Laschet laviert in der Klimafrage: „Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik“
Armin Laschet fordert als Reaktion auf die Unwetter mehr Tempo beim Klimaschutz. Kurz darauf will er davon nichts mehr wissen.
Es ist ein Jahrhunderthochwasser, das den Westen Deutschlands heimsucht. Es gibt Dutzende Tote und Verletzte. Die extremen Niederschläge sind laut vielen Experten auch eine Folge des Klimawandels.
Einige der am schlimmsten betroffenen Landkreise befinden sich in Nordrhein-Westfalen, wo Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, Ministerpräsident ist. Und so stellt sich die Frage: Wie reagiert Laschet auf die Unwetterkatastrophe? Ändert er seine Klimapolitik?
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„Wir müssen NRW klimafester machen“, sagt Laschet auf einer Pressekonferenz zu der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen am Freitag. Dafür habe man das Klimaanpassungsgesetz im Landtag in NRW beschlossen. „Das ist das erste Gesetz dieser Art in Deutschland“, betont er und auch auf Bundesebene müsse man sehr schnell zu diesen Regelungen zu kommen.
„Wir müssen diesen Weg Deutschlands in Richtung Klimaneutralität noch schneller weitergehen.“ Man müsse jetzt alles dafür tun, den vorgegebenen Fahrplan zur Erreichung der Klimaziele einzuhalten, sagt er. Er betont aber auch, dass das nicht allein in NRW oder in Deutschland gehe. „Hier brauchen wir internationale Anstrengungen.“
Im Interview in der WDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Stunde“ wird Laschet noch einen Tag zuvor mit der Frage zu seiner Klimapolitik und ob er diese nach den Ereignissen nun ändern wolle, konfrontiert. Doch der Kanzlerkandidat reagiert ausweichend und patzig.
WDR-Moderatorin Susanne Wieseler beginnt das Interview (ab Minute 19:30 im Video unten) mit den Worten Laschets, der am Donnerstagmorgen noch mehr Tempo beim Klimaschutz („Wir werden immer wieder mit solchen Ereignissen konfrontiert werden und das bedeutet, dass wir bei den Maßnahmen zum Klimaschutz mehr Tempo brauchen - europäisch, bundesweit, weltweit“) eingefordert hatte und fragt: „Bedeutet das, Sie haben heute tatsächlich neue Erkenntnisse gewonnen, neue Einsichten, ein anderes Bewusstsein durch diese Jahrhunderthochwasser, das viele Leid?“
Laschet jedoch umgeht eine direkte Antwort und sagt, dass es jetzt um die Menschen in NRW gehe und darum, ihnen zuzuhören.
Kurz darauf zählt der Ministerpräsident dann doch auf, welche Klimaerfolge er seiner Meinung nach vorzuweisen hat: das kürzlich verabschiedete Klimaanpassungsgesetz in NRW zum Beispiel, die CO2-Einsparungen, der Ausstiegsfahrplan bei der Braunkohle.
Wieseler erklärt Laschet daraufhin, dass sie das alles wisse und die Zahlen kenne. Sie fragt erneut: „Ist das für Sie kein Wendepunkt?“
Und Laschet? Er unterstellt Wieseler einen parteipolitischen Streit zu beginnen und wirft hinterher: „Wenn Sie mir eine Frage stellen, darf ich Ihnen auch antworten. Ich würde uns beiden empfehlen, jetzt nicht Parteipolitik zu machen, sondern alles zu tun, dass diese Krise überwunden wird.“
„Entschuldigung, junge Frau“
Weil Laschet jedoch keine klare Antwort auf die Frage gibt, hakt die Journalistin noch einmal nach. Sie erklärt erneut, worauf ihre Frage abzielt, dass es sich bei der Flut um eine Jahrhundertkatastrophe, einen Wendepunkt handele.
Ob er das nicht so wahrnehme und umsteuern wolle?
