Lehrer in Paris enthauptet: Was über den Täter und die Tat bisher bekannt ist
Der Mord an einem Lehrer, der Mohammed-Karikaturen zeigte, erschüttert Frankreich. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Terrorakt.
Die brutale Ermordung des Lehrers Samuel Paty in Conflans-Sainte-Honorine, einem Pariser Vorort, erschüttert Frankreich. Der Geschichtslehrer war am Freitagvormittag von einem Mann mit russisch-tschetschenischen Wurzeln ermordet worden. Kurz darauf wurde der mutmaßliche Täter von der Polizei erschossen.
Der 18 Jahre alte Mann hatte kurz nach der Tat noch auf Twitter mit dieser geprahlt. Auf der Nachrichtenplattform veröffentlichte er ein Foto des Lehrers und erklärte, dies sei die Rache an dem, "der es gewagt hat, Mohammed zu erniedrigen".
Den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bezeichnete er als "Anführer der Ungläubigen". Der Twitter-Account des Täters wurde daraufhin schnell gesperrt. Macron nannte die Tat einen "islamistischen Terrorakt". Was bisher über den Anschlag bekannt ist:
Wieso sorgte der Unterricht des Geschichtslehrers für Aufsehen?
Samuel Paty hatte Anfang Oktober in seinem Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt, um mit seinen Schülerinnen und Schülern über Meinungs- und Glaubensfreiheit zu diskutieren. Anlass war die abermalige Veröffentlichung der Karikaturen im Satireblatts „Charlie Hebdo“.
Er überließ es den muslimischen Schülerinnen und Schülern, ob sie die Bilder ansehen wollten oder nicht. Für einige Muslime stellt jegliche Abbildung des Propheten Mohammed eine Gotteslästerung dar.
Wie wurde auf die Unterrichtseinheit reagiert?
Der Vater einer Schülerin hatte online massiv gegen den Geschichtslehrer mobilisiert; er beschwerte sich unter anderem darüber, dass den Schülern Nackt-Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt wurden. Dabei veröffentlichte er etwa auch die Adresse der Schule. Daraufhin wurden die Schule und der Lehrer bedroht.
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Der französische Innenminister Gérald Darmanin erklärte am Montag dem Radiosender "Europe 1", der Lehrer sei Opfer einer Fatwa geworden - einem religiösen Rechtsgutachten - das der Vater einer Schülerin sowie ein bekannter militanter Islamist ausgesprochen hätten. Beide hätten sich für die Entlassung des Lehrers eingesetzt.
Gibt es eine Verbindung zwischen dem Vater und dem Täter?
Sowohl der Vater als auch der bekannte militante Islamist befinden sich in Polizeigewahrsam. Die Staatsanwaltschaft stellte keine Verbindung zwischen dem Vater und dem mutmaßlichen Täter her.
Regierungssprecher Gabriel Attal sagte dem Sender BFM TV, dass diejenigen, die sich an dieser öffentlichen Lynchjustiz beteiligt hätten, auch eine Verantwortung tragen würden. „Ich bin nicht das Justizsystem, ich bin nicht die Polizei, es laufen Ermittlungen, diese Menschen sind in Polizeigewahrsam, aber wir brauchen eine absolut beispielhafte Antwort in dieser Frage.“
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Der Angreifer war in Frankreich bislang nicht im Zusammenhang mit einer Radikalisierung erfasst worden. Allerdings war er bei der Polizei wegen krimineller Delikte bekannt, für die er jedoch nicht verurteilt wurde, wie die Staatsanwaltschaft am Samstag mitteilte.
Die Staatsanwaltschaft machte keine Angaben dazu, ob der mutmaßliche Täter, der in Evreux lebte, selbst einmal Schüler an der Schule des Lehrers gewesen war. Nach der Tat soll er "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen haben.
Gegen welche weiteren Personen wird ermittelt?
Bis Sonntagmorgen wurden im Zusammenhang mit dem Fall elf Menschen festgenommen, darunter die Eltern, der Großvater und der jüngere Bruder des mutmaßlichen Täters sowie die beiden Männer, die eine Fatwa gegen den Lehrer erlassen haben sollen.
Weiter seien nach Angaben des Innenministers rund 80 Beschwerden gegen die Verbreitung von Hass im Internet eingegangen. Darunter Nachrichten, die den brutalen Mord an dem Lehrer verherrlicht hätten. In diesem Zusammenhang sei es auch zu Verhaftungen gekommen.
[Lesen Sie hier mehr zum Thema - Sicherheitsbehörden befürchten eine Nachahmung der Tat in Deutschland.]
Wie die Zeitung "Le Monde" berichtet wurde auch ein 15 Jahre alter Schüler in Gewahrsam genommen, der womöglich Geld von dem Angreifer angenommen hatte. Der mutmaßliche Täter soll sich am Freitagmorgen mit zwei Messern und einer Airsoft-Handfeuerwaffe vor dem Schulgebäude Schülern genähert haben und ihnen mehrere hundert Euro in bar im Austausch für Informationen angeboten haben.
Wurden Sicherheitsvorkehrungen an der Schule getroffen?
Nach den Drohungen gegen den Lehrer und die Schule wurden keine Schutzmaßnahmen ergriffen, was in Frankreich deutlich kritisiert wurde.
Macron kündigte nach der Tat an, stärker gegen Radikalisierung vorzugehen und radikal-islamistische Propaganda im Internet intensiver zu überwachen. Auch die Sicherheit an Schulen soll verbessert werden. Am Sonntagabend kamen unter Vorsitz von Macron ein Verteidigungsrat mit mehreren Ministern und Antiterror-Staatsanwalt Jean-François Ricard zusammen.
„Jeder Lehrer in Frankreich muss unterstützt werden, wenn er sich in einer solchen Situation befindet“, sagte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer.
Wie wird nun weiter vorgegangen?
Seit der Ermordung gehen die Behörden mit zahlreichen Polizeieinsätzen gegen Islamisten vor. Die Einsätze würden sich dem Innenminister zufolge gegen „Dutzende Personen“ aus dem radikalisierten Milieu richten. In den kommenden Tagen sollen die Einsätze fortgesetzt werden.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider berichtet, bereitet Frankreich die Ausweisung von 231 mutmaßlichen Extremisten vor. Demnach habe Innenminister Darmanin die örtlichen Behörden darum gebeten, die Ausweisungen anzuordnen. Dies ging am Sonntag aus Polizeigewerkschaftskreisen vor.
180 der 231 Personen seien derzeit im Gefängnis untergebracht. Die restlichen 51 sollten in den nächsten Stunden festgenommen werden. Eine offizielle Bestätigung gibt es nicht.
Darüber hinaus sollen nach Angaben des Innenministers einige Vereinigungen aufgelöst werden, unter ihnen das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (CCIF) und BarakaCity. Auch die Finanzflüsse einiger islamistischer Vereine sollen strenger überwacht werden.
Wie reagieren die Menschen in Frankreich auf die Tat?
Am Sonntag versammelten sich zehntausende Menschen in Paris und weiteren Städten zu Kundgebungen für Meinungsfreiheit. In Frankreichs Hauptstadt kamen tausende Menschen auf der Place de la Republique zusammen.
Auf ihren Schildern stand etwa „Nein zum totalitären Denken“ und „Je suis Samuel“. Zu den Kundgebungen hatten Parteien, Verbände und Gewerkschaften aufgerufen. (mit dpa, Reuters, AFP, KNA)