Ebola: Was tut Deutschland gegen die Seuche und für die Betroffenen?
Mit der Ausbreitung der Ebola-Seuche stellt sich immer drängender die Frage, was reiche westliche Länder tun können. Die USA helfen schon massiv - Deutschland bislang nur wenig.
- Dagmar Dehmer
- Hartmut Wewetzer
- Stephan Haselberger
- Antje Sirleschtov
- Dr. Christian Böhme
- Hans Monath
Die Welt hat sich lange mit der Hoffnung zufrieden gegeben, dass Ebola ein regional begrenztes Problem darstellt. Doch nun ändern sich die Vorzeichen: Die Zahl der Fälle steigt, die Krankheit droht sich weit über Westafrika hinaus auszubreiten und erstmals werden Warnungen laut, die vor einer Veränderung des Ebola-Virus und dann mit einer Ausbreitung durch die Luft – und nicht mehr nur über Körperkontakt – warnen. US-Präsident Barack Obama hat Anfang der Woche Hilfe angekündigt, auch Soldaten will er entsenden. Am heutigen Donnerstag beschäftigt sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit den sicherheitspolitischen Folgen der Seuche.
Wie hilft Deutschland bei der Eindämmung der Ebola-Seuche?
Zu wenig. Die Hilfe kommt auch unkoordiniert und vor allem: zu spät. So oder so ähnlich hört es sich an, wenn Entwicklungshilfeexperten hinter den Kulissen die bisherige Hilfe bewerten. Und in der Tat, schaut man auf die Angebote der Bundesregierung, entsteht der Eindruck, als wäre erst in den vergangenen Tagen klar geworden, dass weit mehr als ein paar forschende Ärzte nötig sind.
Nun will Deutschland offenbar mehr als die bisher vom Entwicklungsministerium zur Verfügung gestellten zehn Millionen Euro ausgeben und außerdem die europäische Hilfe anschieben.
Seit mehreren Wochen koordiniert das Auswärtige Amt einen interministeriellen Hilfsstab. Ihm gehören bislang Vertreter des Entwicklungs- und des Gesundheitsministeriums an, das Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts und das Bernhard-Nocht-Institut um Hilfe in Westafrika gebeten hat. Sieben bis acht deutsche Wissenschaftler arbeiten seit April und geben Forschungs- und Diagnosehilfe. Seit einigen Wochen wird außerdem intensiv an einem Programm zur Unterstützung von medizinischem Personal in Westafrika gearbeitet. Spätestens Anfang Oktober sollen Ärzte und Pfleger dorthin reisen und Aufklärung leisten sowie ausbilden. Das Problem: Wer Helfer entsendet, muss sich zur Verantwortung für die Sicherheit bekennen und das ist bei einer Seuche wie Ebola nicht leicht.
Das Bundesverteidigungsministerium prüft außerdem in diesen Tagen, ob und wann Hilfsflüge, womöglich sogar eine regelrechte Luftbrücke, mit Transall-Maschinen eingerichtet werden kann, um Hilfsgüter und Spenden in die betroffenen Regionen zu senden. Außerdem will die Bundeswehr eine mobile Krankenstation nach Westafrika fliegen, in der bis zu 50 Kranke stationär betreut werden können. Betrieben werden soll die Station aber von Hilfseinrichtungen. „Das kann sehr rasch gehen“, heißt es dazu in Ministeriumskreisen.
Beim Technischen Hilfswerk (THW) hat es bislang keine Anfrage gegeben, ob und wie die Bundesanstalt helfen könne. Aktiv wird die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation der Bundesrepublik, wenn sie vom Innenministerium dazu beauftragt wird. Die Ebola-Seuche werde weiterhin als medizinisches Problem gewertet. Doch dieser Bereich gehöre nicht zur Kernkompetenz des THW, heißt es in der Bonner Zentrale.
Action Medeor und die Duisburger Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany bauen in der liberianischen Hauptstadt Monrovia zwei Isolierstationen mit insgesamt 44 Behandlungsplätzen auf. Liberia hatte um diese Hilfe gebeten. Bei den Isolierstationen handelt es sich um Spezialzelte aus den USA.
Warum ist der Beitrag so gering?
Naturgemäß findet die Bundesregierung ihren Beitrag überhaupt nicht gering. Offiziell heißt es: Wir reagieren angemessen. Intern allerdings ist zu hören, dass man insbesondere vom Gesundheits- und dem Entwicklungsminister mehr Engagement erwartet hatte. Dass es angesichts des matten Einsatzes der Ministerien zu Unmut im Kabinett gekommen sei, wurde allerdings zurückgewiesen.
Was könnte, müsste Deutschland leisten?
