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Zufrieden. Andrea Nahles vor Beginn der Fraktionssitzung am Dienstag in Berlin.
© Thomas Köhler/imago/photothek

Einigung der SPD: Weg frei für Andrea Nahles als Fraktionschefin

Der rechte Flügel war zunächst dagegen. Dennoch winken die Sozialdemokraten Andrea Nahles flugs als Fraktionsvorsitzende durch.

Nach anfänglichem Widerstand des rechten Flügels der SPD ist nun der Weg frei für die Wahl von Andrea Nahles zur SPD-Fraktionschefin im Bundestag. Der Geschäftsführende Fraktionsvorstand nominierte die bisherige Arbeitsministerin auf Vorschlag von SPD-Chef Martin Schulz am Dienstagmittag einstimmig. Nahles soll an diesem Mittwoch gewählt werden.

Der konservative „Seeheimer Kreis“ in der SPD hatte zuvor das hohe Tempo der Personalentscheidung kritisiert und verlangt, an der Diskussion über den Fraktionsvorsitz beteiligt zu werden. Dabei ging es vor allem um die Durchsetzung eigener Kandidaten für Spitzenpositionen im Bundestag. Erster Parlamentarischer Geschäftsführer („PGF“) der Sozialdemokraten im Bundestag soll auf Vorschlag von Nahles nun der Abgeordnete Carsten Schneider werden. Der Thüringer ist einer der Sprecher des „Seeheimer Kreises“.

Heil will nur bis Dezember Generalsekretär bleiben

Der niedersächsische Abgeordnete Hubertus Heil, der ebenfalls als „Erster PGF“ im Gespräch gewesen war, soll nun bis auf Weiteres als SPD-Generalsekretär im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale, bleiben. Das Amt hatte der stellvertretende Fraktionschef erst im Juni übernommen, seine Arbeit war flügelübergreifend gelobt worden.

Schon von 2005 bis 2009 war Heil Generalsekretär gewesen. Heil erklärte am Dienstag, der Parteichef habe ihn gebeten, im Willy-Brandt-Haus zu bleiben. Er wolle den Posten aber nur bis zum Parteitag im Dezember ausfüllen. „Ich habe nicht vor, erneut zu kandidieren.“ Falls Parteichef Schulz doch noch zurücktreten muss und eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger den Posten übernimmt, dürfte auch die Position des Generalsekretärs neu besetzt werden. Noch aber kann sich Schulz von der SPD als tapferer Wahlkämpfer feiern lassen. Bei seinem Auftritt vor der Fraktion gab es am Dienstag stehenden Applaus der scheidenden und neuen Abgeordneten.

Den Personalentscheidungen war ein hartes Ringen vorausgegangen. Der Chef der „Seeheimer“, Johannes Kahrs, soll damit gedroht haben, den Neuanfang in der Fraktion nicht mitzutragen und eine schnelle Wahl zu blockieren, um seinen Favoriten Schneider durchzusetzen. Damit wäre der Neustart verstolpert und gleichzeitig die Autorität des Parteichefs und der designierten Fraktionsvorsitzenden beschädigt worden. Auf Bitten von Schulz zog Heil seine Bewerbung als „PGF“ dann zurück.

Der scheidende Fraktionschef Thomas Oppermann nannte die Entscheidung für Nahles „ein Signal der Erneuerung“. Er fügte hinzu: „Wir werden jünger, wir werden weiblicher, wir werden sicher insgesamt dynamischer.“

Der Erfurter Schneider war 1998 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden. Mit nur 22 Jahren war der Bankkaufmann damals jüngster Abgeordneter aller Zeiten. Von Anfang an gehörte er dem einflussreichen Haushaltsausschuss an und kämpfte früh für die Schuldenbremse, die auf dem linken Flügel der SPD bis heute umstritten ist. In der vergangenen Legislaturperiode war er als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die Themen Haushalt, Finanzen und Euro zuständig. Der politische Betrieb kenne Schneider als „versierten Finanz- und Haushaltsfachmann“, sagte Oppermann.

Abgeordnete fordern Reformbereitschaft der Parteispitze

Schneiders Ernennung sei nicht nur ein Zeichen der Erneuerung, sondern auch „ein Signal an die neuen Länder, dass wir hier stärker werden wollen“, meinte der scheidende Fraktionschef. Die SPD hatte am Sonntag im Osten mit Ergebnissen zwischen 10,5 Prozent (Sachsen) und 17,6 Prozent (Brandenburg) besonders schlecht abgeschnitten. Sie wurde in allen fünf Ländern von der AfD überholt. Sieht man von Berlin ab, so konnte die SPD östlich der Elbe mit Potsdam lediglich in einem Wahlkreis ein Direktmandat holen. Alle anderen gingen entweder an die Union oder die AfD.

In der Fraktion wurde das Personalpaket am Dienstag begrüßt. Einzelne Abgeordnete machten am Rande der Sitzung aber deutlich, dass sie angesichts der Krise der SPD hohe Erwartungen an die Reformbereitschaft der Parteispitze hegen. „Es kommt darauf an, dass die Parteiführung Ernst macht mit der Erneuerung“, mahnte beispielsweise der Abgeordnete Niels Annen. Er sei „entschlossen, nicht zuzulassen, dass wir einfach so weitermachen“. Es dürfe in dem Aufarbeitungsprozess „keine Tabus“ geben. Nicht nur Inhalte, auch Personen müssten „hinterfragt“ werden. Annen, ein Vertreter des linken Parteiflügels, kommt aus Hamburg. Olaf Scholz, der Erste Bürgermeister der Hansestadt, ist stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender. Der enge Verbündete der künftigen Fraktionschefin Nahles gilt als möglicher Nachfolger von Schulz für den Fall, dass der Vorsitzende nach der Landtagswahl in Niedersachsen sein Amt verlieren sollte.

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