US-Außenpolitik unter Donald Trump: Welche Folgen hätte ein Teilabzug der USA aus Afghanistan?
Es deutet einiges darauf hin, dass US-Präsident Donald Trump die US-Truppen in Afghanistan deutlich reduziert. Das hätte Konsequenzen auch für die Bundeswehr.
Den Abzug der US-Truppen aus Syrien hat Donald Trump bereits befohlen. Und der US-Präsident plant offenbar auch, die Hälfte des amerikanischen Kontingents aus Afghanistan abzuziehen. Für die Verbündeten, nicht zuletzt für Deutschland, hätte ein solcher Schritt gravierende Folgen. Die Planungen der US-Regierung werden ausgerechnet zu einem Zeitpunkt bekannt, zu dem die radikalislamischen Taliban so stark sind wie seit 17 Jahren nicht mehr. Damals begann die US-geführte Intervention in Afghanistan. Inzwischen liegt die Aufgabe der Nato-Mission „Resolute Support“ in der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte.
Wie wahrscheinlich ist der Abzug?
In der vergangenen Woche hatte ein US-Regierungsvertreter einen „bedeutenden“ Truppenabzug aus Afghanistan angekündigt. Das „Wall Street Journal“ berichtete, dass Trump den Abzug von mehr als 7000 amerikanischen Soldatinnen und Soldaten plane. Gegenwärtig befinden sich rund 14.000 US-Soldaten im Rahmen der Nato-Ausbildungsmission „Resolute Support“ und von Anti-Terror-Einsätzen im Einsatz.
Allerdings gibt es bislang noch keine offizielle Bestätigung für die Abzugspläne. Bei einem Besuch in der ostafghanischen Provinz Nangarhar erklärte der Oberbefehlshaber der US- und Nato-Truppen in Afghanistan, General Scott Miller, er habe keinen Abzugsbefehl erhalten. Bei einem Treffen mit dem Provinzgouverneur von Nangarhar fügte Miller aber hinzu, dass die US-Truppen künftig auch im Fall einer Verkleinerung des Kontingents weiter an der Seite der afghanischen Sicherheitskräfte stünden.
Sollte Trump tatsächlich mit dem Rückzug Ernst machen, dann würde er damit den Taliban einen unerwarteten Vorteil beim Kampf um die Vorherrschaft im Land verschaffen. Zuletzt hatten sich die Taliban auf politische Gespräche mit den USA eingelassen. Mit einem massiven Abzug der amerikanischen Truppen dürfte sich dies wieder ändern.
Die Berichte über einen US-Abzug stellen den vorerst letzten Schwenk in Trumps Afghanistan-Politik dar. Zu Beginn dieses Jahrzehnts hatte er noch seinen Vorgänger Barack Obama wegen der amerikanischen Präsenz am Hindukusch attackiert. Vor seiner Amtseinführung sagte er im Dezember 2016, dass die Politik von „Intervention und Chaos“ beendet werden müsse. Umso überraschender war es dann für die Trump-Anhänger, als der Präsident im Sommer 2017 vor einem Machtvakuum in Afghanistan warnte. Die Warnung hatte konkrete Folgen: Im vergangenen Jahr schickten die USA 3000 zusätzliche Soldaten an den Hindukusch.
Seit 2001 sind mehr als 2400 US-Soldaten in Afghanistan gefallen. Mit dem Rückzug von mehreren tausend Militärangehörigen aus Afghanistan könnte Trump jetzt bei seinen Anhängern punkten – zu einem Zeitpunkt, da er innenpolitisch weiter unter Druck gerät. Angesichts der Untersuchungen des FBI-Sonderermittlers Robert Mueller gerät Trump in der Russland-Affäre immer stärker in Bedrängnis.
Welche Konsequenzen hätte das für die Situation im Land?
Wie schwierig die Sicherheitslage in Afghanistan jetzt schon ist, zeigte sich zuletzt an Heiligabend. In der Hauptstadt Kabul stürmten am Montagnachmittag bewaffnete Männer ein Grundstück der Regierung. Zuvor hatten sie eine Autobombe gezündet. Stundenlang lieferten sich die Angreifer Schusswechsel mit Sicherheitsleuten. Mindestens 43 Menschen wurden getötet. 25 weitere wurden verletzt.
Kabul ist einer der gefährlichsten Orte der Welt. Bombenanschläge, Raketenangriffe, Entführungen – das alles ist Alltag in der afghanischen Hauptstadt. Und die Lage könnte sich noch deutlich verschärfen, sollte ein großer Teil der US-Truppen bald das Land verlassen. Der afghanische Präsident Aschraf Ghani ließ am Freitag zwar mitteilen, ein Rückzug der Amerikaner würde „keine Auswirkung auf die Sicherheit“ in Afghanistan haben. Die Regierung übe die „vollständige Kontrolle“ im ganzen Land aus.