Hilfsorganisationen haben in den vergangenen Monaten mehrfach die Bundesregierung aufgefordert, sich umfassender um die Katastrophe in Westafrika zu kümmern. Doch ihrer Ansicht nach ist wenig passiert. „Ärzte ohne Grenzen“ hat deshalb in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel auf die dramatische Situation hingewiesen. „Anstatt mit aller Entschlossenheit die in Deutschland vorhandenen Kapazitäten zum Aufbau und Betrieb von Isolierstationen und anderer medizinischer Maßnahmen zu nutzen, beschränkt sich das deutsche Engagement bislang auf die finanzielle Unterstützung vor Ort tätiger Organisationen“, heißt es in dem Schreiben. Das müsse sich sofort ändern.
Ähnlich sieht man das beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). „Die Industrienationen müssen endlich begreifen, dass Ebola nicht nur eine dramatische Gesundheitskrise ist“, sagt Ralf Südhoff, Leiter von WFP in Deutschland und Österreich. Die Epidemie habe vielmehr auch die Infrastruktur der betroffenen Staaten komplett zusammenbrechen lassen. Bis zu 1,3 Millionen Bedürftige sind nach Schätzungen des Welternährungsprogramms schon jetzt auf Unterstützung angewiesen.
Elmar Frank, Geschäftsführer der Deutschen Afrikastiftung, und kein Freund von Entwicklungshilfe, hält dennoch einen größeren deutschen Hilfsbeitrag für nötig. Es gehe um Länder, die wegen der Bürgerkriege kaum Möglichkeiten hatten, „ihre Staatswesen aufzubauen“.
Warum engagiert sich Amerika so stark?
17 transportable Krankenhäuser mit je 100 Betten, 3000 Soldaten vor Ort, Gesamtkosten von über 750 Millionen Dollar: Diese Zahlen illustrieren die große Hilfe der USA. Die Geschichte bindet Amerika eng an Liberia, das Land war eine Staatsgründung durch befreite amerikanische Sklaven.
Insbesondere aber blickt die US-Regierung auch mit Sorge auf die Stabilität des afrikanischen Kontinents. „Diese Epidemie ist eine potentielle Bedrohung für die globale Sicherheit, wenn diese Länder zusammenbrechen und die Menschen in Panik verfallen“, warnte Obama in einer Ansprache zur Präsentation des Hilfsplans. Auch geostrategische Fragen spielen bei solchen internationalen Hilfseinsätzen durchaus eine Rolle. Die Unterstützung von und der Einfluss auf afrikanische Staaten ist fest verankertes Element amerikanischer Außenpolitik.
Welche Ausbreitung hat die Seuche inzwischen erreicht?
Die Zahl der Erkrankten in den drei besonders hart betroffenen Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone steigt mit solchem Tempo, dass allein in den letzten vier Wochen fast so viele Menschen infiziert worden sind wie in den sechs Monaten zuvor. Seit dem Ausbruch der Epidemie in Guinea im März sind rund 2500 Menschen dem Virus erlegen, über die Hälfte davon allein in Liberia, wo die USA bis zum Monatsende deshalb auch ihre Schaltzentrale errichten wollen. Etwa 5000 Menschen in der Region gelten als infiziert. Allerdings dürfte die Dunkelziffer erheblich höher liegen.
Welche Dimensionen der Seuche sind zu befürchten?
Im Fachblatt „Eurosurveillance“ haben Forscher der Universität Tokio und der Arizona State University anhand der bisherigen Entwicklung eine Hochrechnung angestellt. Sie schätzen, dass es schlimmstenfalls bis Jahresende zu 277 000 neuen Ebola-Infektionen kommen kann.
Wie bedrohlich sind Mutationen des Virus?
Der Erreger der Ebola-Epidemie in Westafrika neigt dazu, sich genetisch rasch zu verändern, zu mutieren. Das kann das Feststellen einer Infektion mit dem Virus ebenso wie die Behandlung mit neuartigen Medikamenten erschweren, befürchten viele Wissenschaftler. Noch weiter ging der als Schwarzseher bekannte Infektionsexperte Michael Osterholm von der Universität Minnesota. In einem Artikel in der „New York Times“ warnte er kürzlich davor, dass das Virus sich so weit genetisch wandeln könnte, dass es über die Luft übertragbar wird. So wie die Virusgrippe Influenza oder weit verbreitete Schnupfenerreger. Ebola würde sich dann rasch über den ganzen Planeten ausbreiten.
Denkbar, aber höchst unwahrscheinlich, lautete die Antwort anderer Ebolaexperten. „Theoretisch möglich, aber auf der Liste der möglichen Probleme ziemlich weit unten“, konterte der Infektiologe William Schaffner von der Vanderbilt-Universität gegenüber dem Magazin „Scientific American“. Ebola wird über direkten Kontakt mit dem Kranken und über Körperflüssigkeiten übertragen. Der Erreger müsste sich tiefgreifend und „gezielt“ genetisch verändern, um sich über die Atemwege und die Luft zu übertragen.