US-Demokraten streiten über China-Strategie: Was ist wichtiger – Klimawandel oder Menschenrechte?
US-Präsident Biden kommt unter Druck aus den eigenen Reihen. Progressive Gruppen warnen vor einer „zunehmenden Kalter-Kriegs-Mentalität“ im Umgang mit China.
Joe Biden gerät mit seiner China-Strategie zunehmend unter Druck in seiner eigenen Partei. Mehr als 40 progressive Gruppen mahnten den US-Präsidenten und den Kongress in einem offenen Brief, die Zusammenarbeit mit Peking mit Blick auf den Klimawandel in den Vordergrund zu stellen – und seinem konfrontativen Kurs beim Thema Menschenrechte abzumildern, zum Beispiel bei Chinas aggressivem Umgang mit der Opposition in Hongkong oder der muslimischen Minderheit der Uiguren.
Das Magazin „Politico“ berichtete zuerst über den am Mittwoch veröffentlichten Brief, zu dessen Unterzeichnern unter anderem Sunrise Movement, Friends of the Earth US und the Union of Concerned Scientists zählen.
„Der Klimawandel ist eine globale Krise“, so beginnt das Schreiben. Ihn zu bekämpfen, erfordere globale Zusammenarbeit. Die Verfasser warnen vor einer „zunehmenden Kalter-Kriegs-Mentalität“ in den USA, einer „eskalierenden überparteilichen Anti-China-Rhetorik“ sowohl im Kongress als auch im Weißen Haus, die den diplomatischen und politischen Beziehungen der beiden Länder schade.
Es gehe um „die Zukunft unseres Planeten“
Washington solle davon Abstand nehmen und mehr auf Multilateralismus, Diplomatie und Kooperation setzen. „Nicht weniger als die Zukunft unseres Planeten hängt davon ab, ob der neue Kalte Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China beendet wird.“
Die Biden-Regierung und der moderate Flügel der Demokratischen Partei versuchen bei China derzeit, eine Doppelstrategie zu fahren: Konfrontation und Wettbewerb bei ideologischen und militärischen Themen und zugleich Kooperation beim Klima. Biden sieht die Welt in einem Systemwettbewerb zwischen den modernen westlichen Demokratien und Autoritarismus á la Peking. Außerdem hat er von Anfang an die Klimapolitik ins Zentrum seiner Amtszeit gestellt und führte die USA gleich am ersten Tag seiner Amtszeit zurück ins Pariser Klimaabkommen, aus dem sein Vorgänger Donald Trump ausgetreten war.
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Für entscheidende Fortschritte in diesem Bereich, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, braucht die Welt aber die Kooperationsbereitschaft Chinas. Denn die Volksrepublik ist schon jetzt für 30 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Der Internationale Währungsfonds hat der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt gerade ein Wachstum von mehr als acht Prozent in diesem Jahr in Aussicht gestellt.
Positiv war die Teilnahme Chinas an Bidens Klimagipfel
Als positives Signal wurde gewertet, dass Chinas Präsident Xi Jinping an Bidens virtuellem Klimagipfel im April teilnahm. Dabei verpflichtete Peking sich, seine Emissionen zu verringern – nachdem die USA angekündigt hatten, ihren CO2-Ausstoß bis 2030 auf 50 Prozent des Ausstoßes von 2005 reduzieren, eine Verdoppelung der Zusagen, die Barack Obama für das Pariser Abkommen gemacht hatte.
Bidens Klima-Sonderbeauftragter John Kerry hatte im Januar erklärt, es gebe ganz offensichtlich ernsthafte Konflikte mit China. Aber diese Themen würden niemals für einen Handel verwendet werden, der auf irgendeine Weise mit dem Klima zu tun habe. Im April reiste er nach Schanghai, um den Klimagipfel vorzubereiten.
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Zudem warb Biden bei seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident in Europa vor drei Wochen für ein härteres Vorgehen gegen den „systemischen Rivalen“ China. In der gemeinsamen Abschlusserklärung des G-7-Gipfels in Cornwall wurden die Grundzüge für diese neue China-Politik festgehalten. Peking wurde darin erstmals mit seinen Menschenrechtsverletzungen konfrontiert.
Die Liste der Konflikte reicht von Menschenrechten bis zum Handel
Die Liste der Konflikte ist lang, sie umfasst neben dem Thema Menschenrechte über Chinas aggressives Vorgehen im Südchinesischen Meer bis zu Handelsstreitigkeiten. Zudem birgt die Frage nach dem Ursprung des Coronavirus erhebliches Konfliktpotenzial: In der G-7-Abschlusserklärung wurde eine „zeitnahe, transparente, von Experten geführte und wissenschaftlich basierte Studie“ darüber gefordert, wie das Virus in die Welt kam.
Der chinesischen Seite wird mangelnde Transparenz und Kooperationswilligkeit vorgeworden. Peking wiederum ist verärgert über den jüngst erneut von den USA ins Spiel gebrachten Verdacht, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan entwichen sein könnte. Die ersten Infektionen mit dem Virus waren im Dezember 2019 in Wuhan entdeckt worden.
Wie Biden die unterschiedlichen Forderungen – ein schärferes Vorgehen gegen Peking einerseits und mehr Kooperation auf der anderen Seite – in seiner Außenpolitik umsetzen kann, ist noch offen. Aber die Unterzeichner des offenen Briefes warnen bereits. Ändere der Präsident nicht umgehend seinen Kurs, riskiere er, bei einer seiner eigenen Hauptprioritäten zu versagen – bei dem Versuch, den Klimawandel aufzuhalten.