Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe: „Wenn es um den Nahen Osten geht, spielt Europa keine Rolle“
Der Vorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe Graf Lambsdorff spricht über Schwierigkeiten mit Netanjahu und die deutsche Rolle in Nahost.
Herr Graf Lambsdorff, es spricht viel dafür, dass Netanjahu eine fünfte Amtszeit als Regierungschef bekommt. Ist das gut oder schlecht für die deutsch-israelischen Beziehungen?
Netanjahu ist ein Politiker mit einem ziemlich rauen Politikstil. Das bedeutet auch, dass er sich vor allem Richtung Washington und Moskau orientieren wird. Deutschland und die Europäer dürfte der israelische Premier dann wohl – wie in der Vergangenheit – weniger in seine politischen Kalkulationen einbeziehen. Solange Europa uneins ist und deshalb keine Rolle im Nahen Osten spielt, wird Netanjahu nicht auf uns setzen.
Wäre es denn wünschenswert, dass sich daran etwas ändert?
Selbstverständlich. Aber die EU ist in wichtigen Fragen, die den Nahen Osten betreffen, gespalten und damit irrelevant, sowohl was die Palästinenser als auch was Syrien oder Saudi-Arabien betrifft. Da kocht jede nationale Hauptstadt ihr eigenes Süppchen, im Ergebnis sind alle praktisch bedeutungslos. Vorwerfen kann man Netanjahu deshalb nicht, dass er den Schulterschluss mit Amerika und Russland sucht.
Aber Netanjahu ist in offiziellen Stellungnahmen für Deutschland voll des Lobes, oder?
Vergessen Sie nicht, dass die vorletzten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen abgesagt wurden, weil es Streit über den Bau von Siedlungen gab. Die jüngsten Gespräche in Jerusalem sind dann gerade so eben mal über die Bühne gegangen. Sigmar Gabriel hat als Außenminister seinen Antrittsbesuch in Israel richtig verstolpert. Das hat sein Nachfolger Heiko Maas etwas besser gemacht. Die politischen Beziehungen sind solide, aber keiner wird behaupten, dass eitel Sonnenschein herrscht.
Und von der politischen Ebene einmal abgesehen?
Wirtschaftlich, zivilgesellschaftlich und kulturell ist das deutsch-israelische Verhältnis exzellent. Das müssen wir bewahren und ausbauen. Für die großen sicherheitspolitischen Fragen der Region spielt das aktuell zwar keine Rolle, aber die vielen menschlichen Begegnungen auf allen Ebenen sind ein ganz wichtiges Kapital, das gerade in der einzigartigen deutsch-israelischen Beziehung gar nicht hoch genug bewertet werden kann.