Reform der Grundsteuer: Welche Mehrbelastungen auf Berlin zukommen könnten
Die Koalition im Bund streitet über die Grundsteuer. Ein Eigentümerverband rechnet nun massive Steuererhöhungen vor, die Regierung nennt das „Propaganda”.
Die Debatte um die Grundsteuerreform gewinnt immer mehr an Schärfe, je näher der Termin rückt, an dem die Bundesregierung einen Beschluss fassen will. Derzeit ist der 30. April im Gespräch, dann will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seinen Vorschlag den Kabinettskollegen unterbreiten. In der Koalition aber rumort es: In CDU und CSU gibt es deutliche Vorbehalte gegen das wertabhängige Modell des Vizekanzlers, das er nach monatelangen Gesprächen mit den Ländern Anfang des Monats vorgelegt hat. Die Zeit aber drängt: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vor einem Jahr, in dem es eine Reform forderte, eine Frist bis Ende 2019 gesetzt.
In Kraft treten würde die neue Grundsteuer 2025. Bis dahin muss die Verwaltung immerhin 35 Millionen Grundstücke und Immobilien neu bewerten, was trotz der Pauschalierungen und Vereinfachungen, die Scholz mit den Ländern vereinbart hat, ein immenser Aufwand für die Verwaltungen ist. Und ein hoher Kostenpunkt: Allein die Personalkosten werden laut Regierungsentwurf 462 Millionen Euro ausmachen. Die Kommunen, denen die Grundsteuer zufließt, brauchen das Geld – die aktuell 14,8 Milliarden Euro sind eine der Haupteinnahmenquellen - und dringen daher auf Eile.
Bis zu 616 Prozent mehr in Berlin?
Doch in der Union hat man weiterhin Zweifel: Der Scholz-Vorschlag sei noch immer zu bürokratisch, die Wertabhängigkeit werde in manchen Städten und Regionen zu Verteuerungen führen – auch bei den Mieten über die Nebenkostenrechnung. In CDU und CSU gibt es weiterhin viel Sympathie für ein reines Flächenmodell – die bayerische Regierung hätte deswegen gern eine Öffnungsklausel im Bundesgesetz. Und nun machen Berechnungen des Eigentümerverbandes „Haus & Grund“ Furore, nach denen immense Grundsteuererhöhungen zu erwarten sind.
Nicht überall und nicht für alle Eigentümer und Mieter, aber regional und je nach Wohnlage. Die Beispielrechnungen auf der Basis des Regierungsentwurfs seien nach tatsächlichen Steuerfällen vorgenommen worden, sie seien also nicht fiktiv, betont ein Sprecher des Verbandes, der das Wertmodell stets abgelehnt hat – wie ein Großteil der Immobilienlobby auch. Nach den Daten schaukeln sich die Erhöhungen bis auf eine exorbitante Steigerung von fast 4500 Prozent in einem Dresdner Fall hoch. Die Berliner Fälle liegen zwischen 14 und 616 Prozent Mehrbelastung.
Hebesätze sollen deutlich sinken
Dass solche Spreizungen tatsächlich eintreten könnten, war lange schon vermutet worden. Denn die Grundsteuer ist der Bemessung nach seit Jahrzehnten nicht mehr an die tatsächlichen Werte angepasst worden (weshalb die Karlsruher Richter ja auch urteilten, so gehe es nicht weiter). In gesuchten Lagen von Groß- und Universitätsstädten aber sind gerade nach der Finanzkrise in manchen Vierteln die Immobilienpreise massiv gestiegen, was sich in den Bodenrichtwerten niederschlägt. Und die sind ein wesentlicher Teil des Scholz-Vorschlags.
Im Bundesfinanzministerium und in der Berliner Finanzbehörde ist man nun empört über die Zahlen des Eigentümer-Verbandes. Eine Sprecherin von Scholz nennt die Berechnungen „Propaganda“ von Lobbyisten, die damit die Öffentlichkeit täuschen wollten. Tatsächlich haben die Zahlen einen Haken: Sie gehen von den aktuellen Hebesätzen aus, über welche die Kommunen die tatsächliche Steuerzahlung bestimmen dürfen. Diese liegen meist um die 400 Prozent, in größeren Städten häufig darüber, in Berlin sind es 810 Prozent.
Scholz hat sein Modell jedoch so angelegt, dass die Hebesätze massiv sinken sollen – was die Kommunalverbände auch mittragen. Andererseits können die Bürgermeister und Räte den Hebesatz autonom bestimmen, die Absenkung kann nicht per Gesetz befohlen werden.
Verband will Druck machen
„Haus & Grund" sucht sich zu rechtfertigen: Man wolle mit den Berechnungen vor allem Druck machen, dass es zu den versprochenen Hebesatzsenkungen auch komme, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Und schob neue Berechnungen nach, die auf 30 Prozent geringeren Hebesätzen basieren. Demnach liegen die Mehrbelastungen in Berlin noch zwischen 14 und 424 Prozent – im letzteren Fall aufgrund des hohen Bodenrichtwerts von 7000 Euro, deutlich über dem Schnitt in der Hauptstadt. In zwei Fällen sinkt die Belastung gegenüber dem Status quo sogar um zehn Prozent.
Wie repräsentativ die Zahlen des Verbandes sind, ist unklar. Genaueres weiß man erst, wenn die von Scholz in Aussicht gestellten Regierungsberechnungen vorliegen – das wird aber noch dauern. Erkennbar ist, dass die Hebesätze jedenfalls in Berlin deutlich stärker gesenkt werden müssen als 30 Prozent, um extreme Zusatzbelastungen zu vermeiden. Andererseits lautet ein Hauptziel der Reform auch, sie müsse aufkommensneutral sein. Will heißen: Jede Kommune, auch Berlin, soll möglichst nicht mehr und nicht weniger Grundsteuer einnehmen als bisher. Ob das Kunststück gelingt, ist ebenfalls noch unklar.
Was mutmaßlich bleibt, sind deutlich größere Unterschiede bei den Grundsteuerzahlungen als bisher – jedenfalls innerhalb von Großstädten je nach Wohnlage. Nimmt man die Zahlen von „Haus & Grund“, dann reichen die absoluten Mehrbelastungen in der Regel jedoch wohl kaum über einen unteren dreistelligen Euro-Bereich hinaus. In vielen Fällen dürfte es zu Steuersenkungen kommen. Aber in nicht wenigen Fällen eben wird es - jedenfalls in Prozent gerechnet - um einiges teurer.
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