Beugehaft für Söder und Kretschmann?: Wegweisender Prozess startet am EuGH
Die Deutsche Umwelthilfe wirft der bayerischen und baden-württembergischen Regierung vor, sich nicht an Urteile zu halten und fordert deshalb Beugehaft.
Können deutsche Politiker und Topbeamte demnächst in Beugehaft kommen, weil sie die Urteile deutscher Gerichte zur Luftreinhaltung nicht umsetzen? Um diese Frage geht es bei einem Verfahren, bei dem am Dienstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die mündliche Verhandlung stattfand. Der Vorsitzende Richter hat zunächst den beiden Parteien, auf der einen Seite die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und auf der anderen Seite die bayerische Landesregierung, die Möglichkeit gegeben, ihre Sicht der Dinge vor dem Gericht darzustellen, dem 15 Richter angehören.
Eine Entscheidung fällt erst in einigen Monaten. Doch das Urteil wird weitreichende Folgen für die Debatte um Fahrverbote in deutschen Großstädten haben. Die Umwelthilfe wirft auch der baden-württembergischen Regierung vor, dass sie sich nicht an Urteile zu Luftreinhaltungsplänen hält. Sollten die EuGH-Richter die Möglichkeit einer Beugehaft bejahen, wären also auch Ministerpräsidenten wie Markus Söder, Winfried Kretschmann und Mitglieder ihrer Regierungen von Beugehaft bedroht.
Hintergrund des Verfahrens ist, dass sich der bayerische Verwaltungsgerichtshof im November mit der Bitte um Klärung an den EuGH, das höchste Gericht in der EU, gewandt hat. Die Frage lautet, „ob die von der Deutschen Umwelthilfe beantragte Anordnung einer Zwangshaft gegenüber staatlichen Amtsträgern zur Durchsetzung einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung unionsrechtlich möglich beziehungsweise geboten ist“.
Bayerische Regierungsmitglieder setzen sich über Gerichtsurteile hinweg
Die Umwelthilfe hatte 2012 vor dem bayerischen Gericht einen Sieg erringen und durchsetzen können, dass Diesel-Fahrverbote in der bayerischen Hauptstadt kommen müssen. Das Urteil ist bereits seit 2014 rechtskräftig. Weil dieses Urteil aber notorisch nicht umgesetzt wurde, hatte das bayerische Gericht Zwangsgelder in Höhe von jeweils 10.000 Euro gegen den Freistaat verhängt. Zwangsgelder sind in diesem Fall aber ein stumpfes Schwert, da sie ohnehin wieder in den Kassen des Landes landen. Daraufhin beantragte die DUH, die derzeit in Gerichtsverfahren Maßnahmen für bessere Luft in 37 deutschen Städten durchsetzen will, vor dem bayerischen Verwaltungsgericht Zwangshaft.
Das bayerische Gericht entschied nichts zur Sache, sondern wandte sich an das EU-Gericht. Die bayerischen Verwaltungsrichter hielten aber nicht mit ihrer Verärgerung darüber hinter dem Berg, dass bayerische Regierungsmitglieder sich über gültige Gerichtsurteile einfach hinwegsetzen. „Die vorliegend zu verzeichnende Missachtung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen durch die vollziehende Gewalt kann nicht hingenommen werden“, schrieben die Verwaltungsrichter. Das deutsche Recht sieht zwar Beuge- oder Zwangshaft vor, nicht aber, wenn die handelnden Personen Minister oder hohe Beamte sind.
Wie das Urteil ausgeht, kann niemand vorhersagen. Allerdings ist auffällig, dass der EuGH bei Fragen zur Luftreinhaltung stets strenge Maßstäbe angesetzt hat. So etwa, als es darum ging, ob bei Luftqualitätsmessungen in den Ballungsgebieten Mittelwerte verschiedener Messstationen gebildet werden dürfen. Zudem entschieden die Luxemburger Richter, dass die Gerichte in den Mitgliedstaaten verpflichtet sind, gegenüber den Behörden „jede erforderliche Maßnahme zu erlassen“. Ob dies auch Beugehaft einschließt, bleibt abzuwarten. Letztlich muss man aber davon ausgehen, dass ein EU-Gericht hohes Interesse daran hat, dass EU-Recht von den Mitgliedstaaten auch konsequent angewandt wird.
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