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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim Besuch des Jägerbataillons 291 der Bundeswehr in Illkirch.
© Patrick Seeger/dpa
Update

Bundeswehr: Wehrmachts-Andenken in weiterer Bundeswehrkaserne entdeckt

In Donaueschingen werden Wehrmachts-Devotionalien entdeckt, auch in Illkirch werden neue Vorfälle bekannt. Außenminister Gabriel macht die Union für Fehlentwicklung der Bundeswehr verantwortlich.

In der Kaserne des rechtsextremen Bundeswehroffiziers Franco A. in Illkirch hat es nach „Bild“-Informationen bereits 2012 einen Skandal mit Nazi-Symbolen gegeben. Entsprechende Informationen habe das Verteidigungsministerium bestätigt, berichtet das Blatt. Danach hätten Bundeswehrsoldaten in der Nacht des 7. November 2012 ein vier Meter großes Hakenkreuz auf den Boden der Kaserne der Deutsch-Französischen Brigade gestreut. Anlass sei offenbar ein Champions-League-Spiel zwischen Bayern München und dem französischen Fußballclub OSC Lille gewesen.

Der Fall sei aber unverzüglich den direkten Vorgesetzten sowie dem Ministerium und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) gemeldet worden. Laut Verteidigungsministerium seien damals 20 Soldaten vernommen, drei von ihnen mit Geldbußen belegt und aus der Bundeswehr entlassen worden. Franco A. war damals aber noch nicht in Illkirch, er wurde erst im Februar 2016 zum dortigen Jägerbataillon 291 versetzt.

Weiterhin sind offenbar auch in einer Kaserne im baden-württembergischen Donaueschingen Wehrmachtsobjekte entdeckt worden. Es handle sich um Devotionalien im Stil dessen, was bereits in der Kaserne im elsässischen Illkirch gefunden wurde, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Samstag einen Bericht von "Spiegel online". Strafrechtlich relevante Gegenstände oder Darstellungen - also etwa Hakenkreuz-Zeichnungen - seien nach derzeitigem Kenntnisstand nicht darunter. In Donaueschingen ist das Jägerbataillon 292 stationiert, das ebenso wie das in Illkirch betroffene Jägerbataillon 291, dem A. angehört, zur Deutsch-Französischen Brigade zählt.

In Donaueschingen werden Wehrmachtshelme vor der Kantine ausgestellt

Nach einem Hinweis seien in der Fürstenberg-Kaserne in Donaueschingen in einer Vitrine vor der Kantine Stahlhelme der Wehrmacht gefunden worden, berichtete Spiegel online. Außerdem gebe es dort ähnlich wie in Illkirch einen Raum, der mit Bildern von Wehrmachtssoldaten, einer Wehrmachtspistole, weiteren Stahlhelmen und diversen Orden geschmückt sei. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Illkirch am Mittwoch klargestellt, dass sie eine Verehrung der Wehrmacht in der Truppe nicht dulden will. "Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr", sagte sie. "Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand, aber sonst hat die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein."

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rechnet daher damit, dass noch weitere rechtsextreme Vorfälle in der Truppe bekannt werden. „Wir müssen uns darauf einstellen, das ist meine tiefe Überzeugung, dass das, was wir bisher wissen, nicht alles ist, sondern, dass sich dort noch mehr zeigen wird“, sagte sie am Freitagabend in der ARD. „Das ist bitter für uns und uns alle in der Bundeswehr.“ Noch sei unklar, ob Franco A. tatsächlich Anschläge geplant habe. „Das kann man nicht ausschließen“, sagte die Ministerin. Auch ob es rechtsextreme Netzwerke in der Truppe gebe, sei noch offen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den inhaftierten Franco A. wegen des Anfangsverdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht die Union in der Verantwortung für die aktuellen Probleme bei der Bundeswehr. Diese seien das Ergebnis einer längeren Fehlentwicklung, die mit der „verkorksten Bundeswehrreform“ des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) begonnen habe, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Damals sei versucht worden, die Bundeswehr zum „Sparschwein“ des Bundeshaushaltes zu machen.

Gabriel wies darauf hin, dass das Verteidigungsministerium seit nunmehr zwölf Jahren von der Union geführt wird. Heute beklage Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) das Fehlen von Personal und Ausstattung. Zu dieser Verantwortung müsse die Union jetzt auch stehen: „Wer von Soldaten Mut zur Verantwortung verlangt, muss sie selbst auch aufbringen“, sagte der Vizekanzler.

Gabriel vertrat die Ansicht, angesichts der jüngsten Affären scheine es angebracht, auch die Instrumente der Inneren Führung der Bundeswehr neu auszurichten. Diese seien offenbar noch sehr an einer Wehrpflichtarmee orientiert, bei der die Transparenz weitaus größer gewesen sei als in Streitkräften mit ausschließlich Berufs- und Zeitsoldaten. „Geheimstrukturen“ wie im Fall des rechtsextremen, terrorverdächtigen Offiziers Franco A. wären bei der Wehrpflichtigenarmee vermutlich viel früher aufgeflogen, meinte Gabriel.

Linke und Grüne werfen MAD "Versagen" vor

Der Zentralrat der Juden in Deutschland befürchtet, dass dieser Fall nur „die Spitze eines Eisbergs“ ist. Der Vorsitzende Josef Schuster verwies in der „Rheinischen Post“ auf eine Umfrage des Verteidigungsministeriums von 2007, wonach sich schon damals vier Prozent der befragten Soldaten vorstellen konnten, rechtsextremistische Parteien wie NPD oder DVU zu wählen.

Die Vertreter von Linken und Grünen im Parlamentarischen Kontrollgremium, das im Bundestag für die Geheimdienstaufsicht zuständig ist, warfen dem Militärischen Abschirmdienst Versagen vor. Ausschuss-Vize André Hahn von der Linkspartei sagte der Chemnitzer „Freien Presse“: „Der MAD kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Seine bislang angewandten Methoden zum Schutz der Bundeswehr vor inneren Gefahren sind nach Lage der Dinge völlig unzureichend.“

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) rief die Bundeswehr auf, mit aller Härte gegen Rechtsextremisten in den eigenen Reihen vorzugehen. „Wenn solche Dinge öffentlich werden, müssen die Verantwortlichen mit aller Schärfe darauf reagieren. Im Interesse der Bundeswehr muss das im Keim erstickt und konsequent geahndet werden“, sagte er der „Rheinischen Post“. (dpa/Reuters)

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