Dann entfährt Laschet der Satz, der auf Twitter für rege Diskussionen sorgt: „Entschuldigung ... , weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik.“
Dass Laschet der Moderatorin zum Ende des Interviews während ihrer Abmoderation ins Wort fällt, passt ins Bild. „Die Frage, wie man den Klimawandel bekämpft, ist eine internationale Frage. Das jetzt so zu banalisieren ...“, sagt Laschet, der sich zwischenzeitlich nicht an den Namen seiner Gesprächspartnerin erinnern konnte.
Das brachte Laschet neben seinen Aussagen zum Klimaschutz eine Debatte unter dem Hashtag #JungeFrau ein. Viele Nutzer glauben, in dem hitzigen Dialog mit der Moderatorin den NRW-Ministerpräsidenten und CDU-Chef Laschet „Entschuldigung, junge Frau“ sagen zu hören und kritisieren das als nicht angemessen. Wer die Sequenz genau abhört, merkt aber, dass es sich wohl um einen Versprecher handelt.
Wieseler nimmt Laschet in Schutz
Wieseler selbst nahm Laschet mit mehreren Tweets in Schutz und schrieb noch am Abend: „Allerdings: Ich höre gar nicht, dass er das wirklich sagt.“
Am Freitagmorgen kommentierte Wieseler die Deutung des „Spiegel“-Journalisten Markus Feldenkirchen, dass Laschet einfach nur rheinisch gesprochen und ihren Namen vielleicht wegen der „guten, scharfen Interviewführung“ vergessen habe, mit: „Sehe ich auch so - und hoffe, dass es diesen kausalen Zusammenhang gibt.“
Der CDU-Chef selbst wies den Vorwurf am Freitag zurück: „Der Satz ist nicht gefallen. Er gehört übrigens auch nicht zu meinem Sprachgebrauch, und die Moderatorin hat das ja inzwischen selbst klar gestellt.“ Was Laschet stattdessen gesagt hatte, ließ er offen.
Laschet zugeschaltet bei Maybrit Illner
Am Abend war Laschet dann aus dem Ort Stolberg bei Aachen in der Sendung von Maybrit Illner zugeschaltet. Es ist seine Heimat. Auch hier: Katastrophengebiet.
[Mehr zum Thema: Die Katastrophe rückt den Kampf gegen die Klimakrise ins Zentrum (T+)]
Im Gespräch erinnert Laschet dieses Mal zuerst an die Opfer der Überschwemmungen. Er spricht über die Menschen, die Angehörige verloren haben, und von den Helfern. Er spricht von einem Feuerwehrmann, der im Einsatz starb. Er spricht von den Wohnungen, die von den Fluten leergespült wurden, die er besuchte.
Doch auch hier stehen wichtige Fragen im Raum, die beantwortet werden müssen: Kann eine ambitionierte Klimapolitik verhindern, dass solche Ereignisse in Folge der Erderwärmung künftig häufiger auftreten? Und was kommt jetzt? Ein Umdenken?
Laschet verfällt in den Wahlkampfmodus: „Wir müssen jetzt Wege finden, wie wir ganz schnell alles wieder in Gang setzen hier.“ Er spricht auch bei Illner vom Kohleausstieg, bei dem sein Bundesland vorangegangen sei, wie kein anderes. Das nehme viel CO2 aus der Luft, sagte er.
Laschet spricht auch darüber, dass er sich für grünen Wasserstoff einsetzt, spricht von einer klimaneutralen Industrie und kündigt neue Bahn-Projekte an. Er sagt: „Wir müssen Industrieland bleiben.“ Die Frage, ob es ein klimafreundliches Industrieland wird, lässt er offen.
Illner verabschiedet sich mit einem „Glück auf“, sie wolle ihn in so einer Situation nicht weiter aufhalten. „Vielen Dank für das Verständnis, aber man muss in so einem Moment auch hier sein“, sagt Laschet.