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Neue Wohnungen sind vielerorts knapp und teuer.
© Lothar Ferstl, dpa

Wohnungsbau: Weniger statt mehr

Nach dem Wohngipfel sinken die Etats für Sozialen Wohnungsbau und Wohngeld. Die Grünen sprechen von „Augenwischerei“.

Zwei Wochen nach der „Wohnraumoffensive“ von Bund, Ländern und Kommunen unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wachsen die Zweifel an dem werbewirksamen Gipfel im Kanzleramt. Obwohl die Wohnungsnot in Großstädten und Ballungsgebieten steigt und die Zahl neu gebauter Mietwohnungen schrumpft, fließt im kommenden Jahr nicht mehr Geld in den Bau bezahlbarer Wohnungen – sondern weniger. Ähnliches gilt beim Wohngeld für Haushalte mit geringen Einkünften.

„Augenwischerei“ nennen die Grünen im Bundestag die angekündigte Wohnraumoffensive der großen Koalition. Denn während der Bund in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau an die Länder überwiesen hatte, schrumpfe diese Summe im Jahr 2020 um ein Drittel auf eine Milliarde Euro. Erneut so wenig fließe auch im Jahr 2021. Tatsächlich heißt es im Gipfel-Protokoll: „Der Bund stellt den Ländern für die Jahre 2020 und 2021 mindestens zwei Milliarden Euro Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau bereit“ – das wäre nur ein Milliarde jährlich.

Minimale Korrekturen an Mietpreisbremse

Besonders hart trifft das Haushalte mit geringen Einkünften, weil diesen außerdem noch das Wohngeld zusammengestrichen wird. Stehen im Bundeshaushalt in diesem Jahr 540 Millionen Euro zur Auszahlung als Mietzuschuss zur Verfügung, werden es im kommenden Jahr nur noch 510 Millionen Euro sein. „Damit fallen immer mehr Menschen aus der Sozialleistung raus“, sagt Chris Kühn, Wohnungsexperte der Grünen. Im Ergebnisprotokoll des Wohngipfels hieß es: „Mit einer Wohngeldreform 2020 soll das Leistungsniveau und die Reichweite des Wohngeldes gestärkt werden“. Die nicht näher benannten „Verbesserungen“ starteten aber erst „ab 1. Januar 2020“.

Höchste Not bestehe auch bei der „Mietpreisbremse“, die eigentlich den steilen Anstieg der Mieten freier Wohnungen abbremsen soll. Das Gesetz war zwar erst vor rund vier Wochen von Justizministerin Katarina Barley (SPD) überarbeitet worden. Doch der Mieterbund sieht darin nur minimale Korrekturen ohne große Wirkung. Hinzu kommt nun: Bereits 2020 läuft das zugrundeliegende Bundesgesetz ganz aus. Damit fällt 2020 die Ermächtigung weg für Bundesländer wie Berlin (in anderen erst 2021), um das Gesetz in Kraft zu setzen. Auch hier müsste der Bund handeln.

Ohne Plan

„Der Wohngipfel war nicht mehr als eine große Showveranstaltung“ sagt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Die Bundesregierung habe gegen die Wohnungsnot keinen „handfesten Plan“. Die Grünen dagegen schon und diesen bringen sie kommende Woche zur Abstimmung in den Bundestag ein: das „Sofortprogramm Wohnoffensive – Mieten bremsen, nachhaltig bauen“. Gefordert wird eine sofortige Verdoppelung des Wohngeldes und dieses künftig „automatisch an die Preissteigerungen anzupassen und um eine Klimakomponente zu erweitern.“ Hintergrund der Forderung: 2017 kletterten die Mieten mit 4,3 Prozent bundesweit noch stärker als im Jahr zuvor.

Weitere Forderung: Eine deutliche Erhöhung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau. Seit 2002 hat sich der Bestand an Sozialwohnungen mehr als halbiert. Denn mit den bisher vom Bund bereit gestellten Gelder gelang es nicht die „Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau“ zu stoppen. Allein 2017 seien fast 46000 Sozialwohnungen aus dem Bestand verloren gegangen, Neubauten eingerechnet. Denn nach zehn bis teils 25 Jahren verlieren sozial geförderte Wohnungen ihre „Bindungen“ und Eigentümer können die Mieten kräftig auf Marktniveau anheben.

Petition mit 70000 Unterschriften

Eine Farce nennt Rainer Wild vom Berliner Mieterverein die vom Bund bereit gestellten Mittel für den Sozialen Wohnungsbau. „Die Interessen von Millionen Mieter sind der Bundesregierung egal“. Mietervertreter haben eine Petition mit rund 70000 Unterschriften für verschärften Mieterschutz an Justizministerin Barley überreicht. Auch das zählt zu den Forderungen des Grünen-Antrags: eine „wirkungsvolle und zeitlich verlängerte Mietpreisbremse“. Berlins Mietervertreter Wild sagt weiter: „Die Wohngeldanpassung zum Januar 2020 ist keine Wohltat, sondern ein Muss, das schon am kommenden 1. Januar fällig wäre“. Weil die Grenzen für den Bezug von Wohngeld zu niedrig seien und die Mieten um knapp fünf Prozent jährlich stiegen, habe das Wohngeld „so gut wie gar keine Entlastungsfunktion“ mehr.Ralf Schönball

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