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 Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender (re.) und Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans haben die Entscheidung über Drohnen auf Eis gelegt.
© dpa

Drohnen, atomare Teilhabe, Nato-Beitrag: Wegducken gilt nicht

Die SPD ist kein Debattierclub, sondern sie will regieren. Dazu braucht sie eine ernsthafte Sicherheitspolitik. Ein Gastbeitrag.

Hans-Peter Bartels ist ehemaliger Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages (2015-20). Eckhard Lübkemeier ist Botschafter a.D. Beide sind SPD-Mitglieder.

Sozialdemokraten sind stolz auf Willy Brandt, der 1971 als Bundeskanzler den Friedensnobelpreis erhalten hat. Die SPD hat sich immer als Friedenspartei verstanden, der auch Pazifisten angehören, aber sie war nie eine pazifistische Partei.

Die Ost- und Entspannungspolitik, für die Brandt stand, war nur möglich aus einer Position der festen Westintegration, zu der eine Nato gehörte, die dem Doppelansatz von politischem Dialog und Abschreckung durch militärische Stärke folgte.

Das hatte nicht nur eine außenpolitische Bedeutung. Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder als Bundeskanzler und die bisher fünf SPD-Verteidigungsminister haben gewusst, dass man nur regieren kann, wenn die Deutschen der SPD auch zutrauen, für Sicherheit zu sorgen.

Und heute? Wir sind beunruhigt, dass die SPD sicherheitspolitisch dabei ist, ihre Regierungsfähigkeit zu gefährden. Beispielhaft dafür ist der Umgang mit dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato, der nuklearen Teilhabe und der Bewaffnung von Drohnen. Dazu darf und soll es unterschiedliche Meinungen geben. Doch die SPD ist nicht nur ein Debattierclub, sie ist eine Partei, die regieren will.

Manche Bedrohung kann nur mit militärischer Gegenacht neutralisiert werden

Frieden und Sicherheit, Wohlstand und demokratische Stabilität können wir nur im Verbund mit unseren europäischen Nachbarn und den USA gewinnen. Ohne das Fundament der EU und der trans-atlantischen Partnerschaft wären wir kein globaler Mitspieler, sondern ein Spielball anderer.

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Dafür braucht es auch Militär. Wahr ist: Militär allein genügt nicht. „Es gibt keine militärischen Lösungen“ – eine Aussage, die abgedroschen wirkt, weil sie häufig nur dazu dient, Unbequemem und Unpopulärem auszuweichen. Aber auch Binsen bleiben Wahrheiten: Für stabilen Frieden und verlässliche Sicherheit braucht es Vertrauen und Kooperation, Entwicklung und einen langen Atem.

Doch ohne Militär geht es eben auch nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn es Bedrohungen gibt, die nur mit militärischer Gegenmacht neutralisiert werden können.

Ohne Militär geht es nicht - hier Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.
Ohne Militär geht es nicht - hier Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.
© picture alliance / Michael Kappe

Die EU ist eine Friedensgemeinschaft, in der Krieg undenkbar geworden ist. Gäbe es nur die EU, ihre Mitglieder könnten ihre Streitkräfte abschaffen. Die Welt ist jedoch weit entfernt davon, eine Friedensgemeinschaft zu sein oder zu werden. Solange das so bleibt, wird Deutschland auf militärische Mittel angewiesen sein.

Was nicht geht: Sich der Verpflichtung durch NIchterfüllung entziehen

Politik ist nie abstrakt, es geht immer um konkrete Fragen. So beim Nato-Richtwert, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Nach der Krim-Annexion durch Russland beschloss die Nato im Juni 2014, dass alle Mitgliedstaaten, die diesen Wert bereits erreichen, ihn nicht unterschreiten, während diejenigen, die ihn noch nicht erfüllen, dies bis 2024 nachholen.

Unter dieser Erklärung stehen die Unterschriften von Bundeskanzlerin Merkel und vom SPD-Außenminister Steinmeier. Man kann debattieren, ob ein solches Kriterium sinnvoll ist: Würden die Gehälter der Soldatinnen und Soldaten drastisch erhöht, könnte Deutschland der vereinbarten Quote nahekommen, ohne dass die Schlagkraft wachsen würde.

Was man nicht machen kann, ist, sich der Verpflichtung durch Nichterfüllung zu entziehen. Das aber tut Deutschland, weil es erst bis 2031 bei zwei Prozent sein will. Wer die Stärkung des Bündnisses auf diesem Weg für falsch hält, müsste bei den Nato-Partnern für eine Revision eintreten. Alles andere gefährdet die Grundfesten eines Bündnisses: alle für einen, einer für alle.

