Daten deutscher Politiker veröffentlicht: Was über den Datenklau bekannt ist
Unbekannte haben per Twitter Daten von Hunderten Politikern veröffentlicht. Betroffen sind auch die Kanzlerin, Künstler und andere Prominente.
Bei einem großen Online-Angriff sind persönliche Daten von Hunderten Personen des öffentlichen Lebens im Internet veröffentlicht worden. Die Attacke trifft unter anderem Politiker, Schauspieler und Fernsehmoderatoren. Einige Informationen wurden schon 2017 ins Netz gestellt, in großem Umfang wurden Daten dann im Dezember 2018 veröffentlicht. Doch erst Donnerstagabend wurde ein größerer Kreis darauf aufmerksam: Das Kanzleramt erfuhr erst kurz vor Mitternacht davon, die Bundestagsverwaltung in der Nacht zum Freitag.
„Die Bundesregierung nimmt diesen Vorfall sehr ernst. Das Cyber-Abwehrzentrum hat sich heute bereits mit dem Vorgang befasst“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Freitag in Berlin. Bei den Politikern seien „alle Ebenen“ betroffen, Abgeordnete aus dem Bundestag, dem Europaparlament und den Landtagen bis hin zu Kommunalpolitikern. Fietz warnte, es könnten auch gefälschte Daten in das Material eingeschleust worden sein.
Veröffentlicht wurden vor allem Kontaktdaten wie Handynummern und Adressen von Politikern aus dem Bundestag und zum Teil auch aus der Landespolitik, wie die Potsdamer Neuesten Nachrichten erfuhren. Aus Brandenburg wurden etwa Datensätze von fast der gesamten CDU-Fraktion sowie einzelnen Politikern von Linke, SPD und Grünen veröffentlicht.
In den Veröffentlichungen sind zum Teil auch äußerst persönliche Daten wie Privatadressen zu finden, etwa die von Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke. Von einem Großteil der Politiker, darunter auch Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben, wurden außerdem die privaten E-Mail-Adressen sowie Handynummern veröffentlicht.
Außerdem befanden sich unter den via Twitter veröffentlichten Daten Kopien von Personalausweisen und Mietverträgen, Privatadressen, außerdem ganze Chatverläufe, Rechnungen und Briefe. Sogar private Chats und Sprachnachrichten von Ehepartnern und Kindern sowie Skype-Namen von Kindern der Betroffenen wurden veröffentlicht.
Keine Sensiblen Daten aus Kanzleramt betroffen
Betroffen ist auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Aus dem Kanzleramt selbst seien jedoch keine sensiblen Daten infolge des Datenlecks abgeflossen, sagte Fietz. Das gelte auch für den Bereich von Kanzlerin Angela Merkel. Justizministerin Katarina Barley (SPD) wertete die Attacke als „schwerwiegenden Angriff“: „Die Urheber wollen Vertrauen in unsere Demokratie und ihre Institutionen beschädigen.“
Wer für den Angriff verantwortlich ist, war am Freitag noch völlig unklar. Die Bundesregierung wusste auch noch nicht, ob die Daten durch einen Hackerangriff abgefischt wurden. Auf welche Art und Weise die Daten abgeflossen seien, „lässt sich noch nicht mit Sicherheit feststellen“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Die Sicherheitsbehörden hätten festgestellt, dass es sich sowohl um „relativ aktuelle als auch um ältere Datenpakete handelt“.
Das Bundeskriminalamt, der Verfassungsschutz und zahlreiche andere Behörden sind mit dem Fall beschäftigt, darunter auch Landesbehörden. Die Koordinierung liegt beim Nationalen Cyber-Abwehrzentrum. Auch der Generalbundesanwalt schaltete sich in die Prüfung ein. Dazu sei in der Behörde in Karlsruhe ein sogenannter Beobachtungsvorgang angelegt worden, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums.
Wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Bundestag erfuhr, geht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegenwärtig davon aus, dass die Daten aus öffentlichen Bereichen des Internets wie Sozialen Medien oder Webauftritten stammen sowie teilweise aus privaten „Clouddaten“.
Auf dem Twitter-Account waren Listen von Betroffenen veröffentlicht worden, die nach Parteimitgliedschaft geordnet waren. Mit Abstand die meisten Einträge gab es auf der CDU-Liste. Die AfD-Fraktion ist die einzige im Bundestag, zu der keine eigene Liste veröffentlicht wurde.
Twitter-Account mittlerweile gesperrt
Am Freitag wurde der Twitter-Account gesperrt. Twitter verwies darauf, dass die unerlaubte Veröffentlichung privater Informationen gegen die Regeln des Dienstes verstößt.
Zu den Opfern des Datenklaus gehören neben anderen auch der Schauspieler und Regisseur Til Schweiger, der Bundesbeauftragte für die Ost-Länder Christian Hirte (CDU) und mehrere Fernsehmoderatoren.
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Veröffentlichung der Daten einen „Anschlag auf die Demokratie“. „Besonders verwerflich“ finde er, dass auch Familienangehörige und Kinder betroffen seien, etwa über die Veröffentlichung von Chatverläufen. „Das geht überhaupt nicht.“
Die FDP im Bundestag leitete juristische Schritte ein. Zentrale Systeme seien nach derzeitigem Stand aber nicht betroffen, sagte ein Sprecher der Fraktion am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Aus den Ländern melden mehrere Parteien, Opfer des Datenklaus geworden zu sein. In Niedersachsen traf es neben mehreren Mitgliedern des Kabinetts auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Es seien Privatadressen und alte Telefonnummern veröffentlicht worden, teilten Staatskanzlei und die Ministerien mit. „Das ist ärgerlich, aber noch nicht problematisch“, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei.
Nach Ansicht des renommierten Karlsruher IT-Sicherheitsexperten Christoph Fischer stammen die Daten nicht aus einer einzigen Quelle. „Da hat jemand offenbar mit viel Fleißarbeit versucht, Mail-Accounts zu öffnen“, sagte Fischer der dpa. Es handele sich um ein Potpourri an Material aus verschiedenen Hacks. Fischer geht davon aus, dass die Betroffenen schlechte Passwörter sowie Webmail-Accounts statt der offiziellen Mailadresse für die Kommunikation genutzt haben.
Der Angriff ist aus Sicht des Chaos Computer Clubs für jeden Computernutzer ein Weckruf. „Die Attacke zeigt, was passiert, wenn sich jemand wirklich dahinterklemmt und versucht, systematisch Unsicherheiten und Schlampigkeit auszunutzen, die wir alle im Alltag mit unseren Geräten und Informationen betreiben“, sagte CCC-Sprecher Frank Rieger am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. (Tsp, dpa)