zum Hauptinhalt
Mehr als 1000 Menschen kamen während der Revolution 1989, mit der das Regime von Staatschef Nicolae Ceausescu gestürzt wurde, ums Leben. Der neue rumänische Präsident Klaus Johannis legte am Montag auf der Straße an der Universität in Bukarest einen Kranz zum Gedenken an die Opfer nieder.
© Reuters

Vor 25 Jahren wurde Rumäniens Staatschef Ceausescu gestürzt: Was von der Revolution der Mitläufer blieb

Vor 25 Jahre ist der Ceausescu-Clan in Rumänien gestürzt worden. Doch das Land tut sich seither schwer mit dem Wandel. Die Vergangenheit wurde nicht tiefgründig aufgearbeitet und alte Netzwerke überlebten.

Dieses Jahr ist die feierliche Beleuchtung rund um den Revolutionsplatz in Bukarest pompöser denn je zuvor. Sie lässt die frisch renovierten Altbauten der Innenstadt glänzen und lockt in schicke Cafés. Ein Reiseführer erklärt einer Touristengruppe aus Deutschland, dass der berüchtigte Diktator Nicolae Ceausescu genau aus diesem Gebäude mit seinem Helikopter fliehen musste, nachdem seine letzte Rede vor 25 Jahren, am 22. Dezember 1989, von massiven Buhrufen unterbrochen worden war. Schon drei Tage später, am 25. Dezember, wurden er und seine Frau Elena in der Provinzkaserne von Tirgoviste hingerichtet.

Von seinem Bronzepferd blickt auf dem Revolutionsplatz Karl I. von Hohenzollern, der erste König Rumäniens, auf die Menge herab. Sein Wunsch, das Land einem radikalen Europäisierungsprogramm zu unterziehen, scheint sich 150 Jahre nach seiner Thronbesteigung und ein Vierteljahrhundert nach der letzten antitotalitären Revolution erfüllt zu haben.

Der Enthusiasmus für Europa ist in Rumänien groß

Nirgendwo anders in der EU ist der Enthusiasmus für Europa, Krise hin oder her, so stark wie in Rumänien. Zuletzt wählten die Rumänen überraschend einen Deutschstämmigen zum Präsidenten, der ihnen noch mehr Modernisierung verspricht. Am 21. Dezember wurde Klaus Johannis in sein Amt eingeführt – das Ereignis fiel mit den Feierlichkeiten anlässlich des Revolutionstages zusammen.

In einem Altstadtcafé mit Pariser Charme sitzt Mircea Cartarescu, der bekannteste und meistübersetzte zeitgenössische Schriftsteller im Lande. Im Frühjahr fährt er nach Deutschland, wo er für seine Romantrilogie „Orbitor“ den Leipziger Buchpreis erhalten wird. „Viele Großgrundbesitzer, auch Bojaren genannt, schickten um 1830 ihre Söhne für das Studium nach Paris. Als diese zurückkamen, waren sie bereits von liberalen, oft sogar revolutionären Ideen geprägt. Innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten übernahmen sie die Macht in Bukarest und errichteten von Grund auf eine völlig neue Kultur. Das setzte einen Prozess in Bewegung, der bis heute andauert.“

Der Großteil des Landes blieb in feudalen Strukturen

In der Tat stammen die meisten repräsentativen Bauten in der Bukarester Innenstadt aus dieser Epoche der Turbomodernisierung und des politischen Liberalismus, in der eine kleine Elite einen deutschstämmigen König auf den Thron hob, damit sich das bäuerlich geprägte Land dem Westen zuwandte. „Diese erste Etappe der Europäisierung, die kurz vor dem Zweiten Weltkrieg brutal aufhörte, hat eine durchwachsene Bilanz hinterlassen“, sagt der Historiker Lucian Boia. „Zwar entwickelten sich Bukarest und die Städte in Siebenbürgen schnell, doch der Großteil des Landes blieb tief in feudalen Strukturen verankert.“

Die Zeit der staatssozialistischen Diktatur war in Rumänien nicht weniger paradox. „Ein sehr eigenartiger Kommunismus fast ohne überzeugte Kommunisten am Anfang und fast ohne Dissidenten am Ende“, sagt der Politologe Stelian Tanase, der in den gefährlichen Stunden vom Dezember 1989 auf die Straße ging, um gegen das Regime zu protestieren. „Wir waren fast alle Mitläufer. Es gab einfach keinen nennenswerten Widerstand wie beispielsweise in der DDR, und das erklärt teilweise auch die Schwierigkeiten, die wir in der Transformationsphase hatten.“

Das öffentliche Interesse für Vergangenheitsaufarbeitung ist gering

Wie man mit den Altlasten des Staatssozialismus umgehen soll, ist nach wie vor umstritten. „1990 fehlte uns ein breiter Konsens, was die Richtung der zukünftigen Entwicklung angeht“, stellt der Autor und Verleger Gabriel Liiceanu fest. Bekannte Intellektuelle wie er forderten immer wieder eine grundsätzliche Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit. Doch das öffentliche Interesse daran ist gering. Für Starautor Horia-Roman Patapievici ist mangelnde Vergangenheitsbewältigung einer der Hauptgründe dafür, dass sich Rumänien nur mühsam modernisiert: „Auch wenn die heutigen rumänischen Sozialdemokraten weit von der Ideologie ihrer kommunistischen Vorfahren entfernt sind, haben sie das Netzwerk der alten KP geerbt.“

Seit den 90er Jahren hat sich in Rumänien dennoch viel verändert. Die offizielle Verurteilung des Kommunismus durch das Parlament, die Rückgabe von verstaatlichtem Eigentum, die Privatisierungen, der Nato- und EU-Beitritt sowie die Beteiligung rumänischer Streitkräfte zusammen mit den USA am Krieg im Irak oder die drastischen Sparmaßnahmen, die die damalige wirtschaftsliberale Regierung 2010 durchsetzte, zeugen davon.

Spätestens seit der Wirtschaftskrise werden jedoch auch kritische Stimmen aus dem linken Spektrum lauter. Der Philosophieprofessor Adrian-Paul Iliescu bestreitet etwa, dass die schwierige Transformation Rumäniens hauptsächlich mit dem Staatssozialismus zu tun hat. Vielmehr seien der Elitismus der Modernisierer selbst und ihre mangelhafte demokratische Gesinnung schuld.

Silviu Mihai

Zur Startseite