Das erscheint jedoch wenig glaubhaft – und ist wohl eher eine Durchhalteparole. Tatsächlich fürchten viele Afghanen, ihr Land könne nach einem Teilabzug der US-Soldaten zurück in die Hände der Taliban fallen. Grund zur Sorge sieht auch der Sicherheitsexperte Thomas Ruttig vom „Afghanistan Analysts Network“. Die Taliban kontrollierten schon jetzt so viele Teile des Landes wie seit 2001 nicht mehr, sagt er. „In den meisten Landgebieten und Provinzen haben sie die Vorherrschaft erlangt oder die Kontrolle bereits vollends übernommen.“ Nur in den Städten und „Distriktzentren“ könne sich die Regierung noch militärisch behaupten.
Fünf bis zehn Jahre werde Kabul noch auf die Hilfe der US-Armee angewiesen sein, ist Ruttig sicher. Die Konsequenzen eines US-Teilabzugs wären seiner Einschätzung nach dramatisch. „Schon die Ankündigung kann einen Domino-Effekt in Afghanistan auslösen und die afghanische Regierung ins Wanken bringen“, sagt Ruttig. Denn afghanische Milizen und Warlords könnten sich nun auf die Seite der Taliban schlagen.
Die erste innenpolitische Konsequenz aus dem angekündigten US-Teilabzug gibt es bereits. Am Mittwoch gab die Regierung bekannt, die für April geplante Präsidentschaftswahl werde „auf Grund bestimmter Umstände“ um zwei bis drei Monate verschoben. Das Land blickt unsicheren Zeiten entgegen. Für den Afghanistan-Experten Ruttig ist klar: „Die Taliban können sich jetzt zurücklehnen und abwarten, ob die Kabuler Regierung zerbröselt oder zusammenbricht.“
Was wären die Folgen für die Bundeswehr?
Ein Teilabzug der Amerikaner hätte auch für die mehr als 1100 in Afghanistan stationierten deutschen Soldaten drastische Folgen. Bislang waren die USA für das Verteidigungsministerium ein „unverzichtbarer Partner“, „das Rückgrat des internationalen Engagements in Afghanistan“. Ohne Rückendeckung der USA müsste die Bundeswehr wohl bald abziehen, sagt der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat: „Wenn die Vereinigten Staaten sich bis auf ein Restkontingent aus Afghanistan zurückziehen, gibt es auch für uns keinen Grund mehr, diesen Einsatz fortzusetzen.“ So sieht es auch Stefan Liebich, der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Alleine könne die Bundeswehr am Hindukusch nichts ausrichten, sagt er.
Seit 17 Jahren sind deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert. Bis 2014 kämpften sie im Windschatten der US-Armee gegen Taliban und die Miliz „Islamischer Staat“. Seither ist der deutsche Einsatz offiziell eine Ausbildungsmission für afghanische Sicherheitskräfte. Hauptstandort der Bundeswehr ist das nordafghanische Masar-i Scharif. Mehr als zehn Milliarden Euro hat der Einsatz bislang gekostet. 58 Todesfälle hat die deutsche Armee seit 2001 in Afghanistan zu beklagen. Kein Vergleich zu den zivilen Opfern im Land: Die belaufen sich allein in diesem Jahr nach UN-Angaben auf rund 20.000.
Könnten die Briten die Lücke füllen?
Die britische Regierung war nicht von der Ankündigung der US-Administration unterrichtet, dass die Zahl der US-Soldaten erheblich reduziert werden soll. Völlig überraschend kommt Trumps Afghanistan-Wende aber für britische Militärs nicht. Nach Angaben des Senders BBC befürchten hochrangige britische Offiziere schon seit längerem, dass der US-Präsident die bisherige US-Politik am Hindukusch per Tweet für obsolet erklärt.
Bislang hat sich die britische Regierungschefin Theresa May stets nach Kräften bemüht, Trumps Forderungen nach einem größeren militärischen Engagement zu erfüllen. Im vergangenen Juli hatte sie angekündigt, dass das britische Kontingent in Afghanistan um 440 Soldaten auf 1100 aufgestockt wird. Die zusätzlichen Soldaten, die in Kabul stationiert sind, beteiligen sich an der Nato-Mission „Resolute Support“ für afghanische Sicherheitskräfte.
Nach den Worten des Afghanistan-Experten Ruttig könnten andere Länder die Aufgaben der USA im Rahmen der Ausbildungsmission „Resolute Support“ kaum adäquat übernehmen, falls die Trump-Administration tatsächlich die Hälfte von rund 14.000 Soldaten abzieht. Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson erklärte, dass der Kampf gegen die radikalen Islamisten in Afghanistan fortgesetzt werde. Allerdings werde sich die britische Truppenstärke auch nach den jüngsten Ankündigungen aus Washington nicht erhöhen, fügte der Minister schon einmal vorsorglich hinzu.