Flüchtlinge und Asylrecht: Wenn die Seele vor Zorn bebt
Es ist zum Verzweifeln: Warum war Mostafa K., der ein Kind erstach, nicht längst abgeschoben worden? Was tun gegen Scheinväter? Ein Kommentar.
Zwei Fälle, ein Entsetzen. Das kann, das darf nicht wahr sein, tönt es so laut wie vielstimmig. Vom Versagen des Staates ist die Rede, zu laschen Abschieberegeln. Da ist zum einen der 41-jährige Afghane Mostafa K., der in einem Flüchtlingsheim in Arnschwang in der Oberpfalz ein fünf Jahre altes Kind erstochen hatte. Mostafa K. war ein verurteilter Straftäter, trug eine elektronische Fußfessel, von ihm gehe eine „ernsthafte Wiederholungsgefahr“ aus, hieß es in dem Urteil, er hätte schon vor Jahren abgeschoben werden sollen.
Da sind zum anderen die jetzt bekannt gewordenen Recherchen über ein offenbar groß angelegtes bundesweites Betrugskartell mit deutschen Scheinvätern. Der Trick ist einfach: Schwangere Frauen aus Vietnam, Afrika und Osteuropa beantragen in Deutschland Asyl, das neugeborene Kind wird - für ein kräftiges Honorar – von einem so genannten Kioskvater anerkannt, dadurch erhält es automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft – und die Mutter ein Bleiberecht. Unterhalt zahlen die Kioskväter, weil zumeist Sozialhilfeempfänger, nicht. Allein in Berlin soll es bis zu 700 solcher Fälle geben.
Mostafa K. und die Scheinväter-Mafia eint, trotz vieler inhaltlicher Differenzen, die Eigenschaft, Vorurteile über den Rechtsstaat und dessen angeblich zu tolerante Asylgesetzgebung zu bestätigen. Wird nicht längst die „schnelle Abschiebung krimineller Ausländer“ gefordert und vor einer „Einwanderung in die Sozialsysteme“ gewarnt? Doch solchen Reflexen fehlt oft die Reflektion.
Er war zum Christentum konvertiert
Mostafa K. konnte nicht abgeschoben werden, weil er Christ geworden war. Wer die Christenverfolgung in der muslimischen Welt anprangert, die Hilfe für verfolgte Christen einfordert und die Mission für ein Wesensmerkmal des Christentums hält, muss an dieser Stelle innehalten. In Afghanistan wäre Mostafa K. als konvertierter Christ sehr wahrscheinlich religiös und politisch verfolgt worden. Tausende Flüchtlinge beantragen jährlich in Deutschland den Glaubens-Übertritt ins Christentum. Die meisten von ihnen meinen es ernst, eine Minderheit erhofft sich davon eine Verbesserung der Asylchancen. Doch kein Pfarrer kann tief genug in die Herzen der Taufwilligen blicken, um entscheiden zu können, wer diesen Schritt nur aus strategischen Gründen geht.
Keine Gesinnungsprüfung – das ist auch das Stichwort bei den Scheinvaterschaften. Am 17. Dezember 2013 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung begründet wurde und der Anerkennende weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat.“ Einen Generalverdacht gegen unverheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare dürfe es nicht geben. Außerdem sei der Entzug der Staatsangehörigkeit aus Sicht des betroffenen Kindes ein „gravierender Grundrechtseingriff“. Das geltende Recht scheint gegen eine Kioskväter-Mafia wenig ausrichten zu können. Welcher Vater ist nur ein Scheinvater? Das ist knifflig. Hoffentlich wird durch die angekündigte Gesetzesverschärfung zumindest die Prävention verstärkt.
Wer die Komplexität der Welt auf Emotionen reduziert, verhindert Verständnis und Verstehen. Manchmal tobt die Seele vor Empörung – und muss doch begreifen, dieses Toben aushalten lernen zu müssen.