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Ein Demonstrant schmeißt einen Stein in ein Gebäude an der TU Hongkong.
© REUTERS/Thomas Peter
Update

Hongkong-Proteste: Weitere Fluchtversuche vom Campus – Demonstranten drohen lange Haftstrafen

Gut hundert Personen sind noch in der Hongkonger Universität, eine Erstürmung ist nicht mehr auszuschließen. Etwa 1000 Personen wurden bislang festgenommen.

Trotz einer drohenden Erstürmung der von Polizisten belagerten Hochschule in Hongkong haben sich etwa hundert Aktivisten der Demokratiebewegung auch am Dienstag weiter dort verschanzt gehalten. Regierungschefin Carrie Lam appellierte vergeblich an sie, sich zu ergeben. Die Polizei nahm innerhalb von 24 Stunden knapp 1000 Menschen fest, darunter auch zahlreiche Demonstranten, die aus der von Sicherheitskräften eingekesselten Universität geflüchtet waren.

Laut Information der „South China Morning Post“ würden unter jenen, die in der Uni verblieben sind, aber auch etliche Sozialarbeiter oder auch freiwillige Sanitäter sein. Am Dienstagmorgen Ortszeit hatten viele der Demonstranten sich über eine Brücke abgeseilt und waren so der Polizei entkommen. Einige konnten durch die Abwasserkanäle der Uni fliehen. Die Zeitung berichtet weiter, dass festgenommenen Demonstranten bis zu zehn Jahren Haft drohen. Minderjährige Demonstranten dürften zwar nach Hause gehen, könnten aber später noch juristisch belangt werden.

Minderjährige Demonstranten vom Campus geführt

In ihrer ersten öffentlichen Erklärung zur Besetzung der Polytechnischen Universität sagte Regierungschefin Carrie Lam, dass die „Demonstranten, einschließlich natürlich der Randalierer, die Gewalt stoppen, die Waffen abgeben und friedlich herauskommen und die Anweisungen der Polizei entgegennehmen müssen.“

Viele der jüngeren Demonstranten waren über Nacht von einer Gruppe von Mittelschuldirektoren, religiösen Führern sowie dem früheren Parlamentspräsidenten Tsang Yok-sing, die sich vermittelnd eingeschaltet hatten, vom Campus geführt worden. Die Minderjährigen konnten nach Hause gehen, nachdem ihre Personalien von der Polizei aufgenommen worden waren. Regierungschefin Lam forderte die verbliebenen Studenten in der Hochschule auf, sich zu ergeben.

Monatelange Proteste in Hongkong

Die gewalttätigen Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatten bis in die Nacht angedauert. Seit fünf Monaten dauern die Demonstrationen gegen die Regierung, gegen das als brutal empfundene Vorgehen der Hongkonger Polizei und gegen den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung schon an.

Festnahme eines Demonstranten in Hongkong
Festnahme eines Demonstranten in Hongkong
© Reuters/Tyrone Siu

Die Universitäten der früheren britischen Kronkolonie hatten sich vergangene Woche zu neuen Brennpunkten der Proteste entwickelt. Daraufhin wurden die Studenten vorzeitig in die Semesterferien geschickt. An der Polytechnischen Universität waren die Auseinandersetzungen am Wochenende eskaliert. Die Studenten setzten sich mit Barrikaden, Brandsätzen, selbst gebauten Katapulten oder auch Pfeil und Bogen gegen die Sicherheitskräfte zur Wehr.

Ein Demonstrant versucht den Flammen eines geplatzten Molotowcocktails zu entgehen.
Ein Demonstrant versucht den Flammen eines geplatzten Molotowcocktails zu entgehen.
© dpa/Kyodo

Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein. Seit Sonntag haben die Einsatzkräfte das Hochschulgelände abgeriegelt, um die Studenten festzunehmen. Trotzdem konnten einige Hundert über Zäune oder an Seilen aus Gebäuden flüchten. Zurück blieben ungenutzte Brandbomben. Flaschen mit entzündbaren Stoffen und Schutzkleidung, wie Hongkonger Medien berichteten.

USA wollen unabhängige Untersuchung zu Gewalt in Hongkong

Angesichts der schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Hongkong hat die US-Regierung zum Gewaltverzicht aufgerufen und eine unabhängige Untersuchung der Zwischenfälle verlangt. „Gewalt ist von jeder Seite inakzeptabel“, sagte US-Außenminister Mike Pompeo in Washington. Es sei an erster Stelle Aufgabe der Regierung von Hongkong, für Ruhe zu sorgen. Strafverfolgungsbemühungen allein seien keine Lösung. Die Regierung müsse auf die Sorgen in der Öffentlichkeit eingehen. Konkret rief Pompeo Regierungschefin Carrie Lam auf, eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle bei den Protesten in Gang zu setzen.

Der US-Chefdiplomat appellierte außerdem an die chinesische Führung, ihre Versprechen gegenüber den Menschen in Hongkong zu halten, die nur jene Freiheiten einforderten, die ihnen zugesagt worden seien.

China beharrt auf Entscheidungsgewalt über Hongkongs Verfassung

China hat darauf bestanden, die alleinige Autorität über Hongkongs Verfassung zu besitzen. Der chinesische Volkskongress sei die einzige Institution, die Entscheidungen über die Verfassung der Sonderverwaltungszone treffen könnte, sagte Parlamentssprecher Zang Tiewei laut staatlichen chinesischen Medien am Dienstag. Hintergrund ist das Urteil des Obersten Gerichts in Hongkong, das das im Rahmen der seit Monaten andauernden Proteste verhängte Vermummungsverbot am Vortag aufgehoben hatte.

Laut Zang hat nur der Nationale Volkskongress das Recht, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz mit der Verfassung Hongkongs übereinstimmt. Das Urteil habe Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam und die Stadtregierung "stark geschwächt".

Die Regierung Hongkongs hatte Anfang Oktober auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit zurückgegriffen und ein Vermummungsverbot verhängt, um zu verhindern, das Demonstranten Gesichtsmasken tragen. Das Oberste Gericht Hongkongs hatte das Gesetz am Montag für verfassungswidrig erklärt. (dpa, AFP, Tsp)

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