Wahlkampf in Berlin: Wenn die SPD den Mann von der Straße besucht
Keine hundert Tage vor der Abgeordnetenhauswahl: Die Umfragewerte der Berliner SPD sind mies, die Basis verunsichert. Da ist Tatkraft gefragt. Und so ziehen die Politiker durch Kneipen und Straßen. Unser Blendle-Tipp.
Porzellankatzen sitzen im Zigarettenrauch auf dem Regal über dem Tresen, Blechteller zieren die Wände. Drei in die Jahre gekommene Schönheiten trinken Sektchen und Wasser auf der Holzbank neben der Bar. Wirtin Geli, so stattlich wie geschäftstüchtig, serviert Schultheiß und Schnäpse.
Vier Trinker erwarten auf Barhockern den Auftritt der Berliner Politik in Gestalt des SPD-Fraktionsvorsitzenden. „Tachchen“, sagt Raed Saleh kurz nach 19 Uhr und tippt einem der Tresen-Trinker zur Begrüßung auf die Schulter. Dann macht er sich, im Nebenamt auch noch Chef des SPD-Kreisverbands Spandau, daran, das Publikum im „Spandauer Kater“ von der Politik seiner Partei zu überzeugen.
Die SPD ist keine hundert Tage vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin in einem verwirrten und verwirrenden Zustand. In den Umfragen liegt sie bei 23 Prozent. Ihr Spitzenkandidat, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, wird wohl nicht bloß einen, sondern zwei Koalitionspartner gewinnen müssen, um nach dem 18. September weiter regieren zu können. Nicht vier, nicht fünf, sondern gleich sechs Parteien, von der Linken bis zur AfD, haben Chancen auf Mandate. Unter allen Schwachen ist die Berliner SPD noch die stärkste Partei, doch weit entfernt von den 29 oder 30 Prozent, die sie mal hatte. Da muss die Basis zugleich gehalten und auf Tempo gebracht werden.
Der Regierende Müller ist den Zauber der gelungenen Machtübernahme schnell losgeworden. Charisma muss nicht sein bei einem Rathauschef, ein bisschen Charme wäre aber nicht schlecht für einen, der Berlin angeblich so toll findet. Stattdessen wirkt Müller dauerstrapaziert. Da war der Streit mit der CDU um die Flüchtlingspolitik, in dem er so tat, als müsse die ganze Stadt zu einem Refugees-welcome-Camp gemacht werden. Da war die Affäre Lutz Diwell – die Sache mit dem ehemaligen SPD-Staatssekretär, der monetären Gewinn aus der Flüchtlingspolitik zu ziehen versuchte. Erinnerungen an einen fast vergessenen Berliner SPD-Filz kamen auf. Und da waren Geschichten über einen Regierenden Bürgermeister, der mithilfe vertrauter Tempelhofer Parteifreunde alle Macht bei und auf sich zu konzentrieren versuchte.
Im Hintergrund, der in der Berliner Politik nicht weit vom Roten Rathaus entfernt ist, ächzen die Bundesgenossen über ihre Erfolglosigkeit in der großen Koalition, trotz Mietpreisbremse und Mindestlöhnen. Es ist ein Ächzen auch über den Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, der, so scheint es ein gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl, chancenlos ist gegen Kanzlerin Angela Merkel – und trotzdem antreten muss. 21 Prozent für die Bundes-SPD, das sagen die jüngsten Umfragen.
Da sind große Zuversicht und feste Überzeugungen gefragt. Raed Saleh hat beides. Deshalb verbringt der Mann, der in der Konkurrenz um die Wowereit- Nachfolge hinter Müller und dem damaligen SPD-Landeschef Jan Stöß nur Dritter wurde, seit Monaten viel Zeit in Spandauer Kneipen. Allerdings nicht, um zu zechen. Für sich und seit Langem hat er die Art von Wahlkampf begonnen, die ohne Kugelschreiber und Luftballons auskommt. Von Saleh bekommen die Leute vor allem Worte.
Um viertel nach sieben krempelt der SPD-Mann die Ärmel seines weißen Hemdes hoch ...
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