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Erst eins, dann zwei, dann drei... Es gibt weniger Mütter, aber die bekommen mehr Kinder
© Felix Kästle/dpa

Geburtenrate steigt: Weniger Mütter bekommen mehr Kinder

Frauen bekommen in Deutschland wieder mehr Kinder - die Geburtenrate steigt jährlich. Doch die Zahl derer, die überhaupt Mutter werden, sinkt weiter.

Im vergangenen Jahr ist die Geburtenrate zum vierten Mal in Folge gestiegen. Rein statistisch gebiert jede Frau jetzt 1,5 Kinder, im Jahr zuvor waren es noch 1,47. Dabei haben etwa die Hälfte der Frauen in Deutschland zwei Kinder, ein knappes Drittel eines, 15 Prozent der Mütter drei und etwa sechs Prozent vier oder mehr Kinder - eine Verteilung, die seit Jahrzehnten trotz aller Schwankungen stabil blieb.

In vielen Großstädten sind zwei Drittel der Frauen kinderlos

Was in den Jubelmeldungen über die demographische Trendumkehr bisher untergeht: Mütter gibt es immer weniger. Etwa ein Fünftel der Frauen bleibt inzwischen kinderlos, Tendenz steigend. Blieben 2008 noch 22 Prozent der Frauen im Westen und 10 Prozent im Osten kinderlos, waren es 2013 schon 23 Prozent der Westfrauen, für die Ostfrauen sprang der Wert auf 15 Prozent. Unter Akademikerinnen ebenso wie in manchen Großstädten bekommt etwa ein Drittel der Frauen keine Kinder.

Das ist womöglich kein Wunder. Kinder können ein großes Glück sein, ein Armutsrisiko sind sie für ihre Mütter aber ebenfalls, egal ob die in Paarbeziehungen leben - das ist noch immer die große Mehrheit - oder ob sie sie allein großziehen. Alleinerziehend sind mittlerweile 20 Prozent aller Eltern, in neun von zehn Fällen übernimmt die Mutter diese Aufgabe.

Auch alleinerziehende Väter arbeiten

Während Vaterschaft praktisch keine Auswirkung aufs Geldverdienen hat, fährt das Mutterdasein die Finanzen einer Frau deutlich herunter. Nur ein Drittel der Frauen mit Kindern unter drei Jahren war 2012 erwerbstätig, in mehr als der Hälfte dieser Familien, auch in denen ohne Trauschein, waren die Väter Alleinverdiener. Ob sie arbeiteten oder nicht, verschob sich durch Kinder nur um wenig, die Erwerbsquote von Vätern liegt stabil über 80 Prozent. Das rächt sich für die Mütter.

Der Berufsausstieg der Frauen ist teuer

Wenn die Kinder im Teenageralter sind, gehen zwar schon drei Viertel der Mütter wieder arbeiten. Doch ihr Wiedereinstieg ist selten auf dem finanziellen Niveau wie vor dem Ausstieg zu haben. Die Familienphase entwertet Qualifikationen, treibt die Frauen in Minijobs, bedeutet auch eine Beförderungspause und im Alter massive Unterversorgung: Frauen in Deutschland beziehen knapp 60 Prozent weniger Alterseinkommen als Männer, und alles deutet darauf hin, dass der Grund dafür nicht vor allem Entscheidungen für typische Frauenberufe ist, wie oft vermutet, sondern die vielen familienbedingten Ausstiege.

Bei einer Trennung zahlen viele Väter nicht; 50 Prozent der Alleinerziehenden stehen ohne Unterhalt da. Ohnehin müssen Väter - sie sind mehr als 90 Prozent der Unterhaltspflichtigen - seit der Reform des Unterhaltsrechts 2008 nur noch zahlen, bis ihr Kind drei Jahre alt ist. Auch Mütter mit mehreren Kindern sind dann zu einer womöglich schlecht bezahlten Vollzeitarbeit gezwungen.

Mutterschutzgesetz schützt nur nach der Geburt

Das Gesetz zeigt sich zum Thema Mütter relativ wortkarg: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“ So steht es seit 1997 in § 1591 des 120 Jahre alten Bürgerlichen Gesetzbuch. Das hatte sich bis dahin eher der Frage gewidmet, wer rechtlich als Vater zu gelten habe.

Mutterschaft war für Juristen schon im alten Rom keine Frage („Mater semper certa est“). 1997 sollte dann den neuen Möglichkeiten der Medizin entgegengetreten und Leihmutterschaft verhindert werden; die Frau, von der die Eizelle stammt, ist mit dieser Fassung aus dem Kreis der Mütter herausdefiniert, um formal die einheitliche Rechtsperson zu erhalten.

Seit 1952 gibt es das Mutterschutzgesetz, das sich allerdings nur um die Mütter von Neugeborenen dreht. So dürfen werdende Mütter sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt - bei Komplikationen auch länger - nicht arbeiten und sind bis vier Monate nach der Geburt ihres Kindes vor Kündigung geschützt.

"Mehr Beruf für Frauen, mehr Familienarbeit für Männer"

Daneben gibt es die Kindererziehungszeiten, die seit 1992 mit bis zu drei Jahren in der Rentenversicherung zu Buche schlagen, auch wenn die Mütter nie erwerbstätig waren. Sie werden automatisch den Frauen zugeschlagen, wenn sich die Eltern nicht anders einigen.

„Müttern ist am besten mit einer Politik für Männer und Frauen geholfen", meint Cornelia Spachtholz, die Vorsitzende des "Verbands berufstätiger Mütter" (VBM). Sie legt sich daher auch für Väter ins Zeug, fordert Männerquoten in sozialen Berufen mit überwiegend weiblicher Erwerbstätigkeit, Kündigungsschutz auch für junge Väter und das Ende von Ehegattensplitting und kostenloser Mitversicherung in der Krankenkasse, die falsche Anreize zum Berufsausstieg setzten. „Mehr Beruf für Frauen, mehr Familienarbeit für Männer“, empfiehlt Spachtholz. „Nur wenn Männer ihren Anteil an Kindererziehung und Altenpflege übernehmen, können Frauen Beruf und Familie wirklich vereinbaren.“

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