finanzgerichten, wie jüngst auch im Fall der Globalisierungskritiker von Attac.

Hinzu kommt, dass es den Finanzämtern in vielen Fällen auch am Personal fehlt, um die Gemeinnützigkeit regelmäßig gründlich zu prüfen. Stefan Diefenbach-Trommer spricht für die Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung". Er meint allgemein: "Zivilgesellschaft ist gemeinnützig." Im Fall Attac habe der Bundesfinanzhof den gemeinnützigen Zweck Bildung "sehr eng interpretiert". Mit Blick auf politisch extreme Vereine, die als gemeinnützig anerkannt wurden, sagt Diefenbach-Trommer: "Generell öffnen gemeinnützige Zwecke Räume für gesellschaftliche Aushandlung dessen, was dem Allgemeinwohl am besten dient - verschiedene Standpunkte und Perspektiven gehören dazu." Aber natürlich gebe es Grenzen, die auch schon im Gesetz stünden. "Um diese Grenzen zu kontrollieren, müssen Finanzämter entsprechend ausgestattet und qualifiziert werden." Der Deutsche Juristentag hatte dazu im September vergangenen Jahres empfohlen, landesweite Schwerpunkt-Finanzämter einzurichten.

Grüne fordern Register gemeinnütziger Organisationen

Einen anderen Vorschlag, wie die Prüfung der Gemeinnützigkeit verbessert werden könnte, hat die Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann. Sie fordert ein bundesweites, öffentlich einsehbares Register der als gemeinnützig anerkannten Organisationen. "Vor politisch aktiven Vereinen und Verbänden muss niemand Angst haben, wenn deren Finanzierung transparent ist", sagt Rottmann dem Tagesspiegel. "Mit einheitlichen Publizitätspflichten für gemeinnützige Organisationen über ihre Finanzquellen und ihre Geschäftstätigkeit, abgestuft nach der Größe der Organisation, schaffen wir Transparenz für Spender, Bürgerinnen und Bürger und Finanzämter."

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