Machtprobe mit Twitter: Weißes Haus kündigt Verfügung Trumps zu sozialen Medien an
Twitter kennzeichnet erstmals Botschaften des US-Präsidenten als falsch. Donald Trump droht dem Unternehmen gar mit Schließung – dabei braucht er Twitter.
Es läuft nicht rund für US-Präsident Donald Trump. Alle Zahlen, auf die es ankommt, sind gerade unangenehm für ihn: die Entwicklung der Corona-Pandemie, der Arbeitslosigkeit, der Wirtschaft insgesamt – auch die neuesten Umfragen gefallen ihm ganz und gar nicht.
Und dann wagt es mit Twitter auch noch eine der großen Social-Media-Plattformen, sich ihm zu widersetzen. Der in Kalifornien ansässige Kurznachrichtendienst ordnete am Dienstag zum ersten Mal für einen Tweet des Präsidenten einen Faktencheck an und bezeichnete einige seiner Äußerungen als falsch. Trump hatte behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug erleichtere.
Der Präsident reagierte darauf, wie er immer reagiert, wenn er in die Defensive gerät: Er schaltete auf Attacke. Viele Republikaner wie er selbst hätten das Gefühl, dass die sozialen Medien konservative Stimmen „konsequent totschweigen“, teilte er am Mittwoch mit – per Twitter. Und drohte den Plattformen ganz offen: Die Regierung werde sie künftig „streng regulieren, oder ganz schließen“.
Nun hat das Weiße Haus eine Verfügung des US-Präsidenten zu sozialen Medien angekündigt. Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte am Mittwochabend (Ortszeit) auf Trumps Rückflug von Cape Canaveral nach Washington Angaben mitreisender Journalisten zufolge, Trump werde an diesem Donnerstag eine Verfügung zu sozialen Medien unterzeichnen.
Details wurden zunächst nicht bekannt. Unklar blieb, auf welcher rechtlichen Grundlage die Regierung eine solche Regulierung unternehmen könnte.
Bereits am Dienstagabend hatte er Twitter vorgeworfen, sich in die Anfang November anstehende Präsidentschaftswahl einzumischen, bei der er wiedergewählt werden möchte: „Twitter unterdrückt die Redefreiheit völlig, und ich als Präsident werde das nicht zulassen“, erklärte er da – selbstverständlich ebenfalls auf dem Kurznachrichtendienst.
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Trump und Twitter, das ist eine einzigartige Verbindung. Ihm folgen auf der Plattform mehr als 80 Millionen Menschen. An manchen Tagen twittert der Präsident über hundert Nachrichten, viele davon beleidigend – und unwahr.
So hat er nach Recherchen der „Washington Post“ seit Beginn seiner Amtszeit am 20.Januar 2017 mehr als 18.000 falsche oder irreführende Aussagen getätigt. Über diesen Kommunikationskanal umgeht Trump die klassischen Medien, die er immer wieder kritisiert, und wendet sich direkt an die Amerikaner. Dass er davon lassen könnte, ist schwer vorstellbar.
Twitter hatte vor zwei Wochen seine Regeln verschärft
Angesichts der in der Corona-Krise massenhaft grassierenden Verschwörungstheorien und Falschmeldungen hatte Twitter vor gut zwei Wochen seine Regeln verschärft. Dass diese nun auch auf den Präsidenten angewendet werden, halten viele für überfällig.
Unter Trumps Tweets, in denen er behauptete, bei einer Briefwahl könnten Stimmzettel gestohlen, gefälscht, „illegal ausgedruckt“ und „betrügerisch ausgefüllt“ werden, setzte das Unternehmen einen Link, der die Leser auf weiterführende Informationen hinweist: „Finden Sie hier die Fakten über Briefwahl“, steht da nun.
Klickt man diesen an, gelangt man auf eine Twitter-Seite, in der Trumps Behauptungen als „falsch“ und „unbegründet“ bezeichnet werden. Auch stimme nicht, dass der Bundesstaat Kalifornien Briefwahlunterlagen an ausnahmslos alle Einwohner versenden würde. In Wahrheit erhielten diese nur registrierte Wähler. Als Quelle nennt Twitter dabei unter anderem den Sender CNN und die „Washington Post“, die die Amtszeit von Trump kritisch begleiten und von diesem immer wieder als „Fake News“ und sogar als „Feinde des Volkes“ bezeichnet werden.
Mehr als 100.000 Corona-Tote in den USA
Dass die USA derzeit verstärkt über eine Ausweitung der Briefwahl diskutieren, liegt an der Coronavirus-Krise und der Erwartung, dass manche der Schutzmaßnahmen auch noch gegen Ende des Jahres in Kraft sein werden. Die Vereinigten Staaten leiden besonders stark unter der Pandemie. Am Mittwoch wurde hier die Schwelle von 100.000 Menschen überschritten, die an den Folgen des Virus gestorben sind – mehr als in jedem anderen Land.
Obwohl vielerorts die Zahl der Infektionen weiter stark ansteigt, lockern fast alle Bundesstaaten langsam wieder die Ausgangsbeschränkungen – auch, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen des Shutdowns enorm sind. Fast 40 Millionen Amerikaner haben seit Beginn der Krise bereits ihren Job verloren. Vor allem deshalb drängt Trump darauf, dass die Wirtschaft so schnell wie möglich hochfährt. Er fürchtet, dass die doppelte Krise sich auf seine Wiederwahlchancen negativ auswirkt.
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Eine Fox-News-Umfrage ärgert Trump besonders
Offenbar zu Recht, das legen die aktuellen Umfragen nah. Vor allem die seines Lieblingssenders Fox News ärgert den Präsidenten gerade. In der Umfrage, die in der vergangenen Woche landesweit durchgeführt wurde, lag der designierte demokratische Herausforderer Joe Biden gut fünf Monate vor der Wahl mit 48 Prozent deutlich vor Trump (40 Prozent). Auch in manchen der möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaaten verlor der Amtsinhaber an Zustimmung.
Eine Ausweitung der Briefwahl würde, so fürchten die Republikaner, letztlich nur den Demokraten nutzen. Trump griff daher vor allem den demokratischen Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, an. „Jeder, der laufen kann, wird in Kalifornien einen Wahlzettel bekommen“, behauptete er am Dienstag im Weißen Haus.
Er werde nicht zulassen, dass Wahlzettel dann auch an Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis versandt würden, die gar kein Wahlrecht hätten. Mit solchen Aussagen, so fürchten Kritiker, schüre Trump schon jetzt Zweifel am Wahlergebnis für den Fall, dass er im November gegen Biden verliert.