Atomaren Schutz ohne Atomwaffen auf deutschem Boden gibt es nicht

Das gilt ebenso für die nukleare Teilhabe. Neben Deutschland sind in Belgien, Italien und den Niederlanden US-amerikanische Atombomben stationiert. Sie sollen von Flugzeugen dieser Länder nach Autorisierung durch die USA ins Ziel gebracht werden.

Ihr Hauptzweck ist politischer Natur: Sie sind Teil der Lasten- und Risikoteilung im Bündnis und sollen den Stationierungsländern Einfluss auf die US-Nuklearstrategie gewähren. Auch den Sinn und Nutzen der nuklearen Teilhabe kann man politisch bezweifeln. Und wer Nuklearwaffen generell ablehnt, wird sich auch gegen die nukleare Teilhabe wenden.

Nur kann man nicht beides haben: nuklearen Schutz durch die USA, aber keinesfalls Atomwaffen auf deutschem Boden – es sei denn, die Nato-Nuklearstrategie würde einvernehmlich geändert. Und was man erst recht nicht haben kann, ist ein einseitiger Ausstieg Deutschlands aus der atomaren Abschreckung, etwa durch einen Beitritt zum neuen „Atomwaffenverbotsvertrag“. Das ginge nur durch einen Austritt aus der Nato. Was die SPD zu Recht nicht will.

Nach jahrelangen Debatten über Drohnen muss auch einmal entschieden werden

Drittes Beispiel: Drohnenbewaffnung. Es gibt gute Gründe, sie zu problematisieren. Das ist durch jahrelange Debatten geschehen. Doch Politik hat das Privileg, entscheiden zu können, aber auch die Bürde, entscheiden zu müssen. Erst recht, wenn es um die bestmögliche Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten geht. Bewaffnete Aufklärungsdrohnen dienen ihrem Schutz. Auch das kann man bestreiten, aber es enthebt nicht der Notwendigkeit, so oder so eine Entscheidung zu treffen.

Aber wenn nicht nur der oberste Soldat der Bundeswehr, sondern auch die Soldatengewerkschaft und die SPD-Verteidigungspolitiker diesen Schutz befürworten, dann wirkt weitere Vertagung wie ein Nein. Und welches Zeugnis stellen jene, die befürchten, bewaffnete Drohnen könnten zu Angriffskriegen und ungesetzlichen Tötungen verführen, der deutschen politischen Führung – zu der auch unser Parlament gehört – sowie der Bundeswehr eigentlich aus?

Auch die CDU, die seit 15 Jahren die Verteidigungsminister stellt, verdrängt

Das Zwei-Prozent-Ziel, die nukleare Teilhabe und die Drohnenbewaffnung – diese Streitthemen stehen für die Verdrängung sicherheitspolitischer Verantwortung. Nicht nur in der SPD. Dass Deutschland seinen Nato-Verpflichtungen nicht nachkommt, ist unter CDU/CSU-geführten Regierungen geschehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Zwei-Prozent-Ziel unterschrieben. Entweder man erfüllt es - oder man eröffnet die Debatte neu.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das Zwei-Prozent-Ziel unterschrieben. Entweder man erfüllt es - oder man eröffnet die Debatte neu.
© dpa

Nach 15 Jahren eines CDU-geführten Verteidigungsministeriums leidet die Bundeswehr unter massiven Ausrüstungsmängeln. Keiner der drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz hatte in seinem programmatischen Bewerbungspapier die Bundeswehr und das Thema Verteidigung mit einem einzigen Satz bedacht.

Deutschland braucht, was ein Navigationsgerät im Auto meldet, wenn man sich verfahren hat: „Route wird neu berechnet“. Die Welt wird uns nicht in Ruhe lassen. Putin-Russland bleibt ein aggressiver Nachbar, China ein selbstherrlicher Herausforderer, es droht ein amerikanisch-chinesischer Großkonflikt, Gewalt und Terror wuchern weiter.

Im Gegensatz zu Trump weiß Präsident Biden um den Wert von Partnerschaften. Doch angesichts der Verheerungen zuhause wird er von uns noch mehr sicherheitspolitische Eigenverantwortung erwarten.

Bereits 2014 hatte Bundespräsident Gauck zusammen mit Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier angemahnt, dass sich Deutschland früher, entschiedener und substantieller einbringen solle. Politische Führung sollte das besonders in einem Wahljahr deutlich machen.

Hans-Peter Bartels, Eckhard Lübkemeier

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